Klimawandel, Inflation, Corona, KriegWas vom WEF in diesem Jahr zu erwarten ist
Löwenzahn statt Winter-Wunderland: Das Treffen der globalen Wirtschafts- und Politelite startet am Montagmorgen offiziell. Schon am Sonntagabend wurde klar: Dieses Jahr ist einiges anders.
«Oh, it looks so green! It's different, but nice!», sagt eine Geschäftsfrau aus Indien, als sie aus dem Zugfenster des 1. Klassabteils der Rhätischen Bahn in der Ferne Davos entdeckt. Statt märchenhaft verschneiter Schneelandschaft sind die Wiesen sattgrün oder fast gelb: alles voller Löwenzahn. Doch auch sonst ist einiges anders beim Weltwirtschaftsforum 2022.
Russland ist ausgeschlossen. Weder russische Politiker, Managerinnen noch Akademikerinnen sind vor Ort. Die schillernden Partys, an denen viel Wodka geflossen und schwarzer Kaviar serviert wurde, finden nicht statt.
Das WEF 2022 ist wieder mehr ein Arbeitstreffen. Und es wird durchaus Politik gemacht: So trafen schon am Sonntagabend die Bundesräte Simonetta Sommaruga und Guy Parmelin mit dem deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck zusammen.
Es ging um eine engere Zusammenarbeit bei der Versorgung mit Strom und Gas. Zudem versprach Habeck quasi als «Botschafter» in Brüssel mit neuen Vorschlägen, Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu bringen. Details verraten wollte er aber keine, denn «sonst wären die Vorschläge ja nichts mehr wert», sagte er bei einem Point der Presse mit den beiden Bundesräten im House of Switzerland und grinste.
Witali Klitschko und sein Bruder treten auf
In diesem Jahr steht aber nicht die EU, schon gar nicht die Schweiz, sondern die Ukraine im Mittelpunkt des WEF. Das wurde allen klar, die beim Presseempfang den vier ukrainischen Parlamentarierinnen zugehört haben. Sie berichten von schrecklichen Kriegsszenen im Land, von blockierten Getreidelieferungen, von Propaganda und mahnten eindringlich: Dieser Krieg betreffe nicht nur die Menschen in der Ukraine, sondern alle freien Länder der westlichen Welt.
Am Montag wird Ukraines Präsident Wolodimir Selenski eine Ansprache halten – allerdings nur per Video. Am Mittag treten dann physisch Witali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew und sein Bruder Wladimir auf. Als Bühne wählten sie jedoch nicht das geschlossene WEF, das den 2400 registrierten Teilnehmern offen steht, sondern das Open Forum – also die Konferenzreihe, die zeitgleich zum Treffen der globalen Wirtschaftsführer stattfindet und der gesamten Bevölkerung offen steht.
Diskussionen über Pandemie und Lieferkettenprobleme
Ansonsten stehen wieder die ganz grossen Themen auf der Agenda: Klimawandel, Inflation, die Lehren aus der Corona-Krise. Doch die grossen Stars fehlen weitgehend – auch wenn laut den Organisatoren 50 Staats- und Regierungschefs kommen sollen.
So ist der ranghöchste US-Vertreter der Klima-Beauftragte John Kerry. Aus Brüssel kommt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Dienstag eine Ansprache hält. Ein Treffen mit Schweizer Bundesräten ist aber bisher nicht geplant – zumindest ist keines offiziell angesetzt.
Und wenn am Donnerstag der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rede in Davos halten wird, dürfte er schon vor arg gelichteten Reihen sprechen. Denn Donnerstag geht das WEF zu Ende. Aufgrund des Feiertags in vielen Ländern dürften viele Teilnehmer wohl schon Mittwochabend wieder aus Davos abreisen.
Davos ist ein Symbol für die Globalisierung. Doch die hat gerade einen schweren Stand, denn die Sanktionen gegen Russland und die Pandemie in China unterbrechen gerade die Lieferketten weltweit. Viele Wirtschaftsführer erwarten, dass sich der Handel stärker regionalisieren wird. Und niemand weiss derzeit, wie weit die Globalisierung wieder zurückbuchstabiert wird.
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