Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Migrationsgipfel in Rom
«Wir können euch nicht vor den Milizen und Schmugglern schützen»

Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien, am Sonntag in Rom. Sie ist Gastgeberin der internationalen Konferenz über Migration.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die italienische Regierung ergreift in der Migrationskrise die Initiative für eine grösser angelegte Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten des Mittelmeers – das ist das Signal, das Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Sonntag in Rom setzen wollte. Nahezu im Alleingang hatte Rom eine Konferenz organisiert, an der unter anderem 13 Staats- und Regierungschefs und die Chefs wichtiger internationaler Organisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Welternährungsorganisation FAO teilnahmen. Anders als teilweise angekündigt, blieben die Regierungschefs von Griechenland, Spanien und Frankreich fern, wohl aber war die EU-Spitze vertreten.

Über 85’000 Menschen kamen 2023 übers Mittelmeer nach Italien

Anwesend waren zu stundenlangen «Arbeitssitzungen» im italienischen Aussenministerium, der Farnesina, fast alle südlichen Anrainerstaaten des erweiterten Mittelmeers, des Nahen Ostens und des Arabischen Golfs, auch Staaten der Sahelzone und vom Horn von Afrika, kurz: alle jene Staaten, aus denen die Menschen stammen, die sich zahlreicher denn je auf die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer nach Europa machen. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 85’000 über diesen Weg nach Italien, im ganzen Jahr 2022 waren es 34’000 gewesen.

Meloni betonte in ihrer Eröffnungsrede, dass es darum gehe, die illegale Migration in den Griff zu bekommen und den Menschenhandel zu bekämpfen, dass dafür aber eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern notwendig sei, aus denen die Flüchtenden kämen oder in denen sie auf ihre Chance warteten, den Weg nach Europa zu finden. Beraten wurde über den Aufbau von Partnerschaften und Projekte in Bereichen wie Landwirtschaft, Infrastruktur und Gesundheit.

Reiseverbot für Migranten

Italien und die EU sind bisher damit gescheitert, die Flüchtenden aufzuhalten. Zuletzt hatte die EU auf Melonis Druck ein Abkommen speziell mit Tunesien geschlossen, das finanzielle Hilfe vorsieht, wenn Tunesien im Gegenzug die Flüchtenden von der Überfahrt nach Europa abhält. Meloni und ihr Aussenminister Antonio Tajani waren wiederholt in verschiedenen Staaten Afrikas, um dort Ähnliches zu verhandeln. Libyen und Tunesien setzen die neue Strategie allerdings bereits erbarmungslos um.

Migranten, die offenbar von tunesischen Behörden in der Wüste ausgesetzt wurden.

Libysche Grenzbeamte beobachteten am Freitag erneut eine Gruppe von Migranten, die von tunesischen Behörden in der Wüste zwischen beiden Ländern ausgesetzt worden waren. Patrouillen der Nationalgarde folgten den aus Subsahara-Afrika stammenden Menschen, um sie an der Rückkehr in die Städte Sfax und Zarzis zu hindern. In den beiden Küstenstädten wurde letzte Woche ein Reiseverbot für Migranten erlassen. Allerdings klagen auch legal in Tunesien lebende westafrikanische Studenten über eine zunehmende Diskriminierung gegen alle dunkelhäutigen Menschen im Land.

Die mit Bussen aus Sfax gebrachten Migranten werden bei Temperaturen von mehr als 40 Grad ohne Wasser und Essen ausgesetzt.

Die mit Bussen aus Sfax gebrachten Migranten werden bei Temperaturen von mehr als 40 Grad ohne Wasser und Essen ausgesetzt. Das von einem libyschen Armeeoffizier aufgenommene Bild einer Mutter, die zusammen mit ihrer zwölfjährigen Tochter an der tunesischen Grenze verdurstet aufgefunden worden war, sorgte in sozialen Medien für Empörung.

Die von Hilfsorganisationen in Schulen eingerichteten Notquartiere in den Städten Tataouine und Ben Guardane sollen nach Protesten wieder geschlossen werden. «Wir befinden uns ständig in Bewegung», erklärt Kabao Melgri in Sfax. Der 34-jährige Migrant aus Guinea sagt, er habe bei dem Angriff eines wütenden Mobs seinen Pass und alle Habseligkeiten verloren. «Ich habe mich von der Grenze zurück nach Sfax durchgeschlagen, nun verstecke ich mich und versuche, einen Platz auf einem Boot nach Europa zu ergattern.»

«Steigt lieber in ein Boot nach Europa»

Obwohl die tunesischen Behörden angekündigt hatten, alle illegal im Land lebenden Migranten in ihre Heimat auszufliegen, ist dies bisher kaum geschehen. Sogenannte Repatriierungen werden normalerweise von den für Flüchtlinge und Arbeitsmigranten zuständigen Organisationen der Vereinten Nationen durchgeführt; diese bleiben aber gegenwärtig weitgehend im Hintergrund.

Weil viele private Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit vor Ort von den grossen UNO-Organisationen abhängig sind, ist von ihnen nur selten Kritik an deren Arbeit zu hören – das gilt auch für Libyen. Aber Betroffene berichten, dass die UNO-Organisationen nicht wirklich helfen. Und die niedrige Zahl der Repatriierungen von Migranten und die weiterhin unmenschlichen Bedingungen in libyschen Gefängnissen bestätigen das. Mehr noch: «Steigt lieber in ein Boot nach Europa», hätten ihnen lokale UNHCR-Mitarbeiter gesagt, berichten sie: «Wir können euch nicht vor den Milizen und Schmugglern schützen.»

Die verschiedenen Machthaber Libyens sind eigentlich bereits Partner der EU bei der Bekämpfung illegaler Migration. Milizenführer Khalifa Haftar ist Gesprächspartner der römischen Regierung, obwohl seine Armee für diverse Kriegsverbrechen während des Angriffes auf Tripolis verantwortlich gemacht wird. Es ist auch bekannt, dass Haftars Offiziere Boote mit ägyptischen Migranten an Bord aus Tobruk und anderen Hafenstädten ablegen liessen. Die schwierige wirtschaftliche Lage in Ägypten lässt Experten erwarten, dass die Zahl der nach Europa Flüchtenden bald noch einmal dramatisch steigen wird.