Auswirkungen auf UnternehmenWie die Evergrande-Krise die Schweiz treffen könnte
Nachdem die Nachricht von einem drohenden Kollaps der chinesischen Immobilienfirma die Anleger aufgeschreckt hat, gehen nun Schweizer Firmen über die Bücher.
Die Schieflage des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande hat Ängste vor einer Immobilienkrise in China geschürt. Zu Wochenbeginn wurden bereits die Börsen weltweit durchgeschüttelt. Für viele Schweizer Unternehmen stellt sich nun die Frage: Wer ist von dem drohenden Kollaps der zweitgrössten Immobilienfirma Chinas betroffen? Wem schuldet Evergrande Geld? Und was könnten die längerfristigen Folgen für die Schweizer Wirtschaft sein?
Direkte Schäden
Sollte es tatsächlich zu einem Kollaps von Evergrande kommen, dürften die unmittelbaren und direkten Verluste bei Schweizer Unternehmen nach bisherigem Kenntnisstand eher gering sein. Dennoch haben die Aktien der Schweizer Banken Credit Suisse, UBS und Julius Bär zu Wochenbeginn wegen der Krise deutlich an Wert verloren. Credit Suisse büssten mehr als 7 Prozent ein, die UBS mehr als 6 Prozent und Julius Bär rund 5 Prozent. Am Dienstag verlangsamte sich der Kursrutsch.
«Es mangelt oft an Transparenz, um die Situation zu erfassen, das lässt die Nervosität steigen und die Gerüchteküche brodeln.»
Laut Andreas Venditti, Bankenanalyst bei der Bank Vontobel, fallen Bankaktien in solchen Marktlagen oft besonders stark: «Es mangelt oft an Transparenz, um die Situation zu erfassen, das lässt die Nervosität steigen und die Gerüchteküche brodeln.» Die Anleger trennen sich dann von den Aktien, die sie als besonders riskant erachten, und das sind dann diejenigen der Banken.
Die Banken wollten sich nicht zu den Folgen einer möglichen Evergrande-Pleite äussern. Dem Vernehmen nach hat die UBS nur kleine und Credit Suisse und Julius Bär gar keine Bestände von Evergrande-Papieren in den Büchern. Die genaue Auswertung der potenziell in Mitleidenschaft gezogenen Fonds läuft teilweise jedoch noch. Laut Bloomberg habe die UBS Evergrande-Anleihen von weniger als 300 Millionen Dollar in den Büchern.
Auch bei Schweizer Bau- und Bauzulieferfirmen ist das Engagement überschaubar. So sind etwa Schindler und Sika in China vertreten. Sika habe keinerlei Geschäftsaktivitäten mit Evergrande, so ein Sprecher. Schindler habe «kein materielles Exposure», erklärte eine Sprecherin. Holcim ist in China über ein Gemeinschaftsunternehmen präsent, an dem der Konzern 42 Prozent hält.
Und auch der Industriekonzern ABB, der ebenfalls in China vertreten ist, erwarte im Moment keine wesentlichen direkten Auswirkungen, so ein Sprecher.
Inwieweit der Rückversicherer Swiss Re exponiert ist, blieb zunächst offen. Der Konzern äussere sich nicht zu potentiellen Kundenbeziehungen, erklärte eine Sprecherin. Im Immobilienportfolio halte Swiss Re jedoch keine direkten Immobilienanlagen in China.
Spätere Folgen für Konsum und Wirtschaftswachstum
Selbst wenn die direkten Verluste für Schweizer Unternehmen überschaubar sein mögen, ist das wohl kein Grund für eine Entwarnung. «Das ist noch nicht ausgestanden», sagt ein Analyst. «Es ist noch offen, ob die Krise auf den Konsum durchschlägt.»
Falls das passiert, könnten das Luxusgüterfirmen wie Richemont und Swatch zu spüren bekommen. «Der Luxusgütersektor ist sehr stark davon betroffen, weil viele Chinesen ihr Geld in Immobilien investiert haben und ein nachhaltig schwächerer Immobiliensektor den Konsum von Luxusgütern beeinträchtigen würde», so Analyst Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank.
Richemont habe zuletzt ein Drittel seines Umsatzes in China erzielt – inklusive Hongkong und Macao. Bei Swatch Group entfielen sogar 44 Prozent des Umsatzes auf den Grossraum China. Allerdings ist Swatch Group nach Einschätzung von Schwendimann weniger abhängig vom Luxusuhrensegment und verkauft auch etwas günstigere Modelle, während Richemont fast ausschliesslich Luxusmodelle anbietet. Swatch und Richemont wollten sich nicht zu den Entwicklungen in China äussern. Die Sorge der Anleger war jedoch gross: Die Aktien von Richemont verloren zu Wochenbeginn über 3 Prozent.
Nestlé, ein Fels in der Brandung
Für den Nahrungsmittelriesen Nestlé ist China der zweitgrösste Markt nach den USA – dort erwirtschaftet der Konzern 7 Prozent seiner Umsätze. Grosse Auswirkungen seien vorerst jedoch nicht zu erwarten, so Analyst Schwendimann. «Einen grösseren Effekt auf Nestlé hätte es erst, wenn eine Immobilienkrise in China zu einem Flächenbrand in anderen Schwellenländern führen würde», sagt er. In Schwellenländern macht Nestlé 41 Prozent des Umsatzes.
Die Nestlé-Aktie ist von der Krise allerdings nicht betroffen. Sie gilt als Fels in der Brandung und dürfte auch bei einer Krise weniger verlieren als der Gesamtmarkt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.