Corona-Medienkonferenz«Es ist möglich, dass wir den Höchststand erreicht haben»
Der Bund ist optimistisch, dass die Spitäler in den kommenden Wochen nicht an ihre Grenzen kommen werden. Die Situation sei stabil. Der Ticker zur Medienkonferenz zum Nachlesen.
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Zusammenfassung
Die befürchtete Zunahme der Hospitalisationen wegen der Omikron-Welle ist gemäss dem Präsidenten der Kantonsärzte bisher ausgeblieben. Für eine Entwarnung ist es nach Einschätzung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) allerdings zu früh.
Nachhaltige Engpässe in Spitälern seien in der Akut-Pflege nicht bekannt geworden, sagte Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte (VKS), am Dienstag vor den Medien in Bern. Verlegungen von Patientinnen und Patienten seien bislang kaum nötig gewesen.
Dies bedeutet gemäss Hauri allerdings nicht, dass die Omikron-Welle die Spitäler nicht belastet. Teilweise fehle wegen Erkrankungen, Isolation und Quarantäne das Personal. Insgesamt ist die Zahl der Personen in Isolation und Quarantäne im Vergleich zur vergangenen Woche gestiegen. Dies, obwohl der Bundesrat die Dauer von Isolation und Quarantäne in der vergangenen Woche auf fünf Tage verkürzt hatte.
Hauri erklärte dazu, ein Grund könnten die vielen Ansteckungen im privaten Umfeld sein. Denn wer mit jemand Erkranktem im gleichen Haushalt lebe, müsse im Gegensatz zu anderen Kontaktpersonen weiterhin in Quarantäne.
Westschweiz stärker betroffen
Sowohl Hauri als auch Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle im Bundesamt für Gesundheit (BAG), verwiesen auf erhebliche regionale Unterschiede bei den Neuinfektionen. Vor allem im Westen der Schweiz sei die Inzidenz erhöht – und es gebe mehr Hospitalisierungen. Das gleiche Bild zeige sich, betrachte man ganz Europa.
Angesichts der Entwicklung in der Westschweiz wollen die Bundesbehörden im Hinblick auf die Spitaleinweisungen denn auch keine Entwarnung geben. Es sei zu früh, die von der Taskforce des Bundes vorgelegten Modelle zu verwerfen, so Masserey. Wo die Omikron-Welle besonders stark sei, habe die Zahl der Spitaleintritte bereits zugenommen. Man wisse im Moment nicht, wie sich die Lage im Rest der Schweiz entwickeln werde.
Hauri sagte mit Blick auf seinen Heimatkanton Zug, dort betreffe Omikron noch immer vor allem Jüngere. Er räumte allerdings ein, er hätte erwartet, dass man auch in Zug früher eine Zunahme der Hospitalisationen sehen würde.
Masserey verwies darauf, dass es derzeit eine hohe Dunkelziffer bei den Neuansteckungen geben dürfte. Es sei gut möglich, dass sich in Wahrheit drei- bis viermal so viele Menschen ansteckten wie offiziell gemeldet. Dies mache Prognosen sehr schwierig.
Höhepunkt wohl nicht mehr fern
Allerdings könnte gemäss dem BAG der Höhepunkt der Omikron-Welle bald erreicht sein. In den vergangenen Tagen beobachte man nur noch einen «sehr langsamen Anstieg», sagte Masserey. Das absolute Niveau der Zahlen sei hoch, die Situation auf den Intensivstationen derzeit dennoch stabil.
In der Schweiz und in Liechtenstein wurden dem BAG am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 29'142 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Gleichzeitig registrierte das BAG 14 neue Todesfälle und 125 Spitaleinweisungen.
Am gleichen Tag vor einer Woche hatte das BAG noch Meldungen über 24'602 bestätigte Neuinfektionen, 129 Spitaleintritte und 16 Todesfälle erhalten. Damit ist die Zahl der Neuansteckungen innert Wochenfrist um 18,5 Prozent gestiegen. Die Spitaleinweisungen nahmen im Vergleich zur Vorwoche um 3,1 Prozent ab.
Kampagne für den Booster
Die 2-G-Regel macht aus Sicht der Bundesbehörden nach wie vor Sinn. Masserey begründete dies insbesondere mit dem Schutz der Ungeimpften. Es gelte zu vermeiden, dass sich Menschen mit dem Coronavirus ansteckten, die keine Immunität aufgebaut hätten. Insbesondere Geboosterte hätten hingegen einen guten Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf.
Um zögerliche Personen doch noch für eine Auffrischimpfung zu motivieren, plant der Bund eine Kampagne, wie Masserey an der Medienkonferenz ankündigte. Diese sei derzeit in Arbeit, sagte sie. Teilweise sei sie in den sozialen Medien bereits angelaufen. Insbesondere wenn die Zahl der Booster-Impfungen noch gesteigert werden könne, werde die epidemiologische Situation besser.
Zugang zur Auffrischimpfung werden laut Masserey bald auch 12- bis 15-Jährige erhalten. Eine entsprechende Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (Ekif) sei in Arbeit und dürfte bis Ende Woche vorliegen.
Swissmedic prüft neues Medikament
Neuigkeiten könnte es bald auch schon bei der Behandlung von Covid-19 geben. Das US-Pharmaunternehmen Pfizer hat beim Heilmittelinstitut Swissmedic ein Zulassungsgesuch für sein Arzneimittel Paxlovid eingereicht, wie dieses mitteilte.
Das Pfizer-Medikament enthält unter anderem Nirmatrelvir. Der neuartige Wirkstoff soll den Angaben zufolge ein Enzym des Sars-Cov-2-Virus hemmen, das eine wichtige Rolle in dessen Vermehrung hat.
Ende der Pressekonferenz
Die Medienkonferenz ist beendet, vielen Dank für Ihr Interesse. In Kürze folgt an dieser Stelle eine Zusammenfassung.
Frau Masserey, 90 Prozent der Fälle sind momentan auf Omikron zurückzuführen, 10 Prozent auf Delta. Ist die Situation auf der Intensivstation genau umgekehrt?
Masserey: «Das kann so sein, ich will mich hier nicht festlegen. Das Risiko ist bei Delta höher, auf der Intensivstation zu landen. Aber man weiss hier noch nicht genügend.»
Wo liegt die Herausforderung momentan bei den Kantonen, abgesehen vom Contact Tracing?
Hauri: «In der Kontrolle der Schutzkonzepte. In der Auskunft.»
Wie ordnen Sie die Situation bei den Hospitalisierungen ein?
Masserey: «Es gibt immer eine Verzögerung bei den Daten. Darum ist es beim BAG schwierig, solche Daten auszuwerten. Aber etwas lasse sich bereits erkennen: Bei den Omikron-Infektionen sind weniger Hospitalisierungen und Intensivpflege nötig.
Hauri: «Wir gehen davon, dass bei uns in Zug noch alles Delta-Fälle sind im Spital. Die Personen, die das Spital verlassen, verlassen es in einem relativ guten Zustand.»
Kampagne für Booster-Impfung geplant?
Um die zögerlichen Personen doch noch für eine Auffrischimpfung zu motivieren, plant der Bund laut Virginie Masserey eine Kampagne.
Eine solche Kampagne sei derzeit in Arbeit, sagte sie. Teilweise sei sie in den sozialen Medien bereits angelaufen.
Ist das BAG optimistisch?
«Wir sind eher positiv gestimmt», gibt Masserey zu. Gerade auch weil in anderen Ländern ebenfalls positive Entwicklungen zu beobachten seien. Die IPS-Stationen seien nicht überlastet, man sei gut vorbereitet.
Wer ist am besten geschützt? Doppelt geimpft und genesen oder dreifach geimpft?
Masserey: «Wenn man infiziert ist, ist das wie ein Booster. Die Studien gehen davon aus, dass man dann gut geschützt ist gegen eine Hospitalisierung. Es gibt Hinweise darauf, dass man besser geschützt ist, wenn man doppelt geimpft und genesen ist, als wenn man doppelt geimpft und geboostert ist.»
Bringt 2-G was?
Die 2-G-Regel macht aus Sicht der Bundesbehörden nach wie vor Sinn. Virginie Masserey begründet insbesondere mit dem Schutz der Ungeimpften.
Studien zur genauen Wirkung der Massnahme lägen noch nicht vor, sagte Masserey auf eine Journalistenfrage. Es gelte zu vermeiden, dass sich Menschen mit dem Coronavirus ansteckten und hospitalisiert werden müssen, die keine Immunität aufgebaut hätten.
Insbesondere Geboosterte hätten einen guten Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf, betone sie. Dasselbe gelte auch für kürzlich genesene Personen.
Was weiss man Neues über Nebenwirkungen beim Booster?
Masserey: «So viel ich weiss, sind die Nebenwirkungen sehr ähnlich wie bei der zweiten und dritten Impfung.»
Hauri bestätigt dies.
In den USA wird genesenen Kindern von 5 bis 11 Jahren eine Impfung nicht empfohlen.
Masserey: «Wir haben diesselbe Regelung. Diese Kinder können sich impfen lassen, es ist nicht verboten. Aber wir empfehlen es nicht.»
Die Dauer der Quarantäne wurde halbiert - aber die Anzahl Personen in Quarantäne ist stark gestiegen.
Die Zahl der Personen in Isolation und Quarantäne ist trotz der Verkürzung der Isolations- und Quarantäne-Dauer gegenüber der vergangenen Woche gestiegen. Das liegt gemäss Hauri daran, dass für Ansteckungen im Familienkreis die Dauer nicht verkürzt wurde.
Masserey ergänzte, dass die Anzahl auch steige, weil die Zahl der Ansteckungen weiterhin so hoch sei.
Die Dauer der Isolation und Quarantäne wurde von zehn auf fünf Tage verkürzt, weil zunehmend Arbeitskräfte in vielen Bereichen des Arbeitslebens fehlten. Eine Entspannung hat sich demnach noch nicht eingestellt.
Ist ein nationales Long-Covid-Register nötig?
Angesprochen auf ein Register für Personen mit Long Covid winkte Masserey ab. Das BAG sei nicht überzeugt, dass ein Register helfe, auf die Fragen zu antworten, die sich stellten. Es brauche die Wissenschaft und dafür liefen derzeit Untersuchungen. Diese würden mehr Informationen liefern als ein Register, sagte Masserey. Dennoch werde ein Register derzeit diskutiert.
Gemäss Kenntnissen von Hauri ist derzeit kein Kanton daran, ein spezialisiertes Zentrum für Long Covid aufzubauen. Erste Ansprechstelle seien die Hausärzte, dann gebe es die speziellen Sprechstunden. Danach brauche es mehrere Konsultationen bei unterschiedlichen Spezialisten, je nach Symptomen, sagte Hauri.
Gehen Sie bei den Fallzahlen von der Dunkelziffer aus? Oder von den erfassten Zahlen?
Masserey: «Wir gehen auch von der Dunkelziffer aus. Denn viele sind asymptomatisch oder bekommen keinen Termin für einen Test. Wir gehen daher davon aus, dass die aktuelle Zahl drei- bis viermal so hoch sind wie die erfassten.»
Hauri: «Bei den Schulen gibt es hingegen keine Dunkelziffer, da funktioniert die Testkapazität bei den repetitiven Tests.»
Lesen Sie dazu: «Alle Menschen werden irgendwann mit dem Virus infiziert»
Booster für 12- bis 15-Jährige bald möglich?
Masserey: «Die Impfkommission ist daran, Empfehlungen für diese Altersgruppe auszuarbeiten. Diese sollen bis Ende Woche vorliegen.»
Momentan können sich unter 16-Jährige noch nicht boostern lassen, da die Auffrischimpfung für junge Personen noch nicht zugelassen ist.
Braucht es die Covid-App noch?
«Die Bedeutung der App ist nicht mehr dieselbe wie früher», sagt Hauri. Allerdings können die Contact Tracer dadurch entlastet werden.
Wieviele Leute wurden mit Omikron infiziert? Haben wir den Höchststand erreicht - oder wann wird er erreicht sein?
Masserey: «Die erste Frage kann ich nicht beantworten, das ist ein Fall für die Taskforce. Zur zweiten Frage: Es ist möglich, dass wir den Höchststand erreicht haben. Unsere Beobachtungen gleichen jenen von Nachbarländern, die den Höhepunkt überstanden haben. Aber wissen tun wir es nicht. Ausserdem gibt es ja noch Unterschiede bei den einzelnen Kantonen.»
Frau Masserey, sollen die Zertifikate abgeschaffen werden?
Masserey: «Ich kann Ihnen hier keine Antwort geben. Wir wissen, der Immunitätsgrad in der Bevölkerung ist immer höher, das Virus ist weniger aggressiv. Es ist schwierig, die Zukunft vorauszusagen. Da wir heute doch sehr hohe Fallzahlen haben, scheint es mir angemessen, die aktuellen Massnahmen beizubehalten. Wir beobachten aber die Situation.»
Lesen Sie dazu: Kantone wollen schneller lockern – etwa die Homeoffice-Pflicht
Sind fünf Tage Isolation ausreichend?
Geimpfte Personen seien tendenziell kürzer infektiös, betont Masserey. Hauri sagt, es gebe schon ein Risiko, dass infektiöse Personen aus der Quarantäne entlassen werden. Wichtiger sei jedoch für die Kantone, die Infizierten zu kontaktieren, sobald sie aus der Quarantäne können.
Herr Hauri, Sie sprachen von zweifelshaften Heilsversprechen, mit denen die Kantone konfrontiert sind. Was meinen Sie damit?
Hauri: «Das sind Therapeuten, darunter können auch Ärzte sein, die versprechen, dass man mit einem bestimmten Mittel kein Covid bekommt. Das ist nicht zulässig zu behaupten, dieses oder jenes Mittel heile Corona. Solche Fälle sollen den Behörden gemeldet werden.»
SDA/sep
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