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Wenn Kinder fremde Menschen beleidigen

Hohes Beleidigungsrisiko: Ein vorlautes Wesen mit viel angelerntem frechen Vokabular.
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Meine Mutter traf es damals am Eltern-Kind-Basteltag im Kindergarten: Da fragte der kleine Markus lautstark, warum denn die Frau neben uns einen Bart trage. Mutter schämte sich in Grund und Boden.

Jede Familie hat pro Kind eine solche Geschichte. Und wenn nicht, dann steht das Ereignis noch bevor. So wie bei uns: Ich weiss, dass mich der Brecht irgendwann vor fremden Menschen in Verlegenheit bringen wird. So will es das Gesetz.

Einen kleinen, harmlosen Vorgeschmack habe ich bereits erhalten. Als wir kürzlich durch die Stadt spazierten, trat zwei Meter vor uns eine Frau in einen Hundehaufen. Sie ärgerte sich sichtlich. Und was tat unser Brecht? Er zeigte auf die Frau und brüllte laut und spöttisch: «TROTTEL!»

Das hatten wir selbst verschuldet. In der Familie meiner Frau ist es seit Generationen üblich, sich liebevoll Trottel zu nennen, wenn jemand etwas fallen lässt oder verschüttet. Eine schöne Tradition, die wir gerne weiterführen. Der Aspekt «liebevoll» war für die Frau im Hundehaufen halt etwas schwer zu erkennen. Dumm auch, dass Trottel eines der wenigen Wörter ist, die der Brecht mit 20 Monaten schon sehr deutlich aussprechen kann.

Was lernt Ihr geschätzter Papablogger daraus: Man kann die Wortwahl der Kinder steuern. Macht man es falsch, setzt man andere Menschen einem hohen Beleidigungsrisiko aus. Am besten bringt man dem Nachwuchs also erst mal keine beleidigenden Begriffe bei. Einfacher gesagt als getan, gibt es doch nichts Süsseres als ein eineinhalbjähriges Kind, das «Schafseckel» sagt.

Doch selbst wenn man konsequent auf riskantes Vokabular verzichtet: Die Gefahr ist damit nicht gebannt. Es braucht keine Schimpfwörter, um die Eltern in Verlegenheit zu bringen, wie meine höflich formulierte Bartfrage zeigt. Jahre später – nun in der Rolle meiner Mutter – frage ich mich: Wie soll man als Eltern reagieren, wenn das Kind ungewollt Fremde beleidigt? Was würden Sie tun?

Hier zur späteren Diskussion fünf mögliche Strategien:

Die Verleugnung

Sie könnten so tun, als hätten Sie nichts gehört.

Problem: Ihr Kind wird ein zweites Mal fragen, und die Frage spätestens beim dritten Mal quer durch den Kindergarten brüllen.

Die Abwehr

Erst das Kind mundtot machen und dann die Stille überbrücken: «Schschscht! Gopf! Gehts noch? Jaaa … ähem … Frau Stückelberger, Ihr Kind hat ja wirklich ein gaaaanz schönes Räbeliechtli geschnitzt. Toll! So schön … hehe.»

Problem: Der Schaden ist bereits angerichtet. Durch diese Reaktion stellen Sie lediglich Ihre Verlegenheit zur Schau.

Die Aufarbeitung

Wer schon vor der Geburt zwölf Erziehungsratgeber gelesen hat, sucht in so einem Moment das Gespräch mit dem Kind: «Warum denkst du, dass die Frau einen Bart hat?» oder «Frag die Frau doch gleich selber, Sebastian.»

Problem: Pädagogisch ist das natürlich vorbildlich, aber Sie laufen Gefahr, den Karren noch tiefer in den Dreck zu reiten.

Der Humor

Man könnte die Stimmung auch mit einem Witzchen rumreissen: «Haha, Kind, das ist doch kein Bart. DAS ist ein Bart.» (Und sich dabei stolz durch den eigenen Bart streichen.)

Problem: Das braucht einiges an Schlagfertigkeit und funktioniert nur situativ. Durch den eigenen Bart streichen erfordert zum Beispiel einen eigenen Bart. Nicht so gut wäre es, stattdessen auf eine andere Mutter mit noch mehr Bart zu zeigen.

Die Demut

Klar, man kann sich ganz einfach beim Opfer entschuldigen: «Jesses, also nein aber auch! Entschuldigung, Frau Stückelberger, das ist mir jetzt gar nicht recht.»

Problem: Die Variante ist etwas gar unterwürfig und strahlt wenig Souveränität aus.

Je nach Schwere der Beleidigung führt aber kein Weg an Variante 5 vorbei. Mit einer Entschuldigung dürfte die Sache auch angenehm schnell gegessen sein. Vielleicht bin ich doch ganz froh, wenn der Brecht keine heiklen Fragen stellt, sondern gleich «Schafseckel» austeilt.

Dieser Artikel wurde erstmals am 3. Februar 2016 publiziert und am 17. Juli 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.