Analyse zur Werbung im Ski-ZirkusLasst die Ski-Stars doch ihre Getränkedosen zeigen
Marco Odermatt und andere Schweizer Ski-Athleten strecken Produkte für Sponsoren in die Kamera und erhalten dafür Geld. Die Praxis wird von deutschen Sendern abgelehnt. SRF hingegen zeigt die Fahrer, «wie sie vor die Kamera treten».
In ihnen drin steckt pures Wasser oder künstliche Koffeinbrühe. Doch die Dosen und Flaschen, die Schweizer Ski-Athleten während Zielrauminterviews – Presenter genannt – unbeholfen ins Kamerabild strecken, enthalten auch allerhand Aufregerpotenzial. «Penetrant» oder «peinlich» nennen es die einen. «Halbseiden» ist die Praxis für die anderen.
Gerade trifft es Superstar Marco Odermatt. Der beste Schweizer Fahrer seit langem wirbt für eine Dose mit Koffeindosis aus Österreich und ficht nach gewonnenen Rennen regelmässig mit seiner Büchse um die Werbehoheit vor der Fernsehkamera – gegen die Mikrofone, auf denen fett «SRF» prangt.
Die Diskussion über die schleichende Sponsorenpräsenz bei Sportlerinnen und Sportlern nimmt auch hier übertriebene Züge an. Angesichts der Tatsache, dass Skirennen – wie die meisten anderen Sportübertragungen bis hin zum Snooker – seit vielen Jahren reine Dauerwerbesendungen sind, wirkt die Aufgeregtheit wie der Ärger eines Rummelplatzbesuchers über bunte Lichter und Geschrei.
Deutsche Furcht vor Integritätsverlust
Die öffentlich-rechtlichen Sender Deutschlands ARD und ZDF lösten vor vier Jahren einen «Flaschenkrieg» aus, als sie sich weigerten, schleichwerberische Bilder von Flaschen haltenden Wintersportlern zu übertragen. Kein Zufall: Seit Jahren machen sie in Eigenproduktionen Markenschriften selbst dann unkenntlich, wenn sie auf der Tasche eines vorbeiradelnden Velokuriers zufällig ins Bild geraten.
«Die Einschätzung der ARD-Juristen war und ist, dass derartige Produktplatzierungen im Rahmen unserer Übertragungen unzulässig sind», schreibt die ARD-Medienstelle dazu. «Aus diesem Grund halten wir uns nach wie vor an diese Entscheidung.»
Während die deutschen Sender einen Integritätsverlust durch Schleichwerbung fürchten, akzeptiert man in den Skinationen Schweiz und Österreich den Obolus, den die Heldinnen und Helden der weissen Hänge von ihren Sponsoren erhalten. Denn bekanntlich sind nicht alle von ihnen auf Rosen gebettet wie Odermatt.
Die Zurschaustellung von Sponsorenbeziehungen erhält in der Ära von Tiktok – dem Produktplatzierungskanal schlechthin – zudem gerade eine ganz andere Konnotation: Für die jüngeren Generationen sind durch Schleichwerbung erfolgreiche Geldscheffler längst Objekte der Bewunderung geworden. Who cares?, schallt es aus den sozialen Kanälen.
Vor einem Jahr erhielt SRF für seine legere Haltung in dieser Sache sogar das Plazet der Ombudsstelle der SRG. Die Trinkflasche möge störend wirken, schrieb diese. SRF agiere aber nicht nach eigenem Gutdünken, sondern «bilde das Interview ab, wie es sich ihm präsentiert».
SRF kommentiert fast gleichlautend: Es bilde «die Skifahrerinnen und -fahrer aktuell so ab, wie sie vor die Kamera treten». Dass diese dabei ihren Sponsor nicht zu kurz kommen lassen, ist einerseits nachvollziehbar. Andererseits würde man es als Zuschauer vorziehen, wenn die Aktion nicht ganz so penetrant und peinlich vollzogen würde.
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