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Unübliches Konstrukt
Wie der Staat die Initiative der AKW-Freunde indirekt subventioniert

Die «Blackout stoppen»-Initiative will neue AKW in der Schweiz ermöglichen. Wer dafür Geld spendet, darf dies von den Steuern abziehen.
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7.50 Franken pro Unterschrift. So viel kassieren professionelle Unterschriftensammler, die für die «Blackout stoppen»-Volksinitiative Signaturen sammeln. Nachdem diese Zeitung dies publik gemacht hat, stellt sich die Frage: Sind diese Vorgänge üblich? Und vor allem: Ist das alles zulässig?

Zugenommen hat in den vergangenen Jahren, dass Initiativkomitees bezahlte Unterschriftensammler engagieren. Trotzdem ist die Initiative, mit der Atomfreunde das bestehende AKW-Bauverbot aufheben wollen, ungewöhnlich. Erstens wegen des sehr hohen Preises pro Unterschrift. Zweitens, weil die Initianten fast von Beginn an auf professionelle Sammler setzen. Und drittens wegen der Art und Weise, wie sie das nötige Geld beschaffen.

Dafür haben die Initianten rund um die SVP-Politikerin Vanessa Meury und den Investor Daniel Aegerter ein unübliches Konstrukt mit einem Verein und einer Stiftung errichtet.

Dieses Konstrukt hat einen grossen Vorteil: Geldgeber und Sponsorinnen können ihre Spenden von den Steuern abziehen. Das bedeutet, dass der Staat die Initiative der AKW-Freunde mit Steuerabzügen indirekt subventioniert. Damit ist den Initianten ein Coup gelungen, von dem andere Initiativkomitees nur träumen können. 

Den Initianten ist ein Coup gelungen, von dem andere Initiativkomitees nur träumen können.

Beispiel: Gletscherinitiative. So wie die meisten Volksinitiativen ist die Gletscherinitiative als Verein organisiert – mit Sitz in Zürich. Auch dieser Verein wollte, dass seine Unterstützer ihre Spenden von den Steuern abziehen können. Doch die Zürcher Steuerbehörden lehnten das Gesuch ab. «Aufgrund der politischen Aktivitäten wurden wir im steuerrechtlichen Sinn als nicht gemeinnützig definiert», erklärt Geschäftsleiterin Sophie Fürst. «Spenden an den Verein können also nicht von den Steuern abgezogen werden.»

Der Fall Gletscherinitiative ist der Normalfall. Das zeigt eine Umfrage bei Initiativkomitees von links bis rechts. Die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen; die Renteninitiative der Jungfreisinnigen; die Transparenzinitiative der SP und anderer Parteien: Sie alle genossen keine Steuerbefreiung.

Dies müsse auch so sein, sagen auf Anfrage die Steuerbehörden von Bern, Zürich und Basel-Stadt. Die Finanzdirektion Basel-Stadt schreibt: «Juristische Personen mit politischen Zwecken, zum Beispiel die Lancierung einer Volksinitiative, erhalten keine Steuerbefreiung wegen gemeinnütziger Tätigkeit.»

Die Zürcher Finanzdirektion sagt sinngemäss das Gleiche und begründet dies so: «Der Staat muss sich politischen Gruppierungen gegenüber neutral verhalten; eine Beeinflussung der politischen Meinungsbildung darf weder durch Subventionierung noch durch steuerliche Privilegierung stattfinden.» Trotzdem sind ausgerechnet in Zürich die Spenden für «Blackout stoppen» von den Steuern befreit.

Wie ist das möglich?

Der Kniff mit der Stiftung

Der Trick besteht darin, dass die Initianten Spenden nicht direkt entgegennehmen, sondern über eine Stiftung. Im November 2020 wurde die Stiftung für eine sichere Stromversorgung (SSS) gegründet, unter dem Dach der Fondation des Fondateurs. Das ist eine sogenannte Dachstiftung, die vom Kanton Zürich als gemeinnützig anerkannt wurde. Damit geniesst sie Steuerbefreiung – und automatisch auch all ihre über 50 Unterstiftungen, inklusive der SSS.

«Der Staat muss sich politischen Gruppierungen gegenüber neutral verhalten.»

Finanzdirektion des Kantons Zürich

Luzius Cavelti, Professor für Steuerrecht an der Universität Basel, staunt über dieses Konstrukt. Der Fall «Blackout stoppen» sei ohne Kenntnis aller Details steuerrechtlich aber schwierig zu beurteilen, sagt er. «Würden die Zürcher Steuerbehörden einer Dachstiftung stellvertretend für Dutzende von rechtlich selbstständigen Unterstiftungen Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit gewähren, so wäre das meines Erachtens mit dem Gesetz nicht vereinbar.» Wahrscheinlicher sei daher, dass es sich aus rechtlicher Sicht um eine einzige Stiftung handle, die über verschiedene Fonds verfüge.

Voraussetzung für eine Steuerbefreiung wäre in diesem Fall, dass die Stiftung insgesamt einen einheitlichen, gemeinnützigen Zweck verfolge, sagt Cavelti. Dieser müsse nicht nur in den Statuten festgelegt sein, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden. Klar sei: Stiftungen, die ihr Geld ausschliesslich für politische Kampagnen einsetzten, dürften keine Steuerbefreiung erhalten, erklärt Cavelti.

Die Frage ist: Macht die SSS ausser Campaigning noch etwas anderes?

Kaum Informationen zur SSS

Öffentliche Unterlagen zur SSS gibt es keine. Weil sie bloss eine Unterstiftung ist, hat sie nicht einmal einen eigenen Eintrag im Handelsregister, wie das sonst für Stiftungen seit einigen Jahren Pflicht ist.

Die Zürcher Finanzdirektion beantwortet «aufgrund des Steuergeheimnisses» keine konkreten Fragen zur SSS, ebenso wenig die Fondation des Fondateurs. Sie teilt lediglich mit, all ihre Unterstiftungen würden «sich durchwegs im Rahmen der gesetzlichen und behördlichen Vorschriften» bewegen.

Auch die Personen hinter der SSS bleiben im Dunkeln – ausser einer Stiftungsrätin: Vanessa Meury. Sie ist zugleich Präsidentin des Energie-Clubs Schweiz, der als offizieller Träger der Initiative auftritt.

Der einzige bekannte Name hinter der «Stiftung für eine sichere Stromversorgung»: Jung-SVP-Politikerin Vanessa Meury.

Meury beschreibt die Tätigkeiten der SSS auf Anfrage wie folgt: Die Stiftung unterstütze den Energie-Club Schweiz, «damit dieser Politik, Wirtschaft und Bevölkerung über das Funktionieren einer sicheren Stromversorgung und der dazu notwendigen Energiepolitik informieren kann». Das tue der Energie-Club unter anderem mit Publikationen, Veranstaltungen, einer Website und Newslettern. Die Stiftung helfe auch bei der Finanzierung der Geschäftsstelle des Energie-Clubs. «Die Finanzierung der Volksinitiative ‹Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)› läuft über ein eigens eingerichtetes Spendenkonto der Stiftung», so Meury.

Und was ist mit Greenpeace?

Zudem sagt Meury, die SSS sei gegründet worden, «damit Spenden abzugsfähig sind, wie dies auch bei WWF, Greenpeace, Energiestiftung oder Heks der Fall ist, die alle politisch grossen Einfluss nehmen». Damit spielt Meury darauf an, dass auch steuerbefreite Nichtregierungsorganisationen (NGO) ab und zu Volksinitiativen unterstützen – etwa die Konzernverantwortungsinitiative, die vom Volk 2020 knapp abgelehnt wurde.

Der Support einiger NGO für diese Initiative sorgte damals für heftige bürgerliche Kritik. FDP-Ständerat Ruedi Noser verlangte in einer Motion, der Bundesrat müsse die Steuerbefreiung solcher NGOs überprüfen und allenfalls widerrufen.

«Wir müssen darauf hoffen, dass eines Tages das Bundesgericht ein Machtwort spricht.»

Luzius Cavelti, Professor für Steuerrecht an der Universität Basel

Der Bundesrat antwortete jedoch, steuerbefreite NGOs dürften Volksinitiativen unterstützen, solange die politische Betätigung bloss ein Nebenaspekt ihrer Tätigkeit sei. Organisationen, die «hauptsächlich politisch» tätig seien, hätten hingegen kein Anrecht auf Steuerbefreiung, befand der Bundesrat damals.

Steuerrechtsprofessor Cavelti hat Verständnis für Meurys Argument, dass auch Greenpeace oder der WWF steuerbefreite Gelder für politische Kampagnen einsetzen. Der Staat sollte hier für Gleichbehandlung sorgen, fordert er. Das heisst: Alle Organisationen sollten für den politischen Teil ihrer Tätigkeiten Steuern zahlen – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung. Falls die Steuerbehörden dies nicht selber so umsetzen, sagt Cavelti, «müssen wir darauf hoffen, dass eines Tages das Bundesgericht mit einem Leiturteil ein Machtwort spricht.»

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