Fragwürdige AbnehmkurenOprah Winfreys Werbefeldzug für Weight Watchers entpuppt sich als Schwindel
Abnehmen sei eine Frage des Willens, predigt der Milliardenkonzern seit Jahren. Nun gibt er zu, dass die alten Wundermittel nicht wirken – und vermarktet die neuen Fett-weg-Spritzen.
Übergewicht ist zum Schämen, und Abnehmen ist nur eine Sache des Willens. Mit solchen Sprüchen jubelte Weight Watchers – ein US-amerikanisches Unternehmen mit 7100 Angestellten und einem Jahresumsatz von zuletzt 1,04 Milliarden Dollar – seinen Kundinnen in den vergangenen sechzig Jahren immer wieder neue Diät- und Fastenkuren unter.
Unterstützt von Prominenten wie der Schauspielerin Jane Fonda und der Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey machte das Unternehmen enorme Profite, doch das Resultat ist ernüchternd: Die USA sind das Land der Fettleibigkeit. 72 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – 189 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner – leiden an Übergewicht oder Adipositas. Besonders dramatisch: Frauen wiegen im Schnitt heute so viel wie Männer vor zwei Generationen.
Ihr dürftiger Einsatz brachte ihr mehr als 500 Millionen
Dazu muss man wissen, dass Oprah Winfrey seit Jahrzehnten mit ihrem Gewicht kämpft und ihr auf Dauer keine einzige Kur, die sie in ihrer Fernsehshow anpries und selber versuchte, half. Schlimm war ihre eigene Optifast-Diät, eine 800-Kalorien-Getränkediät, die nichts brachte. Sie war später gezwungen, sich von dieser Quacksalberei zu distanzieren.
Das hinderte sie nicht daran, mit dem Verlangen ihrer Zuschauerinnen viel Geld zu machen. Winfrey stieg 2016 bei den Weight Watchers ein, als das Unternehmen vor dem Aus stand und sie ihre Fernsehkarriere abrupt beendete.
Ihre Rolle als Aushängeschild sollte lukrativ werden. Der Wert des Unternehmens stieg in drei Jahren um das Siebenfache und bescherte ihr einen Gewinn von mehr als 500 Millionen Dollar, den sie in der Folge mit dem Verkauf ihrer Aktien rasch ins Sichere brachte. Ihr Anteil liegt heute nur noch bei 12 Millionen Dollar. Ihr Einsatz war dürftig. Sie ging an keine Aktionärsversammlung, und ihr Sitz im Verwaltungsrat blieb meistens leer.
Merkwürdige Entschuldigung und windige Erklärungen
Doch nun stehen Oprah Winfrey und Weight Watchers erneut und unverhofft im Rampenlicht. Eine neue Generation von Medikamenten, die Gewichtsverluste von bis zu 20 Prozent versprechen, haben eine radikale Kehrtwende provoziert. Weight Watchers entschuldigte sich vor kurzem für die Geschäftsstrategie der vergangenen Jahrzehnte, die auf dem schlechten Gewissen der Kundinnen beruhte und das Abnehmen auf die Frage des Willens reduzierte.
«Wir sind die Ersten, die gestehen, was wir falsch gemacht haben», sagte Unternehmenschefin Sima Sistani an einer Tagung im Beisein von Fachärzten und Oprah Winfrey. «Wir haben Leute beschämt, die mit Diät und Bewegung nicht abgenommen haben.»
«Ich glaube, dass Fett-weg-Spritzen eine wichtige und wertvolle Option für Leute sind, die mit Gewicht kämpfen.»
Winfrey hatte zuvor Fotos von ihren Reisen auf Instagram veröffentlicht, die zeigten, dass sie stark an Gewicht verloren hatte. Weight-Watchers-Angestellte kommentierten öffentlich ihr «grossartiges» Aussehen, doch nun wollte Winfrey nichts mehr über Weight Watchers sagen. Sie gab keine Auskunft, ob und welche Fastenkur sie hinter sich hatte. Und noch weniger wollte sie klarstellen, ob sie Ozempic – eine der neuen Fett-weg-Spritzen – eingesetzt hatte.
Im vergangenen Jahr noch hatte sie sich davon distanziert und die neuen Präparate als «billigen Ausweg» abgetan. Nun sagt sie es so: «Ich glaube, dass diese Medikamente eine wichtige und wertvolle Option für Leute sind, die mit Gewicht kämpfen. Sie sind ohne Stigma und ohne Scham.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Mehr als Worte sprechen unterdessen die Investitionen von Weight Watchers. Das Unternehmen kaufte kürzlich für 106 Millionen Dollar Sequence, ein Telemedizin-Unternehmen. Damit erhalten die Kundinnen direkten Zugang zu den verschreibungspflichtigen Fett-weg-Spritzen.
Dass dies eine radikale Abkehr von den Ernährungsplänen und Rezepten der Vergangenheit ist, versteht sich. Bisher haben gemäss dem «Wall Street Journal» 37’000 Kundinnen ein Sequence-Abonnement für monatlich rund 100 Dollar gelöst. Zum ersten Mal stieg zudem die Zahl der Mitglieder wieder auf über 4,1 Millionen.
Die Spritzen kosten im Jahr mehr als 12’000 Dollar und sind somit für die grosse Mehrheit der US-Bevölkerung unerschwinglich.
Das Wachstumspotenzial ist beträchtlich, da die Krankenkassen diese neuen Medikamente bislang nur für Diabeteskranke decken. Für Übergewichtige über 65 Jahren lehnen die meisten privaten Kassen und die staatliche Versicherung die Deckung ab.
Das grösste Hindernis für eine grosse Verbreitung ist die Erschwinglichkeit. Die Spritzen kosten im Jahr mehr als 12’000 Dollar und sind somit für die grosse Mehrheit der US-Bevölkerung unerschwinglich.
Der Umsatz der Antifettpräparate in den USA dürfte von 2,4 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr auf 77 Milliarden im Jahr 2030 steigen.
Die Gesundheitsstatistik zeigt, dass Ärmere und Leute ohne Hochschulabschluss am meisten übergewichtig sind. Letztlich könnten nur zwei bis sieben Prozent der übergewichtigen Erwachsenen eines der sechs von der dänischen Novo Nordisk und der amerikanischen Eli Lilly hergestellten Medikamente bekommen.
Der Druck auf die öffentliche Krankenversicherung Medicare, die Abnehmmittel flächendeckend zu versichern, ist enorm. Im Kongress ringen Demokraten und Republikaner mit der Pharmalobby um eine Lösung.
Die Erfahrung mit den Medikamenten zur Senkung von Cholesterin zeigt, dass sich die Pharmakonzerne durchsetzen werden. Der Umsatz der Antifettpräparate in den USA dürfte gemäss der Investmentbank Morgan Stanley von 2,4 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr auf 77 Milliarden im Jahr 2030 steigen.
Die besten Kundinnen sind nach Angaben von Novo Nordisk exakt jene Frauen, die Oprah Winfrey an den Lippen hängen: Mehr als 80 Prozent aller Patientinnen und Patienten, die das Novo-Nordisk-Präparat Wegovy nehmen, sind übergewichtige Frauen im Alter von vierzig bis fünfzig Jahren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.