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Abgasschleudern auf hoher See
Wie eine Schweizer Firma mithilft, die Schifffahrt grüner zu machen

Zwei Touristenschiffe ankern bei La Paz in Mexiko. Die Abgaswolke, die sie ausstossen, ist weithin sichtbar. 
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«Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Kreuzfahrtschiff bei einem schönen Dinner und plötzlich riecht es nach Ammoniak.» Das ist keine schöne Vorstellung – auch nicht für Dirk Bergmann. Der Manager, der sich solche Gedanken macht, ist Technologiechef bei der Firma Accelleron. Das Unternehmen mit Sitz in Baden AG baut Turbolader, die die Leistung grosser Motoren verstärken. Es will mithelfen, die Schifffahrt grüner zu machen. Ammoniak wäre eine Lösung, ist aber wohl nicht geeignet für Kreuzfahrtschiffe. 

Doch der Reihe nach. Viele Kreuzfahrtschiffe und Containerschiffe fahren bis heute mit umweltschädlichem Schweröl. Damit verursacht der globale Schiffsverkehr rund drei Prozent der CO₂-Emissionen. Wäre die Schifffahrt ein Land, stünde sie auf Rang sechs der grössten CO₂-Emittenten weltweit. 

Um das zu ändern, sind Alternativen gefragt, an denen auch Bergmann mit seinem Team tüftelt: In Diskussion ist nicht nur Ammoniak – trotz möglicher Sicherheitsbedenken auf Kreuzfahrtschiffen. Auch Methanol oder Flüssiggas haben das Potenzial.  

Runter mit den Emissionen

Forciert werden die Umweltbemühungen von der UN-Organisation International Maritime Organization (IMO). Sie bestimmt die internationalen Regeln für die Schifffahrt und hat der Branche das Ziel gesetzt, den jährlichen Ausstoss der Treibhausgase für den gesamten Sektor bis im Jahr 2050 mindestens zu halbieren – im Vergleich zu 2008. Bislang ist die Branche nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur nicht auf Kurs, dieses Ziel zu erreichen.  

Doch möglicherweise werden die Vorgaben bald sogar noch strenger. Die IMO hat angekündigt, zur Jahresmitte eine aktualisierte Strategie zur Reduktion des Treibhausgasausstosses vorzulegen.

Konsumentinnen und Banken machen Druck

Auslöser für das neue Zeitalter in der Schifffahrt sind nicht nur strengere Vorgaben, sondern vielfach auch Konsumentinnen und Konsumenten, die sich Produkte wünschen, die CO₂-reduziert transportiert werden. Nike etwa hat sich zum Ziel gesetzt, beim Schiffstransport verstärkt auf Biotreibstoff zu setzen. Auch Ikea will den CO₂-Fussabdruck beim Transport übers Meer eindämmen.

Zudem spielen Banken und Versicherungen als Finanzierer eine grosse Rolle bei der Umstellung. In der Finanzbranche haben sich die sogenannten «Poseidon Principles» etabliert, die Leitplanken bei Geschäften mit grossen Reedereien vorgeben. Sie sollen helfen, Schiffe mit umweltfreundlichem Antrieb zu finanzieren. Unterzeichnet haben die Richtlinien 30 Banken, die zusammen Schiffe im Wert von 200 Milliarden Dollar finanziert haben – darunter die Credit Suisse sowie andere internationale Banken wie Citi und Société Générale. Zu den teilnehmenden Versicherungen gehört die Swiss Re mit Sitz in Zürich. 

Um die CO₂-Belastung der Schiffe zu messen, gibt es einen Indikator – den Carbon Intensity Indicator – kurz CII. Er funktioniert ähnlich wie das Energieeffizienz-Rating auf Haushaltsgeräten und geht von A bis E – wobei A gut und E schlecht ist. Das Rating gilt für grosse Schiffe wie Tanker, Containerschiffe, Flüssiggas-Schiffe, Autotransporter und Kreuzfahrtschiffe. 

Flüssiggas und Methan sind bereits im Einsatz

In einem ersten Schritt hat die Branche begonnen, Schiffe auf Flüssiggas (LNG) umzurüsten. Zunächst geschah das auf grossen Tankern, die Flüssiggas transportieren. Ein Teil des Gases kam als Treibstoff zum Einsatz, um den Druck in den Flüssiggas-Tanks auszugleichen.  Auf vielen Schiffsneubauten kommen heute LNG-Motoren zum Einsatz, weil es weniger CO₂ freisetzt als der Betrieb mit Schweröl. 

Allerdings kritisieren Umweltschützer den Einsatz von LNG, weil dadurch deutlich mehr Methan freigesetzt wird – ein sehr schädliches Treibhausgas. Doch abschreiben will Accelleron den Treibstoff nicht. «Ich rechne damit, dass man das Problem wegen des Methan-Ausstosses mit den modernen Motoren in den Griff bekommen wird», so Bergmann.

Auch Methanol ist heute bereits im Einsatz – etwa bei einer Fähre, die zwischen Göteborg in Schweden und Kiel in Deutschland mit Methanol fährt. Die dänische Reederei Maersk hat zudem 12 Schiffe bestellt, die künftig mit Methanol betrieben werden sollen.

Gibt es irgendwann Elektroschiffe?

Der Einsatz von Batterien – ähnlich wie bei Elektroautos – kommt für grosse Schiffe nach Einschätzung von Accelleron nicht infrage. «Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, batterieelektrisch von Hongkong nach Rotterdam zu fahren», sagt Bergmann bei einem Treffen mit Journalisten. Denn die für diese Strecken nötigen Batterien seien viel zu schwer und bräuchten zu viel Platz. Zudem sei es faktisch unmöglich, an den Häfen die nötige Menge Strom bereitzustellen, die es bräuchte, um die Batterien dieser riesigen Schiffe wieder aufzuladen.

«Der Verbrennungsmotor bleibt in der Schifffahrt relevant», ist der Accelleron-Manager überzeugt. Das stützt das Geschäft des Badener Konzerns – denn bei einem Verbrennungsmotor für Ammoniak, Methanol und Wasserstoff braucht es weiterhin Turbolader. 

Womit auch immer die Ozeanriesen dereinst fahren – die Zeit für eine Umstellung auf saubere Kraftstoffe drängt, wenn die Branche ihre für 2050 gesteckten Reduktionsziele erreichen will – auch wenn dieses Datum noch weit weg scheint. Der Accelleron-Manager sagt, die Lebensdauer solcher Schiffe betrage 20 bis 30 Jahre, deshalb müsse die Branche vorausschauend planen. «Die Schiffe, die heute in Betrieb genommen werden, werden auch 2050 noch im Einsatz sein.»