Die wichtigsten Fragen und AntwortenWas macht der Bundesrat für die Versorgung der Schweiz mit einem Impfstoff?
Global wird nach einer Corona-Impfung geforscht, mit Lonza könnte die Schweiz an der Quelle sein. Trotzdem besteht die Befürchtung, die USA würden bei der Verteilung bevorzugt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum spricht plötzlich die ganze Welt von einem Impfstoff? Wann wird es ihn geben?
Die Realisierung ist noch fern. Gemäss den Plänen der führenden Pharmakonzerne könnte im besten Fall Anfang 2021 ein Impfstoff gegen Covid-19 vorliegen. Das Impfthema ist seit einigen Tagen in den Medien sehr präsent, weil das amerikanische Biotechnologie-Unternehmen Moderna bekannt gegeben hat, dass erste Versuche mit Impfstoffen positiv verlaufen seien. Die wenigen Testpersonen vertrugen den Impfstoff gut und produzierten Antikörper dagegen. Weitere Versuche stehen an. Anfang Mai war bekannt geworden, dass Moderna und der Schweizer Pharma-Zulieferer Lonza eine zehnjährige Partnerschaft eingegangen sind. Lonza liefert der Moderna den Wirkstoff für die Impfung. Der Technologietransfer beginnt im Juni.
Mit Lonza ist ein Schweizer Unternehmen im Rennen um einen Impfstoff gegen das Corona-Virus. Sind wir damit nicht an der Quelle?
Nein. Lonza wird den Impfstoff nicht besitzen, sondern liefert lediglich eine wichtige Zutat. Dies sagt Lonza-CEO Albert Baehny im Interview mit dieser Zeitung. Der Entscheid über die Verteilung des fertigen Impfstoffes liege bei Moderna – und letztlich beim amerikanischen Staat. Denn dieser unterstützt Moderna bei der Entwicklung mit 500 Millionen Dollar. Zudem wurde der ehemalige Lonza- und Moderna-Verwaltungsrat Marcel Slaoui zum Chef der US-Beschaffungsbehörde für Impfstoffe ernannt. «Sein Fokus liegt auf Nordamerika, das ist klar», sagt Baehny. Die amerikanische Bevölkerung hätte demnach Vorrang. Doch Moderna und Lonza sind nicht die einzigen Firmen, die an einem Impfstoff tüfteln. Weltweit gibt es gegen 120 Entwicklungsprojekte. Kleine, grosse, staatliche oder private Firmen arbeiten daran, auch in der Schweiz.
Kann eine Schweizer Firma nicht verpflichtet werden, so ein wichtiges Produkt zuerst in der Schweiz zu verkaufen?
Nein, das würde der Wirtschafts- und Handelsfreiheit widersprechen. Und längerfristig kann ein Notrechts-Regime nicht aufrecht erhalten werden. Es würde auch die Wettbwerbs- und Leistungsfähigkeit der involvierten Unternehmen hemmen: Die Kooperation zwischen Firmen, die gegenseitig vom Wissens- und Technologietransfer profitieren, beschleunigt den Erfolg. Die Politik spricht schliesslich mit, wenn es um die Lizenz- oder Patentvergabe geht.
Wir brauchen den fertigen Impfstoff. Ein blosser Bestandteil nützt uns nichts.»
Was macht der Bundesrat für die Versorgung der Schweiz mit einem Corona-Impfstoff?
Das Innendepartement sowie das Verteidigungsdepartement haben den Auftrag gefasst, mit verschiedenen Herstellern zu verhandeln. Zuerst müsse man evaluieren, welche der vielen Kandidaten die Hoffnungsträger sind, mit welchen der Bund zusammenarbeiten könnte, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Medien. Der Bundesrat rechnet mit Kosten von rund 300 Millionen Franken für die erforderlichen Impfdosen. Zu den kursierenden Ängsten, dass die Schweizer Bevölkerung angesichts des Moderna-Lonza-Deals leer ausgehen könnte, sagte Berset: «Uns interessiert das Endprodukt. Wir brauchen einen fertigen Impfstoff, der die Menschen schützt. Ein blosser Bestandteil des Impfstoffs nützt uns nichts.» Mit anderen Worten: Lonza produziert ohnehin nicht den fertigen Impfstoff, den wir benötigen. Also halten wir die Augen anderweitig offen. Doch auch mit dem Basler Konzern würden die Gespräche weitergeführt, sagte Berset. Im Übrigen befasse sich der Bundesrat seit Monaten mit der Impffrage.
Und was ist mit anderen Ländern, die über weniger Ressourcen verfügen?
Daniel Koch, Covid-Verantwortlicher beim Bundesamt für Gesundheit, sagte dazu: «Es ist immer das gleiche Prinzip. Man verhandelt mit den Herstellern. Die Hersteller schauen, dass es eine gewisse Verteilung gibt.» Die Weltgemeinschaft werde mit Sicherheit alles daran setzen, so Koch, dass möglichst überall möglichst viel produziert wird und eine allfällige Knappheit nur vorübergehend ist. Man versuche auch mit der Weltgesundheitsorganisation WHO bestmögliche Gerechtigkeit zu erreichen. «Das hat beim Pandemie-Impfstoff letztes Mal gut geklappt. Ich bin zuversichtlich», sagte er in Anspielung auf die H1N1-Pandemie im Jahr 2009. Damals unterstützten die Schweiz und zahlreiche andere Länder eine internationale Initiative des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, welche dafür sorgte, dass Entwicklungsländer rasch Zugang zum Impfstoff erhielten.
Die Weltgemeinschaft wird alles daran setzen, Gerechtigkeit zu erreichen.»
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