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Impfoffensive des Bundes
«Einladung an Kriminelle»: Fachleute warnen BAG vor Hausbesuchen

Aufgepasst, wenn es klingelt: Bei Haustürbesuchen geht es oft um betrügerische Machenschaften. 
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Klingeln an der Haustür, draussen wartet eine freundliche Dame, die sich als Mitarbeiterin des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ausweist. Sie fragt, warum man noch zögere, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Sie erläutert die Vorzüge der Impfung und klärt über die Nebenwirkungen auf. Schliesslich lässt man sich, überzeugt von den Ausführungen der Besucherin, einen Impftermin verschaffen.

So oder ähnlich könnte es künftig ablaufen. Hausbesuche sind Teil der Impfoffensive, die der Bundesrat letzte Woche ankündigte. Es sei Zeit für «innovative Wege», schreibt die Regierung in ihrem Begleitbrief an die Kantone. Die bisherige breitflächige Information über die Corona-Impfung führe zu «Streuverlusten», da immer mehr Menschen schon geimpft seien. «‹Läuten an der Tür› bei der Bevölkerung darf nicht nur ein Bild sein, sondern muss Realität werden», heisst es in dem Schreiben. Schweizweit sollen rund 1700 «Beratungspersonen» eingesetzt werden, um mit Ungeimpften in Kontakt zu treten – per Telefon, über soziale Medien und, eben, direkt an der Haustür.

Nun aber melden sich warnende Stimmen. Die Hausbesuche seien eine «für Ältere und Alleinstehende gefährliche Aktion»: Dies hält der Verband Avenir 50 plus in einem «offenen Brief an den Bundesrat» fest. «Die Ankündigung von staatlichen Hausbesuchen liest sich wie eine Einladung an Kriminelle, sich als Berater des Bundesamts für Gesundheit auszugeben», schreibt der Verband. Die Betrüger könnten sich auf diese Weise «Zutritt in Haushalte von älteren und alleinstehenden Menschen verschaffen, um sie auszurauben».

Geschäftsführerin Heidi Joos schildert in dem Brief auch eine «wahre Geschichte» aus ihrem Nachbarhaus. Vor drei Jahren habe sich ein Besucher gegenüber einem älteren Bewohner als Handwerker vorgestellt, der im Auftrag der Verwaltung die Heizungen kontrolliere. Dadurch habe er Zugang zur Wohnung erlangt – und im geeigneten Moment den Bewohner im Badezimmer eingeschlossen und Geld gestohlen.

Besuche zu Hause «sehr heikel»

Heidi Joos und ihr Verband haben sich zuletzt immer wieder mit skeptischen Positionen gegenüber den Corona-Massnahmen exponiert. Ihre aktuellen Bedenken werden allerdings von gewichtiger Stelle geteilt. «Wir halten Besuche an der Haustür für sehr heikel», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. «Haustürgeschäfte sind buchstäblich ein Einfallstor für allerlei betrügerische Maschen. Wir raten den Leuten immer, sich an der Haustür nicht auf irgendwelche Käufe und Abmachungen einzulassen.»

Stalder ist der Ansicht, dass sich die Beratungspersonen des Bundes vor Hausbesuchen telefonisch melden und einen Termin vereinbaren sollten. Es bleibe jedoch das Problem, dass die meisten Leute keine Kenntnis davon hätten, wie ein Beratungsgespräch korrekterweise ablaufen müsste. «Es wäre nötig, dass der Bund vorher alle entsprechend informiert – ich wüsste aber nicht, wie ihm dies gelingen sollte.»

Stalder geht überdies davon aus, dass es einem Betrüger nicht schwerfiele, einen BAG-Ausweis zu fälschen. Auch hinsichtlich des Datenschutzes würden die Hausbesuche «viele schwierige Fragen» aufwerfen, sagt die Konsumentenschützerin.

Der Bund schweigt

Was entgegnet der Bund diesen Bedenken? Vorerst wenig: Es handle sich bei den Hausbesuchen wie auch bei den anderen Massnahmen bloss um «Vorschläge», teilt eine BAG-Sprecherin mit. Welche der Vorschläge man weiterverfolge und wie man sie im Detail ausgestalte, hänge von den Stellungnahmen der Kantone ab. Die Konsultation endet am Mittwoch. Der Bundesrat beschliesst das weitere Vorgehen am 13. Oktober.

Wie verbreitet Betrug an der Haustür tatsächlich ist, darüber fehlen belastbare Angaben. Laut Auskunft des Bundesamts für Statistik kennt die Strafurteilsstatistik nur den Tatbestand des Betruges allgemein und unterscheidet nicht nach Vorgehensart.

In jedem Fall scheinen die Pläne des Bundesrats bereits zwielichtige Machenschaften auszulösen. So wurde ein Redaktor dieser Zeitung am Dienstag von einer Person angerufen, die sich als BAG-Mitarbeiter ausgab und übers Impfen reden wollte – mutmasslich mit dem Ziel, an vertrauliche Daten zu gelangen. Wie BAG-Sektionsleiterin Virginie Masserey auf Nachfrage bestätigte, kann es sich beim Anrufer nicht um jemanden vom BAG gehandelt haben. Die Offensive habe noch nicht begonnen, und ohnehin werde das BAG keine derartigen Anrufe tätigen.

Damit bleibt fürs Erste der Rat zur Wachsamkeit – ob an der Haustür oder am Telefon.