Kommentar zum Spermienschwund Wir müssen Ungeborene besser vor Chemikalien schützen
Seit Jahren redet der Bund die Bedenken zu Pestiziden und anderen hormonaktiven Stoffen klein und verzögert die Forschung auf dem Gebiet.
Bei zwei von drei jungen Schweizern ist die Spermienqualität kritisch und die Zeugungsfähigkeit deswegen wahrscheinlich beeinträchtigt. Das lässt sich heute nicht mehr wegdiskutieren. Doch eigentlich zeigten Daten dies bereits vor 15 Jahren, ohne dass deswegen viel unternommen worden wäre.
Auch der jüngste Befund von Genfer Forschern ist im Grunde erwartet worden: Hormonaktive Stoffe, allen voran Pestizide, dürften mitschuldig sein an der Fruchtbarkeitskrise der Männer. Die Studie liefert zwar keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang. Doch Beispiele aus der Natur und Laborbefunde deuten seit vielen Jahren darauf hin.
Die Erfahrung lehrt, dass die Behörden auch diesmal bestenfalls zurückhaltend reagieren dürften. Dabei sollten Schwangere jetzt vor Pestiziden, Weichmachern und ähnlichen Chemikalien möglichst geschützt werden, um die Fruchtbarkeit der Söhne nicht zu gefährden. Nicht nur Bäuerinnen, Coiffeusen und Putzkräfte, die gemäss der Studie besonders betroffen sind, sondern wegen der Verwundbarkeit des Fötus alle werdenden Mütter.
Der Bund redet Bedenken seit Jahren klein und verweist auf die lückenhafte Datenlage – knausert aber gleichzeitig bei der Unterstützung der Forschung.
Wie problematisch diese Substanzen für den Rest der Bevölkerung und bei tiefer Konzentration sind, bleibt weiterhin offen. Antworten wären gerade jetzt vor der Abstimmung zu der Pestizid- und der Trinkwasserinitiative wichtig. Der Bund redet Bedenken seit Jahren klein und verweist auf die lückenhafte Datenlage – knausert aber gleichzeitig bei der Unterstützung der Forschung.
Vor allem versäumt er es, ein entscheidendes Projekt voranzutreiben: das Human-Biomonitoring-Programm, mit dem die Chemikalienbelastung der Bevölkerung überwacht werden soll. Das Vorhaben dümpelt seit gut anderthalb Jahrzehnten von Bericht zu Evaluation zu Pilotstudie und zurück.
Es ist ein konsequentes Wegschauen bei einem Thema, das die Bevölkerung potenziell stark betrifft und auch bewegt. Es sollte sich niemand wundern, wenn sich die Stimmberechtigten am 13. Juni für einen Denkzettel entscheiden.
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