Analyse zur Rolle des Staates in der KriseWas der Staat kann
Corona hat gezeigt, wie wichtig der Staat ist. So wenig sich der Neoliberalismus zur Bewältigung der Probleme dieser Zeit eignet, so wenig taugt aber auch jener Neodirigismus, den Trump und andere propagieren.
Auf allen Kontinenten kämpfen die Menschen gegen ein Virus, Konzerne, die sich eben noch für die wahren Weltherrscher hielten, betteln um staatliche Hilfe, und die Staaten selbst zaubern Milliardenprogramme aus dem Hut, um den völligen wirtschaftlichen Absturz zu verhindern. Corona wird – wie so viele Krisen zuvor – die Diskussion über die Rolle des Staates einmal mehr verändern.
Wenn die Pandemie schon jetzt eine Erkenntnis gebracht hat, dann die, dass in extremen Notlagen der Staat mit seiner fast grenzenlosen Finanz- und Ordnungsmacht der Einzige ist, der handlungsfähig bleibt. Das zeigen Länder mit effizienten Regierungen und leistungsfähigen Behörden wie die Schweiz oder Deutschland. Umgekehrt ist es kein Zufall, dass gerade in jenen Staaten besonders viele Menschen an Covid-19 sterben, in denen populistische Maulhelden am Ruder sind. Starker Staat, schwacher Staat – das ist dieser Tage buchstäblich eine Frage von Leben und Tod.
Wer einen Staat will, der in der Krise machtvoll agiert, darf denselben Staat in politisch ruhigeren Zeiten nicht ausweiden.
Selbst in Kreisen der US-Republikaner hat Corona eine Debatte darüber entfacht, ob es wirklich sinnvoll ist, den Staat bis aufs Gerippe zu verschlanken. Denn was sich nun zeigt, ist: Wer einen Staat will, der in der Krise machtvoll agiert, darf denselben Staat in politisch ruhigeren Zeiten nicht ausweiden. Es gibt keinen Schalter, der sich im Notfall einfach umlegen lässt und aus einem Gerippe einen starken Krisenmanager macht. Oder anders gesagt: Wer in Friedenszeiten das Verteidigungsministerium abschafft, sollte sich nicht wundern, wenn er den Krieg verliert.
Ein leistungsfähiger Staat ist im anlaufenden Jahrzehnt auch deshalb von so grosser Bedeutung, weil ja neben der Seuchenbekämpfung die Bewältigung vieler struktureller Herausforderungen ansteht: Klimawandel, Alterung der Gesellschaften, Digitalisierung, Armut. Freie Märkte allein werden die Probleme nicht lösen, das hat die Phase von Reagan bis zur Weltfinanzkrise von 2008 gezeigt, die heute, historisch falsch, aber einschlägig, als Zeitalter des Neoliberalismus bezeichnet wird.
Sozialisten und Donald Trump
Allerdings – und das ist die Krux: So wenig sich der Neoliberalismus zur Bewältigung der Probleme eignet, so wenig taugt jener Neodirigismus, wie ihn heute so unterschiedliche Akteure von Sozialisten bis Donald Trump propagieren. Der Wunsch nach einem funktionierenden Gemeinwesen darf nicht dazu führen, dass der Staat dauerhaft alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche dominiert. Dass die Aufstellung stabilerer Leitplanken in Interventionismus und Bevormundung mündet. Dass behördliche Planung die soziale Marktwirtschaft ersetzt.
Die Gefahr, dass der Staat sich zum Dirigenten mit Allmachtsfantasien erhebt, war schon vor Ausbruch der Pandemie virulent – ironischerweise ausgerechnet in den USA, wo Präsident Trump im Ernst glaubte, man könne mithilfe von Dekreten und Strafzöllen ganze Branchen zur Umstrukturierung zwingen, Handelsdefizite abbauen und Konzerne zur Rückkehr in die Heimat bewegen.
Das Beispiel zeigt die ganze Doppelzüngigkeit, die Populisten im Umgang mit dem Staat an den Tag legen: Einerseits leben sie von den Ressentiments, die viele Bürger ihren Politikern und Regierungen entgegenbringen. Zugleich aber benutzen sie die öffentlichen Institutionen zur Durchsetzung ihrer politischen oder gar privaten Agenda. Schon um ihn vor dem Missbrauch durch rechte Scharlatane zu schützen, sollte man dem Staat deshalb nicht jene weitreichenden Kompetenzen einräumen, die ihm ausgerechnet linke Parteien oft zugestehen wollen.
Die Rolle der Zivilgesellschaft
Notwendig ist vielmehr eine neue Balance zwischen einem leistungsfähigen Staat, der seine Befugnisse nutzt, um die Bürger zu schützen, sich gegen Krisen zu wappnen und den wirtschaftlichen Wettbewerb zu moderieren, sowie robusten Unternehmen und einer starken Zivilgesellschaft, in der Menschen in Freiheit und persönlicher Verantwortung an der Mehrung des Gemeinwohls arbeiten. Wenn diese Balance gelingt, dann hätte die Corona-Pandemie auch ihr Gutes gehabt.
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