Kampf der Nationen Der weltweite Wettlauf um den Corona-Impfstoff birgt Gefahr
Ein Wirkstoff gegen Covid-19 wird dringend gebraucht. Nationale Alleingänge könnten eine globale Verfügbarkeit jedoch gefährden.
Die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffs gegen das Coronavirus könnte sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen, weltweit aber wird daran gearbeitet. Am Montag etwa meldete das amerikanische Biotech-Unternehmen Moderna erste vielversprechende Ergebnisse von Impfstoff-Tests mit Probanden, schon im Juli soll ein klinischer Grossversuch folgen.
Im Moment gibt es acht grössere Forschungsansätze, vier davon in China, einen in Grossbritannien und drei von US-Unternehmen, wobei der Pharmariese Pfizer mit der deutschen Firma Biontech kooperiert. Erschwert werden könnte ein weltweiter Zugang zu einem Impfstoff gegen Covid-19 allerdings durch nationalistische Alleingänge sowie das Bestreben reicher Nationen, sich ein solches Vakzin zuerst und auf Kosten ärmerer Nationen zu sichern.
USA glänzen durch Abwesenheit
Bei einer von der WHO einberufenen Spenderkonferenz für ein globales Impfprojekt im April glänzten die USA durch Abwesenheit, obwohl Präsident Trump bereits im März versprochen hatte, bei der Entwicklung eines Impfstoffs mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten. «Ich will einein Impfstoff, der funktioniert, und würde es begrüssen, wenn ein anderes Land zuerst damit Erfolg hat», sagte Trump.
Inzwischen gilt diese Haltung als unrealistisch: Es sei «unvermeidlich, dass sich das erste Land, das seine Bevölkerung impfen kann, wirtschaftlich schneller erholen wird als Nationen, die beim Rennen um einen Impfstoff hinten liegen», sagte Scott Gottlieb, der frühere Leiter der US-Arznei- und Lebensmittelbehörde FDA, am vergangenen Mittwoch an einer Konferenz an der Duke University in North Carolina.
«Die Entwicklung eines Impfstoffs ist eine Schlacht, die China nicht verlieren darf.»
Schon zuvor hatte das «Wall Steet Journal» in einem Leitartikel unter der Überschrift «Amerika muss das Rennen um einen Coronavirus-Impfstoff gewinnen» die Meinung vertreten, die USA dürften sich nicht «auf die schnelle Verfügbarkeit von Impfstoffen aus China oder sogar aus Europa» verlassen. In Grossbritannien erwarten Impfstoff-Forscher an der Universität Oxford, deren Projekt eines der am weitesten fortgeschrittenen ist, dass die britische Bevölkerung zuerst geimpft werden wird.
Allerdings erhob sich ein Sturm der Entrüstung, als der Vorstandsvorsitzende des französischen Pharmakonzerns Sanofi in einem Interview mit dem Wirtschaftsdienst Bloomberg erklärte, die USA würden bevorzugt einen Impfstoff erhalten, weil sie die Forschung daran massgeblich finanzierten. Sanofi musste daraufhin einen Rückzieher machen.
In China sind bei der Impfstoff-Entwicklung ebenfalls nationalistische Töne zu vernehmen. So warnte die regierungsnahe Zeitung «Global Times» davor, sich auf Hilfe aus dem Ausland zu verlassen: «Die Entwicklung eines Impfstoffs ist eine Schlacht, die China nicht verlieren darf», hiess es in einem Meinungsbeitrag in dem Blatt.
Arme Nationen könnten leer ausgehen
Besondere Sorge bereitet Virologen und Impfstoff-Experten, dass reiche Länder sich mit Impfstoffen eindecken könnten und arme Nationen das Nachsehen hätten – wie bei der weltweiten Grippe-Epidemie 2009, als Entwicklungs- und Schwellenländer oft keinen Zugriff auf einen Impfstoff hatten.
Für ärmere Länder ist es mit der Produktion eines Vakzins womöglich nicht getan: Ein Impfstoff muss verpackt und transportiert und vielleicht sogar gekühlt werden. Auch dies könnte sich als Hindernis für die globale Bereitstellung erweisen.
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