Wut auf USANicht nur Tesla – US-Produkte werden in Europa und Kanada boykottiert
Die US-Politik sorgt in vielen Teilen der Welt für Verwirrung. Das könnten bald auch amerikanische Unternehmen zu spüren bekommen.

Ivan Hansen schaut im Supermarkt inzwischen sehr genau hin. Der pensionierte dänische Polizist prüft jeden Artikel, damit bloss nichts in seinem Korb landet, was in den USA hergestellt wurde. Er sehe dies als seine einzige Möglichkeit, gegen die Politik von Donald Trump zu protestieren, sagt der 67-Jährige. Bei seinem letzten Einkauf habe er unter anderem Datteln aus dem Iran mitgenommen. Er sei selbst erschüttert, dass er Washington derzeit als eine grössere Bedrohung wahrnehme als Teheran.
Was Hansen besonders aufregt, sind die wiederholten Andeutungen des amerikanischen Präsidenten, die Kontrolle über Grönland übernehmen zu wollen. Aber es ist nicht nur das. Auch Trumps Forderungen bezüglich des Panamakanals und der Zukunft des Gazastreifens sind für den Dänen inakzeptabel, ebenso wie dessen enge Beziehung zu dem umstrittenen Unternehmer Elon Musk.
Europa und Kanada gegen die USA
«Trump wirkt tatsächlich wie ein Rüpel, der auf jede erdenkliche Art versucht, anderen zu drohen oder sie einzuschüchtern, um seinen Willen zu bekommen», sagt Hansen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. «Gegen so etwas werde ich mich zur Wehr setzen.» Und er ist ganz offensichtlich nicht der einzige. In vielen Teilen Europas und in Kanada schliessen sich immer mehr Konsumenten einem Boykott von amerikanischen Produkten an.

Die Internet-Suchmaschine Google verzeichnete besonders nach den Ankündigungen Trumps, neue Strafzölle zu verhängen, ein enormes Interesse an dem Suchbegriff «USA boykottieren», unter anderem in Dänemark, Frankreich und Kanada. Zugleich wachsen in vielen Teilen der Welt die Vorbehalte gegenüber dem US-Autohersteller Tesla. Die Verkäufe des von Musk gegründeten Unternehmens sind in Europa und in Kanada bereits zurückgegangen.
Elsebeth Pedersen, die in der dänischen Kleinstadt Faaborg lebt, hat sich gerade ein neues Auto gekauft. Bei der Auswahl hat sie sich amerikanische Modelle ganz bewusst gar nicht erst angesehen. «Bevor Elon Musk anfing, sich wie ein Verrückter zu verhalten, wäre ein Tesla vielleicht eine Option gewesen», sagt sie. «Oder vielleicht auch ein Ford.»
Keine US-Produkte mehr erwünscht
Der französische Unternehmer Romain Roy sagt, seine Solarzellenfirma habe seit 2021 jedes Jahr eine neue Flotte von Tesla-Wagen gekauft, nun aber eine Bestellung von 15 weiteren Fahrzeugen storniert, um gegen Musk und Trump zu protestieren. Er beschreibt die USA als ein Land, das sich nur noch um sich selbst kümmere. «Europa muss reagieren – einzelne Konsumenten, die Gesellschaft, unsere Länder», sagte er dem Sender Sud Radio.
Der grösste dänische Supermarkt-Betreiber, die Salling Group, hat auf die Stimmung in der Bevölkerung mit der Schaffung eines neuen Logos zur Kennzeichnung von Produkten aus europäischer Herstellung reagiert. Dies sei kein Boykott, betont Unternehmenschef Anders Hagh. «Unsere Geschäfte werden auch weiterhin Marken aus aller Welt in den Regalen haben und es wird immer Sache der Kunden sein, daraus auszuwählen», schrieb er in einem Beitrag auf LinkedIn. Das neue Logo sei «nur ein zusätzlicher Service» für Kunden, die nun gerne europäische Waren kaufen würden.
Das Wikingerblut kocht
Bo Albertus sagt, für ihn sei das Mass voll gewesen, als Trump im Fernsehen erklärt habe, dass er «mit politischer oder mit militärischer Macht einen Teil des dänischen Königreichs an sich reissen» wolle. Der 57-Jährige verzichtet wegen Trumps Äusserungen zu Grönland etwa auf Pepsi-Cola, auf Colgate-Zahnpasta, auf Heinz-Ketchup und auf kalifornischen Wein. Zudem ist er Administrator der dänischen Facebook-Seite «Boykot varer fra USA» («Boykottiert Produkte aus den USA»), die bereits mehr als 80.000 Mitglieder hat.
Die Politik von Trump habe «das dänische Wikingerblut zum Kochen gebracht», sagt der Handwerker Jens Olsen, der privat inzwischen auf Popcorn und Bier aus den USA verzichtet und nun darüber nachdenkt, Werkzeugmaschinen von amerikanischen Firmen durch Modelle aus anderen Ländern zu ersetzen. «Ich bin 66 Jahre alt und ich habe die Dänen noch nie so wütend gesehen», sagt er. D

Michael Ramgil Stæhr hat eine Reise in die USA abgesagt. Und wie so viele andere versucht er auch zu Hause, nach Möglichkeit dänische statt amerikanische Produkte zu kaufen. Trump sei ein extrem gefährlicher Mann und sein Verhalten koste in Entwicklungsländern und in der Ukraine schon jetzt Menschenleben, sagt der 53-Jährige, der beruflich dänischen Veteranen hilft, die in vielen Fällen bei Einsätzen an der Seite von US-Truppen im Irak, in Afghanistan oder auf dem Balkan verletzt wurden.
«Ich denke an Airbnb, ich denke an Uber und ich denke natürlich an Tesla»
Edouard Roussez, ein Landwirt aus Nordfrankreich, hat ebenfalls eine Online-Gruppe gegründet, die zu einem Boykott von US-Produkten aufruft. Ihm gehe es vor allem um die Unternehmen, die den Wahlkampf von Donald Trump finanziert hätten, sagte er dem Sender LCP. «Ich denke an Airbnb, ich denke an Uber und ich denke natürlich an Tesla.» Auch seine Gruppe, die innerhalb von zwei Wochen mehr als 20.000 Anhänger fand, ist allerdings auf dem US-Netzwerk Facebook. Roussez betont, dass er bereits daran arbeite, die Gruppe auf alternative Plattformen zu übertragen.
Die Auswirkungen der Boykott-Aufrufe auf Exportgewinne oder gar auf die Politik der Amerikaner dürften laut Einschätzung von Experten allerdings überschaubar bleiben. Es könne zwar einen psychologischen Effekt haben, wenn Menschen in den USA sähen, wie gross das Ausmass der Wut sei, sagt Olof Johansson Stenman, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität im schwedischen Göteborg. Aber «manche könnten sich auch sagen: «Wir mögen diese Europäer sowieso nicht.»
Auch der 54-jährige Däne Simon Madsen verzichtet mit seiner Familie inzwischen auf viele amerikanische Produkte. Er fragt sich jedoch selbst, wie weit er mit dem Boykott gehen sollte – ob er etwa auch weiterhin die mit Schokolade überzogenen Marzipanriegel von der Marke Anthon Berg kaufen sollte, die in Dänemark hergestellt werden, aber amerikanische Mandeln enthalten. Grundsätzlich halte er es aber für wichtig, dass die Menschen versuchen, Unternehmen mit ihrem Konsumverhalten zu Veränderungen zu drängen, sagt er. «Das ist die einzige Waffe, die wir haben.»
DPA/aeg
Fehler gefunden?Jetzt melden.