Brisante Forderung bei FidelityWer Staatsgelder kassiert, soll keine Boni zahlen
Der einflussreiche Fonds setzt Firmenschefs unter Druck. Swatch und Swisscom wehren sich.

Unternehmen, die vom Staat bezahlte Kurzarbeit beanspruchen, sollen keine Boni für die Unternehmensspitze bezahlen dürfen: Mit dieser Forderung hat die britische Investitionsgesellschaft Fidelity International diese Woche überrascht.
«Wir erwarten, dass Unternehmen, die an vom Steuerzahler unterstützten Personalmassnahmen teilgenommen haben, keine Boni an Geschäftsführer und leitende Angestellte ausschütten.»
Und die Forderung hat Bedeutung, da Vermögensverwalter wie Fidelity mit den von ihnen verwalteten Aktien Einfluss auf die Entscheide an den Generalversammlungen nehmen können. Diese Versammlungen nehmen in den nächsten Wochen erst richtig Fahrt auf. «Wir erwarten, dass Unternehmen, die an vom Steuerzahler unterstützten Personalmassnahmen teilgenommen haben, keine Boni an Geschäftsführer und leitende Angestellte ausschütten», teilte der US-Fondsriese mit. Und weiter: «Wir erwarten, dass die Gehälter des oberen Managements im nächsten Jahr eingefroren werden oder nur geringfügig steigen, auf jeden Fall nicht über die Steigerungsrate der Belegschaft hinaus.»
Es hängt von den Grossinvestoren ab
Weltweit verwaltet Fidelity Anlagen im Wert von mehr als 600 Milliarden Dollar. Ihr Einfluss auf Schweizer Unternehmen ist allerdings eher beschränkt, da der Vermögensverwalter keine Beteiligung mehr an einem Schweizer Unternehmen hat, die mehr als 3 Prozent ausmacht – also bei der Börse gemeldet werden muss. Die letzte meldepflichtige Transaktion betraf den Handelskonzern DKSH. Erst Anfang März hat Fidelity dieses Aktienpaket, das einem Anteil am Unternehmen von rund 3 Prozent entspricht, verkauft.
Entscheidend ist, ob auch andere Grossinvestoren den Ball aufnehmen. Der grösste Vermögensverwalter der Welt ist Blackrock. Der US-Riese, als dessen Vize Ex-Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand amtet, verwaltet weltweit 8,7 Billionen Dollar. Wie genau sich Blackrock an den Generalversammlungen positionieren wird, wird erst nächste Woche bekannt, wenn das Unternehmen seine sogenannten «Blackrock Stewardship Prioritäten» veröffentlicht.
Doch schon aus bisherigen Berichten lässt sich herauslesen, dass Blackrock auch auf die Entwicklung bei den Beschäftigten schaut, wenn es um die Kompensation des Top-Managements geht. Wenn zum Beispiel Unternehmen im Zuge der Covid-Pandemie Entlassungen vorgenommen haben, schreibt Blackrock dazu aus dem Englischen übersetzt: «Besonderes Augenmerk legen wir auf die Bedingungen, die entlassenen Mitarbeitern angeboten wurden, sowie auf etwaige Anpassungen der Vergütungsprogramme für Führungskräfte.» Bei Entscheidungen über die Vergütung von Führungskräften gelte es ausdrücklich, die Ergebnisse für alle Stakeholder zu berücksichtigen.
«Wenn Unternehmen umfangreiche Entlassungen, Kurzarbeit, Gehaltskürzungen in der Belegschaft vornehmen mussten, sollten Unternehmen erklären, wie das bei der Festlegung der Entschädigung für Führungskräfte berücksichtigt wurde.»
Ähnlich tönt das bei Beratern von institutionellen Investoren, die ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Entscheide an Generalversammlungen haben. Glass Lewis als einer der Grössten weltweit schreibt dazu aus dem Englischen übersetzt: «Wenn Unternehmen umfangreiche Entlassungen, Kurzarbeit, Gehaltskürzungen in der Belegschaft vornehmen mussten, sollte das im Vergütungsbericht angesprochen werden, und Unternehmen sollten erklären, wie das bei der Festlegung der Entschädigung für Führungskräfte berücksichtigt wurde.»
Auch bei International Shareholder Services (ISS), einem weiteren globalen Berater gleicht sich die Wortwahl: «Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie werden höhere Kompensationen als unangemessen angesehen und sollten durch eine besonders zwingende Begründung gestützt werden.» Unternehmen, die eine schlechte Performance hatten, oder ihrer Belegschaft Opfer abverlangt haben oder die Unterstützung der Regierung benötigten, sollten ihren Top-Führungskräften wenig oder gar keine variable Vergütung zahlen, hält ein Dokument von ISS fest.
Intransparenz bei Staatshilfen
Und welche Firmen müssen in der Schweiz nun mit Widerstand der Grossinvestoren rechnen, weil sie trotz staatlicher Unterstützung Boni ausschütten? Das ist offen. Und das ärgert den in der Schweiz prominenten Stimmrechtsberater Ethos. Dessen Chef Vincent Kaufmann sagt: «Das grosse Problem ist die Transparenz der Firmen. Es ist für uns schwierig, herauszufinden, in welchem Umfang sie Staatshilfe bezogen haben.» Dies werde Ethos nicht offengelegt.
«Wir werden die Zahlen kritisch prüfen», sagt Kaufmann. Wenn das Geschäft eines Unternehmens schlecht gelaufen sei und es einen Verlust ausweist, aber die Boni trotzdem steigen, dann werde Ethos sich dagegen wehren.
Auf eine Umfrage der Tamedia-Redaktion unter den im Schweizer Leitindex SMI gelisteten 20 grössten Schweizer Konzernen haben 12 geantwortet. Ausser zwei der Antwortenden hat keines ein Kurzarbeits-Regime eingeführt.

Bei den einzigen anderen beiden handelt es sich um die Swatch Group und Swisscom. Beim Telecom-Unternehmen verweist man darauf, dass nur gerade 1,5 Prozent der Belegschaft Kurzarbeit beansprucht habe. Das betreffe vor allem die dem Unternehmen angeschlossenen Kinos. Die Kompensationen sowohl für den Verwaltungsrat, wie für die Geschäftsleitungsmitglieder bei Swisscom sind angestiegen, beim Konzernchef von 1,76 Millionen auf 1,85 Millionen Franken.
«Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen dem Bezug dieser Versicherungsleistung und der Bonus- bzw. Dividendenpolitik.»
Die Swatch Group wehrt sich gegen die Verknüpfung der Boni mit Kurzarbeit: Hier gäbe es «keinen Zusammenhang»: «Die Kurzarbeitsentschädigung wird aus der Arbeitslosenkasse finanziert, die über Jahrzehnte hinweg von Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer(innen) einbezahlt wurden», schreibt das Unternehmen.
Allein durch diese Beiträge aus dem Uhrenunternehmen sei in den vergangenen Jahren ein Vermögen angehäuft worden, das die angesprochene Entschädigung weit übersteige. Zudem habe die Swatch Group trotz Kurzarbeit die vollen Löhne weiterbezahlt. Über die Kompensationsentscheidungen des Unternehmens ist bisher noch nichts zu erfahren, da der Geschäftsbericht noch nicht veröffentlicht ist.
Die Antwort von Swatch unterschlägt, dass der Fonds der Arbeitslosenversicherung ohne massive Zahlungen aus der Bundeskasse längst vor dem Bankrott gestanden wäre. Allerdings ging der grösste Teil dieser Zahlungen nicht an die angeschriebenen Grosskonzerne, sondern vor allem an kleine Betriebe und ihre Angestellten im Gastronomiebereich.
In einer früheren Fassung des Textes hiess es die Fondsgesellschaft Fidelity stamme aus den USA. Das ist nicht so. Fidelity International hat den operativen Hauptsitz in London.
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