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Mamablog: Umgang mit dem Tod
Wenn der Enkel seinen Grosspapi nur aus Erzählungen kennt

Wo ist Grosspapi jetzt? Vorwiegend im Himmel – und auf dem Friedhof: Der Tod ist und bleibt abstrakt.
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In diesen Tagen jährt sich der Todestag meines Vaters zum siebten Mal. Sieben Jahre, während derer ich mich an ein Leben ohne diesen herzensguten Menschen gewöhnen musste. Was bleibt, ist neben dem Loch im Herzen auch die Frage «Was wäre, wenn?» – erst recht natürlich, seit vor zweieinhalb Jahren sein Enkel zur Welt gekommen ist.

Wo ist Grosspapi?

Im Gegensatz zum erbarmungslosen «Wieso?», das einen immer wieder ins Elend schubst, lässt das «Was wäre, wenn?» Raum für heiterere Gedanken. So bin ich mir absolut sicher, dass Grossvater und Enkel Freude aneinander gehabt hätten. Mein Vater würde den Kleinen durch die Luft wirbeln und auffangen – wie er es mit uns Kindern sowohl an Land als auch in Schwimmbädern gemacht hat. Auch in solchen, in denen böse Blicke der Mitschwimmenden garantiert waren. Er würde ihn in die Tiefen der Gastronomie und die Höhen der Fliegerei einweihen und ihm mit fortschreitendem Alter ab und an eine seiner Räubergeschichten erzählen. Und sie würden dabei viel lachen.

Hin und wieder kommen mir bei Erzählungen von meinem Paps natürlich auch die Tränen. Aber unabhängig von meinem Stimmungsbarometer zeigt mein Sohn in solchen Situationen immer wieder auf das eine Bild im Bücherregal. Er erkennt seinen Grosspapi, was mein geschundenes Herz freut. Klar. Aber wie soll ich ihm nur erklären, wo Grosspapi denn ist. Zumal ich es ja selbst nicht weiss.

In Widersprüche verstrickt

Die ganze Sache mit dem Tod ist sehr abstrakt. Und man wird auch nicht schlauer, wenn man beim letzten Atemzug einer Person mit dabei war. Folglich halte ich bezüglich des Aufenthaltsortes von Grosspapi noch immer am Himmel fest. Also als Hauptaufenthaltsort. Ab und zu ist er auch auf dem Friedhof. Insbesondere dann, wenn wir diesen aufsuchen. Früher oder später werde ich mich zwangsläufig in Widersprüche verstricken und meinen Sohn über mein Unwissen aufklären müssen.

Indem wir es möglichst vermeiden, über den Tod zu sprechen, verzieht er sich ja vielleicht wieder, bis wir ihn dann sogar überlisten.

Die Erklärungsnot vieler Eltern erstaunt in Anbetracht der Tabuisierung des Themas kaum. Auch wenn es uns alle einmal trifft, spricht in unseren Breitengraden niemand gerne über den Tod. Bekannte wechseln zwar nicht mehr die Strassenseite, wenn sie mich sehen, aber manchmal habe ich noch immer das Gefühl, komisch angeschaut zu werden, wenn ich amüsante Episoden aus dem Leben meines Vaters erzähle. Oder wenn ich überhaupt von ihm erzähle. Viel zu unangenehm. Und Unangenehmes ignorieren wir lieber. Indem wir es möglichst vermeiden, über den Tod zu sprechen, verzieht er sich ja vielleicht wieder, bis wir ihn dann sogar überlisten. Die Einsicht, dass wir uns etwas vormachen, kommt spätestens beim Verlust eines geliebten Menschen. Und dann sind wir allein mit dem Schlamassel. Bestenfalls ist da eine Therapeutin.

Den Tod ins Leben integrieren

Ein Blick auf die mexikanische Kultur zeigt, dass es auch anders geht. Indem der Tod in Mexiko ins Leben integriert wird, verliert er an Furcht und Schrecken, sodass man ihm gar nicht mehr erst zu entkommen versucht. Vielmehr ehrt und feiert man ihn. Und am «Dìa de los Muertos» kehren die Toten sogar zurück, aber keinesfalls im Stil eines Spukes. Nein, sie kommen, um zu feiern und das ihnen zubereitete Lieblingsessen zu geniessen. Mit von der Partie sind bei den Festivitäten selbstverständlich auch die Kinder.

Ich plädiere für einen unbeschwerteren Umgang mit dem Tod – von Anfang an.

Nein, ich plädiere hier nicht für die Aneignung fremder Kulturen. Mein Sohn kriegt Ende Oktober auch keinen Zuckertotenkopf. Jedoch plädiere ich für einen unbeschwerteren Umgang mit dem Tod – von Anfang an. Dann fände man gegenüber Kindern vermutlich plausiblere Erklärungen für den Verbleib verstorbener Personen als den Himmel. Ich werde deshalb auch weiterhin mit meinem Sohn über seinen Grosspapi sprechen. Auch über sein Ur-Grossmami oder die Grossonkel. Und er darf auch mit auf den Friedhof. Und an die nächste Beerdigung, die bestimmt kommen wird. Wie sollen unsere Kinder denn zu empathischen Zeitgenossen werden, wenn sie stets von unserer Trauer ausgeschlossen werden?

Buchtipp

Milena Moser: Das schöne Leben der Toten – vom unbeschwerten Umgang mit dem Ende, 2019.

Wie handhaben Sie es mit der Kommunikation über den Tod und das Sterben, liebe Leserinnen und Leser? Diskutieren Sie mit.