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Elon Musk in der Defensive
Werben auf Twitter? Nein, danke

Die grossen Werbekunden laufen ihm derzeit davon. Der Grund: Elon Musk hatte entgegen den Warnungen seiner Spezialisten den Kampf gegen Fake-Accounts aufgeweicht.  
Foto: Dimitrios Kambouris (Getty Images)
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Wer verstehen will, warum Twitter die Werbekunden davonlaufen, beginnt am besten bei einem Tweet, den kürzlich Millionen Menschen sahen. «Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Insulin jetzt kostenlos ist», hiess es auf einem Account, der den Namen und das Logo des US-Pharmakonzerns Eli Lilly trug. Twitter hatte das Konto mit einem Haken verifiziert. Jahrelang bedeutete das: Dieser Account ist echt. Dieses Mal nicht.

Eli Lilly war es nicht. Der neue Twitter-Eigentümer Elon Musk hatte die Warnungen seiner eigenen Angestellten ignoriert und die Bedeutung des Symbols geändert. Was früher für Authentizität stand und Vertrauen schaffen sollte, wurde käuflich: Wer das Abo Twitter Blue abschloss, erhielt für acht Dollar pro Monat ebenfalls einen Haken. Plötzlich wimmelte es von vermeintlich verifizierten Fake-Accounts, die Fehlinformationen verbreiteten.

Bei Twitter fühlte sich niemand zuständig

Die Nachricht des falschen Pharmakonzerns verbreitete sich, bei Eli Lilly brach Panik aus. Manager verlangten von Twitter, die Fehlinformation so schnell wie möglich zu löschen. Aber niemand fühlte sich zuständig. Musk hatte eben erst die Hälfte der Angestellten gefeuert. Am Ende dauerte es sechs Stunden, bis der Tweet verschwand. Es war nur einer von vielen Fakes auf Kosten von Unternehmen. Nintendo liess Super Mario den Mittelfinger zeigen, Lockheed Martin stoppte angeblich alle Waffenlieferungen an Saudiarabien, Israel und die USA, Chiquita verkündete, die brasilianische Regierung gestürzt zu haben.

Drei der grössten US-Werbeagenturen sehen Twitter mittlerweile als «Hochrisiko»-Plattform.

Obwohl Twitter das Blue-Abo wieder stoppte, zog Eli Lilly Konsequenzen und kauft keine Anzeigen mehr. Fast täglich ziehen sich weitere Weltkonzerne zurück, sei es Pfizer, VW oder General Motors. Drei der grössten US-Werbeagenturen – IPG, Omnicom und Group M – sehen Twitter mittlerweile als «Hochrisiko»-Plattform. Niemand könne vorhersehen, in welche Richtung Musk Twitter steuere. Die Massenentlassungen hätten Chaos ausgelöst. Es fehle an Expertinnen für IT-Sicherheit und Datenschutz sowie an Content-Moderatoren, die Inhalte prüfen und löschen. Die Agenturen vertreten Twitters wichtigste Anzeigenkunden, ihre Distanzierung könnte Musk Hunderte Millionen kosten.

Werbeboykotte sind ein verbreitetes Druckmittel. 2017 traf es Youtube, drei Jahre später Facebook. In beiden Fällen forderten Unternehmen ein konsequenteres Vorgehen gegen hasserfüllte und rassistische Inhalte. Facebook, Instagram und Youtube waren damals aber so dominant, dass Werbekunden mindestens genauso abhängig von den Plattformen waren wie umgekehrt. Zudem standen bei Facebook kleine und mittelgrosse Unternehmen Schlange, die jene Anzeigenplätze kauften, die Grosskunden vorübergehend übrig liessen. Einige Monate später kehrten fast alle Werbetreibenden zurück, Facebook schloss das Jahr mit einem Rekordgewinn ab.

Bei Twitter dominieren hingegen grosse Marken. Wenn jetzt Chipotle, United Airlines und Balenciaga abwandern, wirkt sich das unmittelbar auf die Bilanz aus. Gleichzeitig ist Twitter viel kleiner als die Konkurrenz aus dem Silicon Valley und China. Wer die breite Masse erreichen will, kauft eher Anzeigen bei Instagram, Youtube oder Tiktok. Deshalb müssen viele Unternehmen nicht lange nachdenken, bevor sie ihr Budget von Twitter abziehen – und die Chance, dass sie bald reumütig zurückkehren, ist gering.

Wer braucht Twitter noch?

Musk wirkt jedenfalls nervös. Kurz nach der Übernahme Ende Oktober wandte er sich in einem offenen Brief an Werbekunden und versuchte, ihre Sorgen zu zerstreuen. Twitter dürfe keine «Hölle» werden, in der alles ohne Konsequenzen gesagt werden könne. Er habe Twitter nicht gekauft, um Geld zu verdienen, sondern weil er die Menschheit liebe, und werde eine Plattform schaffen, auf der sich alle willkommen fühlten. Bislang scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

Für 2023 gibt es bisher kaum Interesse an Werbeschaltungen. Musk rief selbst die Marketingchefs Dutzender Unternehmen an. Einige sollen noch während des Gesprächs ihre Buchungen storniert haben, weil Musk keine Antworten auf ihre Fragen hatte. «Für acht Dollar verlieren sie jetzt möglicherweise Millionen Dollar an Werbeumsatz», sagte eine ehemalige Sprecherin von Eli Lilly der «Washington Post».

Während aktuelle Werbekunden Twitter den Rücken kehren, kommt zumindest ein neuer dazu. Das Raumfahrtunternehmen Space-X hat ein Anzeigenpaket gebucht. Der Eigentümer der Firma: Elon Musk.