Leitartikel zur Credit-Suisse-RettungWir alle zahlen für die Fehler der Banken – diese Gratiskultur muss ein Ende haben
Systemrelevante Banken wissen genau, dass sie im schlimmsten Fall vom Staat gerettet werden. Diese Sicherheit müssen sie ihm finanziell abgelten. Und es braucht weitere Eingriffe, um künftig Bankenkrisen zu vermeiden.
Man kann es natürlich so sehen wie Martin Landolt. Der Glarner Mitte-Nationalrat sagte, wenige Stunden nachdem sich die taumelnde Credit Suisse 50 Milliarden Franken von der Nationalbank geliehen hatte, er sehe keinen Bedarf nach zusätzlichen gesetzlichen Regelungen. Gegen die Ursachen, die zur Krise bei der Grossbank geführt haben, würden schärfere Gesetze kaum helfen. Schuld sei eine toxische Unternehmenskultur.
Der ehemalige Banker Landolt – während dreier Jahre Bundeshaus-Lobbyist der UBS – macht es sich zu einfach. Wie auch die anderen Finanz- und Wirtschaftspolitiker von SVP, FDP und Mitte, die sich umgehend gegen schärfere Regeln für systemkritische Banken wehrten. Wahr ist zwar, dass die Credit Suisse nicht wie die UBS 2008 vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden musste. Die Credit Suisse war kein Fall von «Too big to fail», also einem ungeordneten Konkurs einer systemrelevanten Bank.
Wahr ist aber auch, dass man sich nach der Finanzkrise einig war, dass eine Milliardenrettung durch den Staat und die Nationalbank nie mehr geschehen sollte. Darum sollten Bundesrat und Parlament nun nicht zur Tagesordnung übergehen – sondern die Schwachstellen beseitigen, die immer wieder zu existenzbedrohenden Bankenkrisen führen.
Für diese faktische Staatsgarantie zahlen die systemrelevanten Banken keinen Rappen.
Gewiss, die toxische Unternehmenskultur der Credit Suisse ist eine der Ursachen der aktuellen Notlage. Sie führte zu jahrelanger Misswirtschaft, zu unzähligen Skandalen und zur immer schnelleren Abfolge unfähiger Chefs.
Doch die Ursachen von Krisen wie bei der Credit Suisse oder auch 2008 bei der UBS liegen tiefer. Eine der hauptsächlichen ist, dass die Chefs und Aktionäre systemrelevanter Banken wissen, dass ihr Unternehmen im schlimmsten Fall von der öffentlichen Hand gerettet wird. Für diese faktische Staatsgarantie zahlen sie jedoch keinen Rappen – im Gegensatz zu den Kantonalbanken, die dafür den Kantonen viel Geld abliefern.
Das ist eine unfaire Bevorzugung und Subventionierung systemrelevanter Banken wie UBS, Credit Suisse und Raiffeisen. Davon profitieren die Aktionäre der beiden Grossbanken in Form üppiger Dividenden und das Management aller drei Banken in Form hoher Boni – während sie in schlechten Zeiten erwarten, dass die Nationalbank oder sogar der Staat aushelfen.
Mit dieser Gratiskultur auf Kosten von uns allen muss Schluss gemacht werden. Die Lösung wäre eine finanzielle Abgeltung für die faktische Staatsgarantie, ähnlich wie ein Zins für einen Kredit. Das würde sofort das Geschäftsgebaren der systemrelevanten Banken ändern, sprich: Sie würden weniger Risiken eingehen. Und der Anreiz für die Aktionäre würde erhöht, dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung genauer auf die Finger zu schauen.
Im guten Fall beziehen Aktionärinnen und Aktionäre Dividenden, aber im schlechten Fall stehen nicht sie gerade, sondern die öffentliche Hand.
Die Gratiskultur zulasten der Allgemeinheit geht noch weiter. Aktionärinnen und Aktionäre systemrelevanter Banken haben nur Rechte, aber null Pflichten. Im guten Fall beziehen sie Dividenden, aber im schlechten Fall stehen nicht sie gerade, sondern die öffentliche Hand. Mit der Einführung einer Nachschusspflicht wäre dieses Problem gelöst. Das würde bedeuten, dass die Aktionäre systemrelevanter Banken dazu verpflichtet werden, in Notfällen anteilsmässig das Unternehmenskapital zu erhöhen oder für entstandene Verluste zu haften.
Eine weitere Massnahme auf dem Weg zu einem gesünderen Bankensystem sind strenge Auflagen für Löhne und Boni von Topmanagern. Vor allem die absurd hohen Boni bieten ihnen einen Anreiz für Misswirtschaft, schlechte Kontrollen, unsinnige Umstrukturierungen, riskante Zu- und Verkäufe und im schlimmsten Fall illegale Machenschaften. Es muss ja nicht gleich ein Totalverbot von Boni sein, wie die politische Linke fordert. Aber eine Deckelung der Löhne und Boni bei systemrelevanten Banken ist das Mindeste.
Es kann nicht sein, dass die Finanzmarktaufsicht selbst dann keine Bussen verhängen darf, wenn sie grobe Missstände aufdeckt.
Ein weiteres Problem ist, dass die Investmentsparten mit ihrem riskanten Eigenhandel die Grossbanken immer wieder ins Trudeln bringen. Darum sollte man Vermögensverwaltungs- und Geschäftsbanken von den Investmentbanken trennen. Ein solches Trennbankensystem hat sogar der frühere UBS-Präsident Peter Kurer propagiert. Vor einigen Jahren wurde es im Nationalrat mit Stimmen von SVP, SP und Grünen angenommen – und dann im Ständerat versenkt.
Zu guter Letzt muss die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht schärfere Mittel erhalten, um durchgreifen zu können. Es kann nicht sein, dass sie selbst dann keine Bussen verhängen darf, wenn sie grobe Missstände aufdeckt. Im Gegenteil sollte sie nicht nur gegen einzelne Personen Bussen aussprechen können, sondern auch gegen fehlbare Unternehmen.
All dies würde dazu beitragen, die Banken von hochspekulativen Geschäften abzubringen und auf ihren ursprünglichen Sinn und Zweck zurückzuführen, nämlich Menschen und Unternehmen mit Krediten zu versorgen, ihre Vermögen zu verwalten, sie in allen finanziellen Belangen zu beraten und den Zahlungsverkehr sicherzustellen – durchaus noble und für eine Volkswirtschaft wichtige Aufgaben. Das Leben auf Kosten der Allgemeinheit gehört nicht dazu.
In einer ursprünglichen Version hatte es geheissen, Aktionäre und Management systemrelevanter Banken wie UBS, Credit Suisse und Raiffeisen profitierten in Form üppiger Dividenden und Boni von einer unfairen Bevorzugung und Subventionierung. Raiffeisen hat jedoch keine Aktionäre, sondern Genossenschafter, und zahlt keine Dividenden. Der entsprechende Passus wurde korrigiert.
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