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Sergei Schoigu nach Wagner-Aufstand
Wie angeschlagen ist Putins Verteidigungsminister?

Hat den Machtkampf gegen Jewgeni Prigoschin gewonnen: Verteidigungsminister Sergei Schoigu. 
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Er musste sich einfach mal wieder blicken lassen nach dem spektakulären Wochenende, der Aufstand war ja gegen ihn gerichtet. Sergei Schoigu, Russlands Verteidigungsminister, ist also noch da. Ein 47 Sekunden langes Video von ihm zeigte das Ministerium am Montag in der Früh: Schoigu, in Tarnfleck-Uniform, sitzt im Helikopter und schaut nach draussen; Schoigu besucht einen Kommandoposten an der Front und lässt sich über die Lage berichten; Schoigu beugt sich stehend über irgendwelche Karten, die auf dem Tisch liegen.

Das gesamte Wochenende war nichts zu hören und zu sehen gewesen von dem Mann, dem der meuternde Söldnerchef Jewgeni Prigoschin die übelsten Sachen an den Kopf geworfen hatte. Er sei «wie ein Feigling» aus Rostow am Don geflüchtet, sagte Prigoschin über Schoigu. Er sei ein «Lügner», «Versager», der zudem Stellungen seiner Wagner-Leute beschossen habe. Prigoschin machte ihn für den Tod Zehntausender russischer Soldaten verantwortlich.

Er war schon in der Regierung, als Boris Jelzin noch Präsident war – in den 1990er-Jahren.

Selten ist ein russischer Verteidigungsminister derart in Bedrängnis geraten. Das konnten auch die russischen Medien am Wochenende nicht kaschieren: dass sich Wagner-Chef Prigoschin gegen die eigene Armeeführung gewandt hat und dabei mit Leichtigkeit die Kontrolle über militärische Einrichtungen in Rostow am Don übernehmen konnte. Wie angeschlagen ist Sergei Schoigu also nach dem gescheiterten Putschversuch?

Klar ist fürs Erste: Kremlchef Wladimir Putin setzt weiter auf seinen langjährigen Minister. Dies soll das veröffentlichte Schoigu-Video offenbar demonstrieren, wenngleich russische Militärblogger vermuten, dass die Aufnahmen schon vor dem Aufstand gemacht worden sind. Ihm sei nicht bekannt, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, dass sich die Haltung von Präsident Putin gegenüber Schoigu geändert habe. Kontinuität dürfte der schnellste Weg zurück zur Normalität sein, die sich Putin nun erhofft. Schoigu verkörpert sie geradezu. Er ist mit Abstand der dienstälteste Minister Russlands. Er war schon in der Regierung, als Boris Jelzin noch Präsident war – in den 1990er-Jahren.

Die Lage ist prekär geworden

Sergei Schoigu (68) war damals als Katastrophenschutzminister das beliebteste Mitglied im Kabinett. Er zeigte sich an den Orten verschiedenster Tragödien, bei Waldbränden, nach Flugzeugabstürzen und bei anderen Rettungsdramen, dekoriert als «Held der Russischen Föderation». Vor elf Jahren machte Putin ihn zum Verteidigungsminister und wurde einer seiner engsten Vertrauten. Mehrmals ist der Kremlchef in die Ferien in Schoigus Heimat gereist, sie fischten zusammen in der sibirischen Taiga und zeigten sich sonnenbräunend mit Hut und nacktem Oberkörper. Doch die Lage ist prekär geworden. Die Probleme sind offensichtlich, Russlands Krieg gegen die Ukraine lässt sich der eigenen Bevölkerung immer schwerer als Erfolg verkaufen. Schoigus Ruf geriet in Gefahr, nicht nur durch Prigoschins offene Rebellion.

In einem Analysebericht hält ihm die ins Exil gedrängte Zeitung «Nowaja Gaseta Europa» vor, dass die täglichen Lageberichte des russischen Verteidigungsministeriums seit Beginn des Kriegs voller Widersprüche und Übertreibungen seien. So seien etwa im Dezember 44 Himars-Raketenwerfer zerstört worden, obwohl zu dem Zeitpunkt westliche Staaten der Ukraine erst 35 solcher Systeme geliefert hätten. Im vergangenen Monat habe das Ministerium von 175 zerstörten Haubitzen gesprochen, von denen aber nur 31 bestätigt worden seien, schrieb die Zeitung am 16. Juni. Der bisherige Wagner-Chef Prigoschin sprach von «wilder Science-Fiction». Würde man alle Zahlen des Ministeriumssprechers Igor Konaschenkow addieren, so Prigoschin, «dann hätten wir schon fünfmal die Erde zerstört».

Schoigus Ultimatum an die Söldner

Putin und Schoigu ist klar geworden, dass der von Prigoschin und anfangs auch von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow begonnene Machtkampf die Autorität des Ministers und womöglich auch des Präsidenten untergraben kann. Der gewiefte Schoigu antwortete deshalb mit einem Ultimatum: Alle Söldner- und sonstigen Freiwilligen-Einheiten müssen sich dem Verteidigungsministerium unterstellen. Den Machtkampf hat Prigoschin verloren, und Schoigu hat ihn gewonnen. Doch der hat genug weitere Probleme. Er muss sich mit seinen Streitkräften gegen die ukrainische Gegenoffensive stemmen, die sich zunehmend auf westliche Technik stützt – zugleich will er eine unbeliebte Mobilmachung vermeiden.

Vor wenigen Tagen kündigte Schoigu an, noch bis Monatsende eine «Reservearmee» aufzustellen. Einzelheiten nannte er nicht. Er forderte auch die russische Rüstungsindustrie auf, mehr Panzer herzustellen, Indizien für Schwierigkeiten an den Fronten. «Kolossale Probleme» nannte Prigoschin sie. Mit Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow könne Russland diesen Krieg nicht gewinnen. Putin gibt ihm jedoch die Gelegenheit, es weiter zu versuchen.