Experten zur Corona-Lage«Maximal 300 Fälle pro Tag: Dort müssen wir hin»
Die Corona-Experten von Taskforce und Bund äusserten sich zur Entwicklung der Covid-19 Pandemie in der Schweiz. Der Ticker zum Nachlesen, der Livestream zum Nachschauen.
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Das Wichtigste in Kürze
Seit etwas mehr als eine Woche befindet sich die Schweiz im zweiten Lockdown. Die Massnahmen gelten bis zum 28. Februar.
Die Zahlen zu den Corona-Mutationen aus Grossbritannien und Südafrika steigen rasch an. Stand heute sind es fast 1000 Fälle; vor einer Woche waren es 388.
Am Dienstag meldet das BAG 1884 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden.
Bisher wurden in der Schweiz rund 204'000 Impfungen verabreicht (Der aktuelle Corona-Impfmonitor)
Hier geht es zu unserem Corona-Dashboard mit allen Zahlen
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Die grosse Skepsis – im Kopf der Impfgegner
Ackermann: Der Geist der Feiertage
Zusammenfassung: Martin Ackermann, Präsident der Taskforce
Die aktuelle Lage sei schwer zu fassen und zu beurteilen. Der Anstieg der Ansteckungen mit den neuen Varianten müsse unbedingt verlangsamt und Neuansteckungen müssten weiter reduziert werden, sagte Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, am Dienstag vor den Bundeshausmedien. Deshalb brauche es weiter «den gleichen Geist wie über die Feiertage».
Im Gegensatz zu den Erwartungen seien die Fallzahlen nach unten gegangen während und nach den Jahresend-Feiertagen. Die Bevölkerung in der Schweiz sei also sehr verantwortungsvoll mit den schwierigen Umständen umgegangen, würdigte Ackermann das Verhalten der Menschen.
Der Anteil der britischen Mutation an der Gesamtzahl der Coronavirus-Ansteckungen liege derzeit bei zehn Prozent. Spätestens im März werde dieser Anteil bei 50 Prozent liegen. Ob die Gesamtzahl aller Ansteckungen dann zu- oder abnehme, sei aber offen.
Wie sich die Shutdown-Massnahmen des Bundesrates vom 18. Januar auswirken, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden, so Ackermann. Ob die Zahlen mittelfristig weiter sinken werden, hänge stark davon ab, ob es gelinge, den Anstieg der mutierten Varianten genügend zu bremsen.
Bund: «Verhalten optimistisch»
Zusammenfassung: Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Die Situation mit den sinkenden Fallzahlen, Hospitalisationen und Todesfällen stimmt den Bund «verhalten optimistisch», wie Patrick Mathys sagte.
«Die Richtung stimmt, nur beim Tempo haperts leider noch ein bisschen.» Es gebe deshalb noch keinen Grund, «sich tiefenentspannt zurückzulehnen». Grund dafür seien die Reproduktionszahl, die weiterhin nahe bei eins sei, sowie die zunehmende Zahl von Fällen mit der mutierten Virusvariante.
Auch in den Spitälern habe der Druck noch nicht gross abgenommen, sagte Mathys vor den Bundeshausmedien. Fast ein Drittel der Personen auf Intensivstationen seien Covid-Patienten.
Keine brasilianische Variante bisher
Die Todesfälle nehmen laut Mathys aber ab, innert eines Monats habe sich die Zahl halbiert. Noch immer gebe es eine «gewisse Übersterblichkeit bei über 65-Jährigen». Auch diese Zahl nehme aber ab. Positiv sei auch, dass bis anhin keine Fälle der brasilianischen Virusvariante in der Schweiz nachgewiesen worden seien.
Mathys mahnte aber weiter zu Vorsicht: «Wenn wir ein Niveau erreichen wollen mit deutlich tieferen Zahlen, müssen wir weiterhin diszipliniert sein.» Es brauche weiterhin die Anstrengung der gesamten Bevölkerung.
Noch sei die Epidemie noch nicht so eingedämmt, dass eine lückenlose Kontaktverfolgung gewährleistet sei. «Wir haben noch keine Luft im System.»
Impfstoff-Knappheit für Kantone eine Herausforderung
Zusammenfassung Nora Kronig, Vize-Direktorin des BAG und Verantwortliche für die Schweizer Impfstrategie.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist zuversichtlich, dass die Schweiz trotz der Lieferschwierigkeiten beim Impfstoffhersteller Pfizer/Biontech bis März die vereinbarten Volumen erhalten wird. Wie sich die Lieferverlangsamung auf die Impfungen ab März auswirken wird, kann das BAG noch nicht sagen. Das zweite Trimester – oder Quartal – werde aber sehr herausfordernd.
Das sagte Nora Kronig, Vizedirektorin und Impfverantwortliche des BAG, am Dienstag vor den Medien in Bern. Die Lieferverlangsamung der Hersteller Pfizer/Biontech sollte ab Mitte Februar aufgeholt werden. Derzeit würden die Lieferungen wöchentlich und nicht mehr alle zwei Wochen ankommen, dafür seien die Mengen geringer. Es gebe also innerhalb des Monats gewisse Schwankungen wie etwa tiefere Volumen, die dann wieder steigen würden, und nicht geringere Volumen, betonte Kronig.
Impfstoffe sollen rasch verwendet werden
Die Impfstoff-Knappheit ist für die Kantone derzeit eine Herausforderung. Das BAG und die wissenschaftliche Task-Force empfehlen, die vorhandenen Impfstoffe rasch zu verwenden. Die Kantone könnten sich aber so organisieren, wie sie wollen, sagte Kronig, und Dosen etwa für die zweite Impfung zurückstellen.
Wenn Kantone die zweite Dosis nicht verabreichen können, müsste mit allen Kantonen geprüft werden, was unternommen werden könne, sagte die Impfverantwortliche. Das BAG sei in Kontakt mit den Kantonen, die betroffen sein könnten. «Da brauchen wir eine ganz klare Lage, um zu sehen, was das genau bedeutet», sagte Kronig. Es sei aber Sache der Kantone, die Planung wie auch die Impfung durchzuführen. «Wir sind aber in Kontakt, damit das ordentlich abläuft.»
Konzentration auf Monate nicht Tage
«Das zweite Trimester wird logistisch enorm herausfordernd», fasste Kronig zusammen. Es sei wichtig, jetzt einzelne Lösungen zu finden, aber das grosse Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Um die bevorstehenden Monate schrittweise planen zu können, arbeite das BAG mit Schätzungen und nicht absoluten Zahlen, sagte Kronig. Es sei zudem wichtig, sich nicht auf Tage zu konzentrieren, sondern auf Monate oder das ganze Semester.
Kronig wiederholte, dass sich der Verteilschlüssel auf die Bevölkerungsanzahl und den Anteil der besonders Gefährdeten beziehe. Die Kantone können ihre benötigten Kontingente bei der Armeeapotheke bestellen.
Hauri: «Impfungen laufen, sie haben keinen Getriebeschaden»
Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri berichtet aus den Kantonen:
«Impfungen laufen, sie haben keinen Getriebeschaden», macht Hauri deutlich. Er weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es Herausforderungen gibt, «die bei einem so grossen Projekt auch unerwartet auftreten können. Vergessen wir nicht, dass wir uns in einer besonderen Lage befinden, da läuft vieles noch nicht eingespielt.» Deshalb könnten nicht alle Impfwilligen sofort geimpft werden, sagt Hauri.
Schwierigkeiten sieht Hauri vor allem bei der Umsetzung der Impfstrategie, Logistik und Verlust von Impfdosen sowie die Sicherstellung der Zweitimpfung mit dem gleichen Impfstoff.
Massentest stehen zur Debatte
Die Kantone werden ihre Testkapazitäten ausbauen können. «Es stehen Massentestungen an Schulen, sozialen Institutionen, Dienstleistungsbetrieben und Firmen mit häufigem Kundenkontakt zur Debatte», sagt Hauri. FFP2-Masken könnten in gewissen Umständen zur Pflicht erklärt werden.
«Es stehen nun deutlich erweiterte Ausbruchsabklärungen, aber auch Massentests von asymptomatischen Personen zur Diskussion.»
Ende der Pressekonferenz
Wir beenden den Liveticker zur Experten-Medienkonferenz. Vielen Dank für Ihr Interesse. In Kürze folgt hier eine Zusammenfassung der heutigen Expertenrunde.
Essen im ÖV
Ein Essverbot im ÖV steht derzeit nicht zur Diskussionen. «Dass Leute sehr lange essen oder trinken, damit sie keine Maske tragen müssen, ist eine Ausnahme», sagt Mathys. «Es macht keinen Sinn, eine Regel zu verschärfen und damit die Mehrheit zu bestrafen. Momentan steht das nicht zur Diskussion.»
Nehmen die ÖV-Unternehmen die Hygiene in den Zügen ernst?
«Schutzkonzepte werden nicht vom Bund verordnet», sagt Mathys. «Sie werden von den Unternehmen ausgearbeitet. Es ist aus meiner Sicht momentan nicht nötig, dahingehend etwas zu ändern.»
Braucht die Schweiz eine FFP2-Maskenpflicht im ÖV?
«Das muss man wissenschaftlich klären», sagt Hauri. «Der ÖV steht für mich nicht im Fokus, weil die Volumen doch relativ gross sind. Das Problem sind eher enge und kleine Räume, dort käme das Tragen von FFP2-Masken in Frage. Aber nicht flächendeckend in grossen Räumen.»
300 Fälle pro Tag - so rasch wie möglich
Welches Niveau der Fallzahlen strebt das BAG an?
«Momentan wollen wir Neuerkrankungen sicher maximal im dreistellig Bereich», so Mathys. Ziel wäre dann, so rasch wie möglich auf maximal 300 Fälle pro Tag zu kommen. «Dort müssen wir so schnell wie möglich hin, um genügend Reserven zu schaffen, sollten uns die neue Virusvarianten einen Strich durch die Rechnung machen», betont Mathys.
Probleme mit der Impf-Plattform
Das Impf-Tool des BAG tauge nicht für Kantone - hat das BAG falsch investiert?
«Der Bund hat eine einheitliche Lösung als Dienstleistung aufgebaut um da mitzuhelfen», sagt Kronig. «Es ist mit Anfangsschwierigkeiten verbunden, aber wir haben eigentlich positive Rückmeldungen über die Nutzung des Tools.» «Bei uns funktioniert das Tool trotz Startschwierigkeiten gut», ergänzt der Zuger Kantonsarzt Hauri.
Was gilt ab morgen als Testnachweis?
«Ein Nachweis eines Testresultates kann per Handy sein oder in Form einer Papierbestätigung», sagt Patrick Mathys. Er weist jedoch darauf hin, dass dieser Nachweis auch gefälscht werden kann, darüber mache man sich aber gerade keinen Kopf.
Neue Regeln bei Einreisequarantäne?
Sollte das Regime mit der Einreisequarantäne geändert werden?
Im Herbst kam die Taskforce in einer Analyse zum Ergebnis, dass eine Quarantäne von 7 Tagen mit negativem Test vertretbar sei. «Wir haben aber momentan eine Situation mit neuen Mutationen», so Taskforce-Präsident Ackermann.
Sechs Parteipräsidenten fordern derweil ein härteres Grenzregime, lesen Sie darüber hier.
Bis Sommer alle geimpft?
Können bis im Sommer alle geimpft werden, die wollen?
«Wir haben 15 Millionen Dosen gekauft», sagt Kronig. «Ich kann keine Aussagen über Impfstoffe machen, die noch nicht zugelassen sind.»
Ungerechte Verteilung der Impfdosen?
Ist die Verteilung der Impfdosen gerecht?
«Die Zahlen, die publiziert werden, sind die gelieferten Impfdosen», so Kronig. «Es kann also sein, dass wenn die Zahlen im Verhältnis nicht aufgehen, Kantone ihre Dosen teilweise noch nicht bezogen haben.»
Zudem sei die Schweiz bei der Impfung nicht zu zurückhaltend vorgegangen. «Wir haben mit drei Firmen Verträge abgeschlossen, wir waren das erste Land, das einen Vertrag mit Moderna abgeschlossen hat, beispielsweise. Im internationalen Vergleich haben wir eine positive Situation in der Schweiz. Wir sind zuversichtlich, was unsere Impfkampagne angeht», so Kronig.
Impfdosen nur bis Februar?
«Die unterschiedlichen Liefergrössen sind eine Herausforderung für uns», sagt Kronig. «Für uns ist es wichtig, eine Lösung zu finden für die grösste Impfaktion aller Zeiten in der Schweiz.»
«Wir haben das in der Taskforce diskutiert», ergänzt Ackermann. «Aus wissenschaftlicher Sicht ist es wichtig, die Dosen so schnell zu verimpfen, wie es geht. Jeder Tag, der uns ein Stück näher an die Normalität bringt, ist wichtig.»
Strafe für die Bündner?
Wird der Kanton Graubünden mit der Zurückhaltung von Impfdosen von der Schweiz bestraft?
«Der Impf-Verteilschlüssel ist eigentlich klar, wir liefern genau danach, der ändert sich nicht», sagt Kronig. «Wie der Kanton die Impfungen durchführt, ob er dafür Impfzentren, mobile Einheiten oder Hausärzte nutzt, ist den Kantonen selber überlassen. Es ist eine komplexe Arbeit, die gemacht werden muss, auch weil wir die Variation in der Lieferung haben. Wir sehen uns da als eine Art Unterstützung.»
Zweite Impfung in Gefahr?
Die zeitgerechte Verabreichung der zweiten Impfung könnte in Gefahr sein - wie reagiert das BAG?
«Wir brauchen dazu eine klare Lage, damit wir abschätzen können, was es bedeutet», so die BAG-Vizedirektorin Kronig. «Planung und Durchführung der Impfenden sind grundsätzlich Sache der Kantone. Wenn es Lieferengpässe gibt, ist das, weil die Schweiz die Lieferungen nicht zeitgerecht geliefert bekommt.»
Kalkulation der Impfmengen
Wie werden die Impfmengen für die Kantone kalkuliert?
«Die Verteilung soll gerecht ausgerichtet sein und basiert auf einem Verteilschlüssel, der von der Bevölkerungsanzahl ausgeht und schaut, wie die Risikogruppen verteilt sind», so Kronig.
Von der EU abgeschnitten
Könnte die Schweiz von den Impfstoff-Lieferungen aus der EU abgeschnitten werden?
«Wir verfolgen die Lage sehr eng», sagt Nora Kronig. «Wir werden sehen, wie sich die Diskussion innerhalb der EU entwickelt und wie wir uns dazu positionieren werden.»
Stand der Impflieferungen
Wo steht die Schweiz bei den Lieferungen der Impfdosen?
«Wir haben die angekündigten 500'000 Januar-Impfdosen schon in der Schweiz», sagt Kronig. «Es sieht weiterhin so aus, als ob wir zwischen Januar und März die versprochenen Lieferungen bekommen werden - auch die Million Impfdosen im Februar. Es kann aber Schwankungen geben.»
Lesen Sie dazu: Bersets Impfbefehl führt direkt in den Kollaps
Umgang mit Bundesvorgaben
Dürfen Kantone Bundesvorgaben strenger umsetzen?
«Ja, grundsätzlich ist das möglich», sagt Patrick Mathys. «Ich kenne die rechtliche Lage im angesprochenen Kanton Graubünden aber nicht.»
Neue Massnahmen?
Die Fragerunde beginnt: Braucht es aufgrund der neuen Mutationen keine neuen Massnahmen?
«Wir rechnen momentan mit einer Verdoppelung alle zwei Wochen», sagt Martin Ackermann. «Es ist derzeit noch nicht abschätzbar, was für einen Einfluss die neuen Massnahmen vom 18. Januar hatten.»
red
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