Verteilkampf um BundesgelderFuniciello ruft: «Unerhört!» – der Bund entgegnet: «Fake News»
Wegen der höheren Armeeausgaben fehlt dem Bund in den kommenden Jahren Geld. Viele Vorhaben können nun nicht wie geplant umgesetzt werden – auch solche, die das Parlament beschlossen hat.
SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist ausser sich. «Unerhört!», schreibt sie im Namen der SP Frauen auf X (vormals Twitter). «Keller-Sutter streicht den Präventionskampagnen gegen Gewalt sämtliche Gelder.» Dies, obwohl sie sich früher den Kampf gegen häusliche und sexuelle Gewalt auf die Fahne geschrieben habe. Das Finanzdepartement von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter entgegnet: «Das sind Fake News.»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die Episode ist Ausdruck des verschärften Verteilkampfes, der in der Bundesverwaltung begonnen hat. In den kommenden Jahren drohen dem Bund Milliardendefizite. Die Hauptgründe dafür: AHV und Armee. Die Kosten für die AHV steigen, weil die Bevölkerung altert, jene für die Armee wegen eines Parlamentsentscheides: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine beschloss das Parlament, die Armeeausgaben rasch und stark zu erhöhen, auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Die Folge davon könnten Steuererhöhungen sein. Der Bundesrat schreibt zum Finanzplan für die kommenden Jahre: Auch «einnahmeseitige Massnahmen» seien zu prüfen. Der Bundesrat will dem Parlament «zu gegebener Zeit» die nötigen Gesetzesänderungen vorlegen.
Zuerst wird aber gespart. Die Departemente meldeten dem Finanzdepartement für die Jahre 2025 und 2026 bei den eigenen Ausgaben zusätzlichen Bedarf von insgesamt rund 800 Millionen pro Jahr. Bewilligt hat der Bundesrat nun aber nur rund 250 Millionen Franken, wie die Finanzverwaltung auf Anfrage mitteilt.
Kampagne vor dem Aus?
Unter anderem genehmigte der Bundesrat (es war nicht die Finanzministerin alleine) keine zusätzlichen Mittel für die geplante Präventionskampagne gegen häusliche und sexuelle Gewalt – obwohl das Parlament den Bundesrat beauftragt hatte, eine solche durchzuführen. Nun stehe die Kampagne vor dem Aus, bevor sie begonnen habe, kritisiert Funiciello.
Die Finanzverwaltung betont, die bisherigen Mittel würden nicht gekürzt. Dem Gleichstellungsbüro stünden auch künftig drei Millionen Franken für derartige Kampagnen zur Verfügung. Deshalb wirft das Finanzdepartement Funiciello und den SP Frauen «Fake News» vor. Bloss: Aus dem Topf mit den drei Millionen Franken kann die neue Kampagne nicht finanziert werden, weil es sich dabei um Subventionsgelder handelt. In diesem Punkt hat Funiciello recht, das räumt auch die Finanzverwaltung ein.
«Prioritäten setzen»
Die Finanzverwaltung stellt sich aber auf den Standpunkt, die Kampagne könne aus dem Globalbudget des zuständigen Innendepartements von SP-Bundesrat Alain Berset finanziert werden. Wenn für ein Vorhaben keine zusätzlichen Mittel gesprochen würden, bedeute das nicht, dass dieses nicht umgesetzt werden könne. Die Departemente hätten es in der Hand, Prioritäten zu setzen und Gelder umzulagern.
Berset scheint das freilich anders zu sehen. Als das Parlament den Auftrag für die Präventionskampagne beschloss, wies er darauf hin, dass eine solche Kampagne zwischen 1,5 und 2 Millionen Franken pro Jahr koste. Dafür seien zusätzliche Mittel nötig, sagte Berset. Sein Departement schreibt auf Anfrage, es habe noch nicht über das weitere Vorgehen entschieden. Für die Kampagne hat es bereits eine Person eingestellt.
Ärger gibt es nicht nur im Innendepartement. Der Bundesrat lehnte auch Mittel für Vorhaben aus anderen Departementen ab. Laut der Finanzverwaltung verweigerte er beispielsweise zusätzliche personelle Ressourcen
für die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten von Flüchtlingen und Migranten
zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes
für die Bewältigung des Wohnungsmangels
zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
für die Meldestelle für Geldwäscherei
zur Bekämpfung von Quarantäneorganismen zum Schutz der Landwirtschaft
Auch hier lässt sich nicht sagen, ob die damit verbundenen Projekte trotzdem realisiert werden oder nicht. Bewilligt hat der Bundesrat zusätzliche personelle Ressourcen für Klima, Umwelt und Energie sowie Bildung und Forschung. Priorität haben für ihn zudem Digitalisierungsprojekte. So bewilligte er Mittel für die elektronische Identitätskarte und die Weiterentwicklung des elektronischen Patientendossiers.
Telefonnummer für Gewaltopfer
Die SP-Frauen wollen weiter dafür kämpfen, dass auch für die Kampagne gegen häusliche und sexuelle Gewalt zusätzliche Mittel gesprochen werden. Laut Funiciello planen sie eine Petition und einen offenen Brief.
«430'000 Vergewaltigungsopfer, alle zwei Wochen ein Femizid, über 50 registrierte Fälle von häuslicher Gewalt pro Tag – wann nimmt die Politik die Thematik der geschlechtsbezogenen Gewalt endlich ernst?», fragen die SP-Frauen.
Die Präventionskampagne würde beispielsweise auf eine zentrale Telefonnummer für Gewaltopfer aufmerksam machen. Diese soll – unabhängig davon, ob die Kampagne durchgeführt wird – Anfang 2025 den Betrieb aufnehmen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.