Seilers ewige Bezahlregeln im RestaurantWer soll im Restaurant zahlen?
Und wann wird die Rechnung geteilt? Und was gilt, wenn mein Freund nur Wasser und Espresso trinkt? Eine Anleitung.
Kommen wir zu einer Frage, die manchmal sogar wichtiger ist als das Rezept für die Haselnussvinaigrette, mit der mich Marius Frehner zuletzt bei seinem Spargelgericht verzauberte: Wer zahlt am Ende die Rechnung?
Wie sieht eine moderne Etikette für Einladungen aus? Wie sortieren sich Kompetenzen, Vorlieben, Traditionen und Hierarchien, wenn es darum geht, ein Essen im Restaurant auch noch zu geniessen, nachdem der Kellner die Rechnung gebracht hat?
Fangen wir bei den ganz einfachen Fällen an. Zwei Freundinnen oder Kollegen gehen miteinander Mittagessen, aus keinem anderen Grund als dem, das kleine Hungergefühl zu beseitigen. Am Ende der Mahlzeit wird – einfache Lösung – die Rechnung geteilt. Die etwas kompliziertere Lösung besteht darin, dass eine Partei die gesamte Rechnung übernimmt, samt dem Hinweis: «Das nächste Mal zahlst du.»
Es ist das einerseits ein Zeichen der Verbundenheit – kein Zweifel, dass wir bald wieder miteinander essen gehen –, aber auch der Grosszügigkeit, mit der Einschränkung, dass diese nur geborgt ist: Schliesslich wird die Person, die sich gerade mit dem Übernehmen der Rechnung ein paar Glückshormone einschenken durfte, beim nächsten Mal selbst fix eingeladen.
Das kann auch zu kleinen Krisen führen, jedenfalls dann, wenn die auf Wechselseitigkeit ausgelegte Einladung nicht klar als solche definiert und ausgesprochen ist. Ich hatte einmal einen Arbeitskollegen, mit dem ich oft und gern über Mittag in irgendein Café ging, und weil er selten etwas Grosses verzehrte, übernahm ich meistens seinen Espresso und sein Wasser. Ich fand es einerseits kleinlich, diesen Posten, der im Vergleich zu meiner Konsumation vielleicht 20 oder 30 Prozent ausmachte, extra aufführen zu lassen, andererseits interessierte es mich, wie feinfühlig mein Kollege reagieren würde, wenn sich die Situation ein ums andere Mal wiederholte. Würde er irgendwann mal die Rechnung zu sich hinüberziehen und sagen: «Heute bin aber wirklich mal ich dran»?
Er entschied sich dagegen, und ich merkte, wie hilflos ich war. Sollte ich das Ungleichgewicht ansprechen und meine kleine Grosszügigkeit wie einen Kredit fällig stellen? Oder irgendwann doch beginnen, die Rechnung zu teilen? Das Problem löste sich dann von selbst, wir gingen nicht mehr gemeinsam essen. Aber auch das fand ich natürlich schade.
Dabei handelt es sich bei den genannten um die einfachsten Fälle des grossen und komplizierten Einladungskomplexes. Wie verhält es sich zum Beispiel, wenn man Besuch von Bekannten oder Freunden aus einer anderen Stadt bekommt? Sie bitten dich darum, ein Lokal auszuwählen, in dem du dann nolens volens als Gastgeber fungierst – und ist es nicht die vornehmste Pflicht des Gastgebers, sich um die Rechnung zu kümmern?
Meiner Einschätzung nach: ja. Gastgeber bezahlen. Nur wenn sich die Situation regelmässig wiederholt, werden sie von dieser Pflicht befreit (oder müssen sich, siehe oben, selbst durch explizite Begrenzung der eigenen Grosszügigkeit von dieser Pflicht befreien).
Oder aber, Spezialproblem: Man ist selbst irgendwo eingeladen, die Rechnungshegemonie ist geklärt, aber du bekommst zum Beispiel den Auftrag, die Weinkarte nach besonders geeigneten Positionen durchzusehen, die zum Essen passen. Wie schnell schlittert man dabei ins Dilemma, eigentlich einen besonderen Wein aussuchen zu wollen, der aber preislich die Dimensionen sprengt, die man selbst für angemessen hält – andererseits will man aber auch nicht für die Bestellung eines zwar günstigen, aber nicht annähernd so guten Weins verantwortlich sein. Ich bin der Meinung, dass ich den teuren Wein bestellen darf, wenn ich ihn auch selbst bezahle – ausser, wenn ich gerade mit Elon Musk diniere, wo Geld sowieso keine Rolle spielt (und Manieren schon gar nicht). Gilt auch für Geburtstagseinladungen oder Ähnliches.
Nur noch ein paar fällige Klarstellungen. Dürfen Männer Frauen einladen? Ja, wenn sie die Erlaubnis dafür einholen. Dürfen Frauen Männer einladen? Ja, wenn sie die Erlaubnis dafür einholen. Muss ein deutlich besserverdienender Freund einen minderverdienenden Freund einladen? Natürlich nicht (Grosszügigkeit ist eine noble Haltung, aber keine Pflicht). Dürfen Kinder ihre Eltern einladen? Mit Vergnügen. Eltern ihre Kinder? Immer und überall. Vorgesetzte ihre Mitarbeiter? Ja, wenn sie die Erlaubnis dafür einholen.
Ach so, wegen der Vinaigrette zum grünen Spargel: Marius Frehner nimmt statt Öl braune Butter, statt Essig Verjus und kombiniert dazu köstliche Haselnüsse. Das Gericht ist jeden Preis wert.
Christian Seiler ist Reporter bei «Das Magazin».
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