#MeToo-Kontroverse im Wallis«Wir verzichten nicht freiwillig auf Yannick Buttet»
Nach der Absetzung von Yannick Buttet als Walliser Tourismuschef erzählen seine Kritikerin und ein Verbündeter zwei völlig unterschiedliche Geschichten.
Für Danica Zurbriggen ist der Rücktritt von Yannick Buttet als Präsident der Walliser Tourismuskammer ein Zeichen, dass sich Kämpfen eben doch lohnt. «Ich war hier im Wallis lange als Feministin verschrien und bin deshalb sogar aus der Politik zurückgetreten», sagt sie, 44, Hochschullehrerin aus Zermatt. Doch der Fall Buttet hat in ihr neuen Kampfgeist geweckt.
Der ehemalige Walliser Politiker zog sich am Dienstagabend von seinem Posten als Tourismuschef zurück, nachdem der öffentliche Druck immer stärker geworden war. Buttet war 2018 und 2021 wegen Nötigung und sexueller Belästigung verurteilt worden. In seinem neuen Amt wäre er gemäss Gesetz auch Mitglied des strategischen Führungsausschusses von Valais/Wallis Promotion, wo eines seiner früheren Opfer Mitarbeiterin ist. Insbesondere diese Konstellation hatte für Empörung gesorgt.
Auch bei Danica Zurbriggen. «Das konnte ich einfach nicht akzeptieren», erinnert sie sich. Genauso wenig wollte sie die Art und Weise hinnehmen, wie die Entscheidungsträger und Buttet selber mit den Vorwürfen umgingen. Buttet sagte auf einem Lokalsender zur Konstellation mit dem früheren Opfer, man sei ja schliesslich erwachsen. Die Arbeit sei das eine, das Private etwas anderes. Danica Zurbriggen schrieb sich mit einem Leserbrief die Wut von der Seele.
Nach der Veröffentlichung im «Walliser Boten» interessierte sich plötzlich auch die Deutschschweiz für den Fall. Und im Wallis selber vernetzten sich parteiübergreifend die Kritikerinnen – vor allem Frauen. Man koordinierte Leserbriefe, diskutierte auf Whatsapp – ohne dass man sich auch nur ein einziges Mal traf. «Wir waren ja alle in den Sommerferien», sagt Zurbriggen. Das Ganze sei weder geplant noch orchestriert gewesen, sondern «eine Dynamik, die plötzlich da war».
«Ein Sturm der Medien»
Ganz anders, nämlich als «ganz schwierig», erlebte Luc Fellay die letzten Wochen. Er spricht von einem «Sturm der Medien». Fellay gibt Auskunft als Vizepräsident der Walliser Tourismuskammer, die nun einen neuen Präsidenten suchen muss. «Wir verzichten nicht freiwillig auf Yannick Buttet. Wir haben so entschieden, um den Tourismus zu schützen. Der Druck der Medien und der Frauenbewegung war einfach zu stark», sagt er.
Im Tourismus sei das Image von grossem Wert. «Die Hoteliers, die Gastronomiebetriebe oder die Bergbahnen sahen sich plötzlich grosser Entrüstung ausgesetzt», sagt Fellay. «Auch ich habe Briefe und Mails erhalten von Leuten aus der Deutschschweiz, die drohten, sie kämen nicht mehr ins Wallis.»
Eine zweite Chance für alle?
Tatsächlich stellt sich beim Fall Buttet die Frage: Ist es moralisch vertretbar, einen Menschen, der bereits verurteilt wurde, für dasselbe nochmals zu bestrafen? Es ist Danica Zurbriggen ein Anliegen, zu betonen, dass sie nichts gegen die Person Yannick Buttet habe. Auch sie sei dafür, dass Menschen eine zweite Chance bekommen sollten.
«Doch bei Yannick Buttet läuft noch die Bewährungsfrist. Es ging mir um die fatale Botschaft, die mit seiner Ernennung einherging: Einer Männerkarriere können nicht einmal zwei Verurteilungen etwas anhaben. Niemand denkt daran, was dies bei den Opfern auslöst. Die Frau, die Buttet anklagte, wurde nicht wiedergewählt. Wer wagt da noch eine Klage?» Wer im Wallis einmal dazugehöre, könne sich sehr viel erlauben. Die Tourismuskammer sei davon ausgegangen, dass sie die Empörung einfach aussitzen könne.
«Es gab nie ein Problem»
Luc Fellay hingegen versteht bis heute nicht, woraus sich die Empörung über Buttets Wahl speiste: «Alle Fakten waren längstens bekannt. Wir haben niemandem etwas verschwiegen», sagt er. Als Präsident des Verbands der Walliser Gemüse- und Früchteproduzenten sei Buttet seit Jahren Mitglied von Valais/Wallis Promotion. «Es gab nie ein Problem», sagt Fellay.
Weiter führe Buttet seit einigen Jahren eine Immobilienfirma. Die Vorstellung, dass Buttet im Wallis ein geächteter Mann sei, bezeichnet Fellay als grosses Missverständnis. «Yannick Buttet hat mit allem Erfolg, was er anpackt. Er ist eine interessante, fähige und dynamische Persönlichkeit.»
Das Schweigen ist vorbei
Wäre das Wallis eine abgeschlossene Kapsel, hätte Yannick Buttet seinen Posten wohl nicht räumen müssen. Nach wie vor ziehen es viele namhafte lokale Politikerinnen und Politiker vor, zu dem Fall zu schweigen. Mitte-Regierungsrat Christophe Darbellay sagt am Telefon, er äussere sich nicht zu dieser «Sommerflaute».
Und Danica Zurbriggen sagt es so: «Die Dynamik aus der Deutschschweiz war ausschlaggebend.» Dennoch habe die Debatte auch im Wallis etwas ausgelöst, ist sie überzeugt. Zurbriggen gehört zu einer Generation von Frauen im Wallis, die noch von ihren Müttern den Rat zu hören kriegte, als Frau müsse man manchmal halt einfach schweigen. «Doch wir wollen das nicht mehr. Und es ist auch nicht mehr nötig.»
Das Problem liegt in der Deutschschweiz
Luc Fellay zieht ganz andere Lehren aus der Sache. «Wir hätten von Anfang an besser kommunizieren und auf die Kritik eingehen müssen», sagt er. Könnte er das Rad zurückdrehen, würde Fellay zudem dafür sorgen, dass Buttet als Präsident keine Berührungspunkte zu seinem früheren Opfer hätte. Nun muss sich der Vorstand auf die Suche nach einem neuen Präsidenten machen. Um Yannick Buttet macht er sich keine Sorgen. «Er wird anderswo eine zweite Chance kriegen.»
Das Problem ortet Fellay hingegen in der Deutschschweiz: «Dort haben gewisse Kreise den Fall Buttet dazu benutzt, um wieder laut über die #MeToo-Problematik zu sprechen.» Den Preis bezahle vor allem die Walliser Tourismuskammer.
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