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Kanarische Inseln
Warum Sie jetzt auf diese Insel reisen sollten

Wem 20 Grad Wassertemperatur warm genug sind, kann auch im Winter Badeferien auf Lanzarote machen. Die Strände sind aber vor allem tolle Ziele für lange Spaziergänge und Wanderungen.
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In Kürze:
  • Lanzarote ist die trockenste der Kanarischen Inseln. Ihre karge, aber dennoch reizvolle Landschaft verdankt sie zahlreichen Vulkanausbrüchen.
  • Der Tourismuspionier César Manrique setzte sich schon in den 1960er-Jahren für einen sanften Tourismus ein – das prägt die Insel noch immer.
  • Und doch: Inzwischen verzeichnet die Insel über drei Millionen Besucher pro Jahr. Unter den Einheimischen regt sich Widerstand gegen rücksichtslosen Massentourismus.
  • Wer dem entgegenwirken möchte, sollte die Insel in den Wintermonaten besuchen.

Erst sprudelte die Lava wie Wasser, dann «wie zähflüssiger Honig». Das Vieh fiel tot um, «erstickt vom stinkenden Dunst», die Küsten waren bedeckt von toten Fischen, «von denen man viele Arten noch nie gekannt hatte». Don Andrés Lorenzo Curbelo, Pfarrer im Dorf Yaiza, war Augenzeuge, als sich auf Lanzarote am 1. September 1730 die Erde öffnete, und er schrieb auf, was er sah. Binnen weniger Tage schoben sich Berge empor, rot glühende Fontänen schossen in den Himmel.

Sechs Jahre dauerte der Ausbruch, Lava und Asche legten sich über ein Viertel der Insel, bedeckten Dörfer und fruchtbares Land, eine Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmasses, die der Insel ihr heutiges Gesicht gab.

Auch knapp 300 Jahre später sehen weite Teile der Insel so aus, als wäre die Lava gerade erst erkaltet, ein Meer aus scharfkantigen schwarz-braun-roten Brocken, aus dem sich die Vulkanberge erheben. Eine raue, archaische Landschaft, ein eingefrorener Moment der Erdgeschichte.

Das ist die eine Seite von Lanzarote. Doch die viertgrösste der Kanarischen Inseln, rund 140 Kilometer von der marokkanischen Küste und 1000 Kilometer vom spanischen Festland entfernt, ist zugleich ein beliebtes Ferienziel, gerade jetzt im Winter, wenn es bei uns kalt und nass ist und viereinhalb Flugstunden entfernt angenehme 20 Grad locken. 3,1 Millionen Touristen kamen im Jahr 2023 auf die Insel, die meisten nahmen Quartier in einem der Resorts am Meer.

Flying over Playa Blanca, Lanzarote

Viele der Hotels verfügen über mehrere Hundert Betten und erstrecken sich mit ihren endlosen Balkonreihen entlang der Küste. Zum Teil wurden sie illegal erbaut, der zuständige Bürgermeister ist mittlerweile wegen Korruption verurteilt.

Gerade mal 150’000 Inseleinwohner, mehr als 3 Millionen Gäste im Jahr, eine schützenswerte Landschaft – kann das funktionieren? Viele Einheimische finden: nein. Wie auch auf Gran Canaria, Teneriffa und Fuerteventura gingen sie dieses Jahr wiederholt gegen den Massentourismus auf die Strasse. Obwohl gerade auf Lanzarote, dieser kargen Insel mit wenig Industrie und Landwirtschaft, ein Grossteil von ihnen in der Branche arbeitet.

Der Protest, heisst es von Insidern, richte sich nicht gegen die Touristen. Es gehe um die Art und Weise, wie sich der Tourismus entwickle: Es werde zu viel gebaut und dann ausschliesslich touristisch vermietet. Die Einheimischen finden keine Wohnungen mehr. Die Grenze des Erträglichen sei erreicht.

Dabei hatten sie sich auf Lanzarote doch eigentlich schon vor Jahrzehnten auf diesen Weg gemacht. Als ab Mitte der 1960er auf den Nachbarinseln und auf dem spanischen Festland ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt die Hotelklötze aus dem Boden gestampft wurden, entwickelte auf Lanzarote ein Mann eine gänzlich andere Idee von Tourismus.

César Manrique, 1919 auf Lanzarote geboren, Architekt, Maler, Bildhauer, kehrte nach Jahren in Madrid und New York Ende der Sechzigerjahre auf die Insel zurück.

Sein Haus baute er mitten in ein Lavafeld, ein strahlend weisser Kubus, durch den die schwarze Landschaft hindurchzufliessen scheint. Unterirdische Hohlräume, die sich beim Erkalten der Lava gebildet hatten, bezog Manrique in das Gebäude ein, nutzte sie als Gänge und Lichthöfe, Bäume recken sich daraus hinauf ans Tageslicht. Das Haus ist heute ein Museum und eine Art Nukleus der Idee Manriques, Natur und Kunst zusammenzuführen.

Unterirdische Hohlräume, die sich beim Erkalten der Lava gebildet hatten, bezog Manrique in das Gebäude ein, nutzte sie als Gänge und Lichthöfe, Bäume recken sich daraus hinauf ans Tageslicht

Es war eine arme Insel, auf der Manrique aufwuchs, die Landwirtschaft mühsam, der Schulbesuch oft Luxus. Der beginnende Tourismus versprach Wohlstand. Im damaligen Inselpräsidenten, einem Schulfreund, fand Manrique einen Verbündeten für die Vision eines nachhaltigen Tourismus, von dem Bewohner wie Besucher profitieren sollten. Das Konzept sah Ferienanlagen im traditionellen Baustil vor, kein Gebäude höher als eine Palme, ausserdem eine Begrenzung der Bettenzahl, ein Verbot greller Werbeplakate entlang der Strassen.

Dazu die Natur als die wahre touristische Attraktion, behutsam zugänglich gemacht zum Beispiel mit den Jameos del Agua, einem einst zugemüllten Lavatunnel, in den Manrique ein Café und effektvoll beleuchtete Veranstaltungsräume baute mit einem natürlichen Salzwassersee dazwischen, in dem winzige Albinokrebse leben.

Aussichtspunkt Mirador del Río gestaltet vom Künstler César Manrique, Lanzarote, Kanaren, Kanarische Inseln, Spanien, Europa *** Viewpoint Mirador Del Río designed from Artists César Manrique, Lanzarote, Canary Islands, Canary Islands Islands, Spain, Europe Copyright: imageBROKER/MichaelxNitzschke ibltlo10345282.jpg Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Urheberrechtes hinsichtlich der Namensnennung des Fotografen im direkten Umfeld der Veröffentlichung
Jardín de Cactus

Mit dem Mirador del Río, einem Aussichtspunkt mit grandiosem Blick auf die kleine Nachbarinsel La Graciosa, der sich kaum sichtbar in den Fels einer 500 Meter hohen Klippe einfügt. Oder mit dem Jardín de Cactus, angelegt wie ein Amphitheater in einem früheren Steinbruch.

Nicht Masse sollte das Ziel sein: Manrique wünschte sich die Insel als ein «Paradies der wenigen», ein Anziehungspunkt für «neugierige, gebildete, empfindsame» Touristen. Er machte sich damit – wenig überraschend – nicht nur Freunde, und gebaut wurde trotzdem. Aber immerhin, die touristischen Zentren auf Lanzarote sind nicht ganz so massiv wie anderswo und konzentrieren sich auf den Süden der Insel.

Wären die aktuellen Proteste gegen einen überbordenden Massentourismus im Sinne Manriques, der 1992 bei einem Autounfall starb? Er selbst habe zuletzt frustriert resigniert, erzählt Bettina Bork. Sie stammt aus Deutschland, hat jahrelang mit Manrique gearbeitet, lebt seit 1993 ganz auf der Insel und leitet dort das Kulturzentrum Arte de Obra. Zu viele von Manriques Ideen seien unter die Räder des touristischen Wachstums geraten, schon vor seinem Tod, und erst recht danach.

Vom Aussichtspunkt  Mirador del Río hat man einen spektakulären Blick auf die kleine Nachbarinsel La Graciosa.

Könne man als Tourist dann überhaupt noch guten Gewissens auf die Insel kommen? «Natürlich», sagt Bork, «César würde sagen: Kommen Sie bitte, aber machen Sie anders Ferien.» Beispielsweise in einer Unterkunft, die von Einheimischen betrieben wird. Mit Zeit für ein intensives Erleben der Landschaft anstelle der schnellen Bustour von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten.

Wobei, ganz ohne Bus geht es nicht: Auf die schmale Strasse, die sich durch den Timanfaya-Nationalpark schlängelt, darf man nur auf einer geführten Rundfahrt.

Die macht man am besten in den Morgenstunden, nicht nur, weil der Andrang geringer, sondern auch weil das Farbenspiel der «Feuerberge» dann umso schöner ist. 1974 wurde die Region im Südwesten der Insel zum Nationalpark erklärt, jene Landschaft, die durch die verheerenden Eruptionen im 18. Jahrhundert entstand. Unter der Erde kocht es noch immer: Die trockenen Sträucher, die Ranger in ein Loch werfen, fangen sofort Feuer.

Volcanos in Timanfaya National Park on Lanzarote, Spain, post processed in HDR

Am besten jedoch nähert man sich zu Fuss dieser auf den ersten Blick so abweisenden, fast surrealen Szenerie, die dem Menschen ziemlich unmissverständlich klarmacht, dass er den Kräften der Natur piepegal ist, ganz gleich, wie wichtig er sich selbst nimmt. Am Rande des Nationalparks geht das auch auf eigene Faust, auf dem Wanderweg Ruta del Litoral zum Beispiel, zwölf Kilometer immer an der Küste entlang, über scharfkantige Lava, an der sich die Wellen brechen. Und als setze sich das Meer an Land fort, klammern sich Balsam-Wolfsmilch-Sträucher an den Fels, die aussehen, als seien es Korallen.

Gut zu erreichen, entweder zu Fuss oder mit dem Mountainbike, ist auch die Caldera de los Cuervos, ein spitzzackiger Vulkanstumpf, den man bequem umrunden kann. An einer Stelle ist die Felswand eingebrochen und gestattet den Blick in den Krater. Ganz in der Nähe führt ein Lehrpfad um die rot schimmernde Montaña Colorada. Zu Füssen des Berges liegt eine Lavabombe, der meterhohe runde Brocken erstarrte noch im Flug.

Juan Carlos,Guide

Zur kreisrunden Caldera de la Rilla steigt man auf einem schmalen Pfad durch Aschelandschaft hinauf, der Untergrund rutscht wie grober Sand unter den Füssen. «Und jetzt alle ruhig sein und die Augen schliessen», sagt Juan Carlos, der Guide, der die Wandergruppe hinaufgeführt hat. Auch er war bei den Demonstrationen gegen den überbordenden Tourismus dabei, «gerade, weil ich meinen Job liebe». Ebenso wie die Stille hier oben am Kraterrand.

Jetzt wieder Augen auf, denn Lanzarote belohnt jene, die in der vermeintlich öden Steinwüste genauer hinschauen. Die in vielgestaltiger Form erstarrte Lava am Wegesrand ist ein Kunstwerk, das keinen Künstler benötigt. Mal sieht sie aus wie geschmolzene Schokolade, mal wie ein plattgetretener Kuhfladen.

Geschmolzene Schoggi? Falsch, es ist getrocknete Lava. Mal sieht sie so aus, …
… mal so.

Aber irgendwie ist doch alles totes Gestein? Unfruchtbar und zu nichts nutze? Nur auf den ersten Blick. Dank des feinkörnigen Lavakieses, Picón genannt, gedeiht auch Wein auf der trockenen Insel. Rebe für Rebe steht einzeln in einer trichterförmigen Vertiefung, niedrige halbrunde Mauern schützen die Pflanzen vor Wind. Das sieht aus, als hätten Ausserirdische rätselhafte Botschaften in den Boden gefräst, hat aber ganz praktische Gründe: Die schwarzen Körnchen speichern die Feuchtigkeit der Luft und bewahren die Erdschicht darunter vor Austrocknung.

Landwirtschaft auf Lanzarote ist mühsam, verbunden mit viel Handarbeit. An den terrassierten Hängen im Inselnorden wird nichts mehr angebaut, die Flächen verwildern und sind der Erosion ausgesetzt. Es lohnt sich nicht, im Tourismus ist das Geld leichter verdient. Auch die Dromedare, die früher vor den Pflug gespannt wurden und auf ihrem Buckel Wasser oder die Ernte transportierten, haben umgelernt und schaukeln jetzt Touristen durch die Landschaft.

Camel convoy heading home through the volcanic landscape of Timanfaya National Park.

Bettina Bork, die Manrique-Mitarbeiterin, die dessen Idee eines nachhaltigen Tourismus einfach nicht aufgeben will, würde die Tiere gern zurückholen, um die traditionelle Landwirtschaft und damit einen Teil des kulturellen Erbes der Insel wiederzubeleben. «Die Touristen können zuschauen oder auch mithelfen. Dabei würden sie mehr von der Insel mitbekommen als im Hotel.»

Hinweis der Redaktion: Die Recherchereise für diesen Artikel wurde teilweise unterstützt durch Veranstalter, Hotels, Transportunternehmen und Tourismusagenturen.