Reise: TrentinoOlivenöl vom Gardasee
Das nördlichste und kleinste Olivenanbaugebiet der Welt liegt im Trentino. Bald kann man dort wieder übernachten. Jetzt liefert es erst mal Weihnachtsgeschenke.
- Im Trentino liegt das nördlichste Olivenanbaugebiet der Welt.
- Das Mikroklima begünstigt den Anbau von hochwertigen Oliven.
- Die Olivenbauern der Region möchten den «Champagner unter den Olivenölen» herstellen.
- Gäste sind in Agriturismo-Unterkünften willkommen.
Rosanna Ischia muss nicht lange überlegen. «340», antwortet sie auf die Frage, wie viele Olivenbäume im Garten des Hotels O_live in Arco stehen, wo sie als Réceptionistin arbeitet. «Warten Sie», sagt sie und verschwindet im Nebenzimmer, um eine kleine Olivenölverkostung für uns vorzubereiten. So einfach kommt man nach einer solchen Frage nicht vorbei an Rosanna. Sie kennt sich aus mit Olivenöl und ist fest entschlossen, ihr Wissen mit den Hausgästen zu teilen.
In kleine bauchige, dunkelblaue Gläser mit Deckel giesst sie das Öl. «Mit Deckel können sich die Aromen am besten entfalten», erklärt sie. Man tut es einfach Rosanna gleich, nimmt den Deckel ab und steckt erst einmal die Nase tief in das Glas. «Das hier ist unser reines Casaliva-Öl», sagt sie stolz, es sei die dominierende Olivensorte im Trentino, eine robuste, autochthone Sorte, die nur hier vorkomme.
«Mit seinem Heuaroma und intensivem Duft ist es das typische Öl der Region», erklärt sie, zudem sei es reich an Polyphenolen und ungesättigten Fettsäuren. Der scharfe Geschmack sei ein Qualitätsmerkmal; gutes Öl müsse Bitternoten haben und im Hals kratzen.
Das ultimative Souvenir
Im zweiten Glas ist Öl von der Leccino-Olive, typisch sei ihre cremige Konsistenz und ihr diskreter Duft nach Kräutern. Das dritte enthält eine Mischung, ein gutes Öl für alle Tage. So stehen im kleinen Shop des Agriresort O_live unweit des Gardasees neben den üblichen Seifen, Würzmischungen und Hausweinen unverzichtbar die hauseigenen Öle und Olivenprodukte. Wer hier übernachtet, wird kaum ohne eine Flasche Öl als Souvenir abreisen.
Schlafen beim Olivenbauern entwickelt sich in der nördlichen Gardasee-Region zu einer beliebten Variante des Agriturismo. Das Anwesen O_live wird von der Familie Tarolli betrieben. Es ist von Olivenbäumen umgeben, Richtung Süden geht der Blick auf den Gardasee und das Städtchen Riva del Garda.
Zur Linken ist der Monte Brione, ein lang gezogener Bergsattel, der zum See hin aufragt wie ein Schiff mit Schlagseite. Zwischen den Bäumen versteckt liegt ein Pool. Schlafen, frühstücken und schwimmen im Olivenhain – oder einfach nur sitzen und entspannen: Mehr braucht es hier nicht.
Obwohl es natürlich noch einiges mehr gibt: einen riesigen Feigenbaum, der Schatten spendet und in dessen ausladender Krone ein Baumhaus auf Kinder wartet. Zum Frühstück, zubereitet von den Gastgebern, Francesca und ihrem Mann Rino Tarolli, gibt es hausgemachte Konfi, selbst gebackenen Kuchen, Joghurt, Butter, Käse aus der Region.
Bestellungen – für ein Omelett, eine kleine Speckplatte – geben die Gäste an der Küchentür ab. Dann sitzen sie zufrieden auf der Terrasse oder mitten im Garten und starren tiefenentspannt ins immergrüne Geäst.
Dank dem See zu milden Wintern
Das Trentino ist das kleinste Olivenanbaugebiet Italiens. Von den insgesamt 1,14 Millionen Hektar Anbaufläche entfallen lediglich 393 Hektar auf die kleine Provinz. Zum Vergleich: Apulien, Italiens grösstes Anbaugebiet, umfasst 342’420 Hektar. Dem staatlichen Agrarinstitut Ismea zufolge entfielen bei der Ernte 2023/24 von den insgesamt 328’461 Tonnen Olivenöl lediglich 219 Tonnen auf das Trentino.
Eine weitere Besonderheit: Das Trentino ist nicht nur das kleinste, sondern auch das nördlichste Olivenanbaugebiet – weltweit. Möglich ist der Anbau in dieser Region dank des vorherrschenden Mikroklimas: Die Dolomiten im Norden schirmen kalten Wind ab, das ausgleichende Klima des Gardasees sorgt für milde Winter. Strenge Fröste gibt es nur selten. Die vorherrschenden autochthonen Olivenarten Casaliva, Leccino und Frantoio tolerieren Kälte bis minus fünf Grad.
Schon wahr, der Klimawandel verschiebt die Grenzen wie beim Weinbau immer weiter nach Norden. Aber noch gilt das Trentino als Rekordhalter – und markiert der 46. Breitengrad aktuell die Grenze. Weshalb die Genossenschaft Agraria Riva del Garda, in der sich 300 Ölproduzenten zusammengeschlossen haben, ihre Öle unter dem Namen «46° Parallelo» vermarktet.
Technikaffine Bauern
Dass das Trentiner Olivenöl besonders gut ist, liegt daran, dass bereits in den Nullerjahren mit einer Qualitätsoffensive begonnen wurde. Im Jahr 2000 hat die Genossenschaft Consorzio Agraria eine neue Ölmühle angeschafft, die Mitglieder der Genossenschaft erhalten regelmässig Schulungen und haben sich digital vernetzt.
Das Bild der Olivenbauern hat sich stark gewandelt, sie sind mittlerweile sehr technikaffin. Erklärtes Ziel ist es, den «Champagner unter den Olivenölen» zu produzieren. Preislich ist man diesbezüglich schon gut dabei: So kostet ein Liter des Genossenschaftsöls satte 47 Euro.
Zurück in Arco, das neben seinem Öl auch für seine Kletterfelsen berühmt ist, kann man aber auch einfach nur schön spazieren gehen. Wer durch den zur Habsburgerzeit gebauten Kurort bergauf geht, landet auf der Rilke-Promenade, einem sieben Kilometer langen Rundweg.
Die wenig anstrengende Tour führt an Schildern mit Rilke-Zitaten vorbei und natürlich durch schöne Olivenhaine. Ein Pfad, der über Steintreppen und gut ausgebaute Wege an steilen Hängen entlangführt. Terrassen mit Bruchsteinmauern wechseln sich ab mit sanften Wiesen.
Schonend kaltpressen
Was dort auch zu besichtigen ist, erklärt Wanderführer Alex Colò: Man kann im Vorbeigehen die modernen Anbaumethoden von Agraria Riva besichtigen. So schützt eine wassersparende Tröpfchenbewässerung vor Ernteausfällen. Und wenn ein Bauer Schädlingsbefall mit der Olivenfliege meldet, dann bringen auch die benachbarten Mitglieder Fallen in ihren Bäumen an. Moderne Technik sichert die schonende Kaltpressung bei 27 Grad Celsius. Und neue Labormethoden ermitteln den Säuregehalt des Öls und die optimale Erntezeit.
All das erzählt Colò beim Spaziergang, der im Hof Maso Bòtes endet. An dessen steiler Auffahrt steht der angeblich älteste Olivenbaum des Trentino, der Olif de Bòtes, geschätztes Alter zwischen 800 und 1000 Jahren. So weit und wohl noch weiter reichen die Wurzeln des Olivenanbaus in der Region zurück.
Grosse Geschmacksunterschiede
Der Maso Bòtes war mal ein Nebenerwerbsbetrieb. «Der Nonno hatte 30 Olivenbäume, vor 40 Jahren hat er das Anwesen gekauft», sagt dessen Enkel Andrea Santuliana. «Heute stehen hier am Hang 800 Bäume», insgesamt besitze die Familie auf fünf Hektar Land 1400 Olivenbäume. «Für das Trentino sind wir ein grosser Betrieb.» Der 29 Jahre alte Andrea hat zu den Oliven noch Honig und Honigwein als weitere Angebote hinzugenommen. Und Agriturismo.
Das neu gebaute Gebäude beherbergt im Keller auch eine Weinbar für die Verkostung. In den oberen Stockwerken befinden sich schicke Gästezimmer sowie eine Terrasse mit Pool. Für den Juniorchef geht Klasse eindeutig vor Masse. Wie die Winzer beim Wein spricht er beim Öl von der Bedeutung des Terroirs. «Der Boden machts», sagt er. Es sei ein grosser Geschmacksunterschied, ob eine Olive auf Sand, Kalkstein oder Ton wachse.
Aktuell ist Erntezeit. Gäste empfangen die Olivenhöfe erst wieder im Frühjahr. In der Zwischenzeit widmen sich die Gastgeber ihren Bäumen und denken sich Angebote für die nächste Saison aus. Und wer jetzt die Wartezeit überbrücken will oder an Weihnachtsgeschenke denkt, wird im Onlineshop fündig.
Hinweis der Redaktion: Die Recherchereise für diesen Artikel wurde zum Teil unterstützt von Anbietern, Hotels, Transportunternehmen und Tourismusagenturen.
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