Euro-Franken-Kurs noch gut 1.04Richtung Parität – und doch ganz anders
Der Euro-Franken-Kurs ist so tief wie seit sechs Jahren nicht mehr. Damals zitterte die Wirtschaft. Heute hat die Entwicklung aber eine neue Bedeutung.
Erstmals seit 2015 ist der Franken zum Euro wieder unter den Kurs von 1.05 Franken gefallen. Was bedeutet das, was ist die Ursache, und sind Franken und Euro bald gleich viel Wert? Die wichtigsten Punkte:
Gleiche Kurse, andere Bedeutung
Ein günstigerer Euro steht für einen stärkeren Franken. Die Aufwertung im Jahr 2015 war ein Alarmsignal. Die Schweizer Exporteure mussten befürchten, gegenüber ihren Konkurrenten im Ausland zu teuer zu werden.
Ausgelöst wurde die Frankenaufwertung damals, weil die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 die Kursuntergrenze von 1.20 Euro pro Franken aufgehoben hat. Angesichts der sehr raschen und starken Aufwertung war die Angst damals gross, dass die Schweiz in eine schwere Rezession schlittert. Dazu ist es allerdings nicht gekommen.
Die Aufwertung des Frankens ist diesmal auch sonst weniger problematisch. Sie ist jetzt bei weitem nicht so dramatisch wie zu Beginn des Jahres 2015. Seit Mitte September ist der Euro-Preis von mehr als 1.09 Franken auf unter 1.05 Franken gefallen. Im Januar 2015 dagegen fiel er von 1.20 Franken innert Tagen auf zeitweise unter 1 Franken pro Euro.
Die Wirkung der Teuerung
Noch wichtiger ist aber: Die gleichen Kurse haben heute eine andere Bedeutung. Das liegt an der unterschiedlich hohen Teuerung in den Ländern. Gemäss dem harmonisierten Verbraucherpreisindex sind die Preise in der Eurozone seit dem Januar 2015 um 11,4 Prozent angestiegen, in Deutschland als wichtigster Exportdestination der Schweiz sogar um beinahe 13 Prozent.
In der Schweiz dagegen sind sie im gleichen Zeitraum nur um 1,4 Prozent angestiegen. Während ein teurerer Franken Schweizer Exporte für sich gesehen verteuert, werden sie durch den Unterschied in den Teuerungsraten für Ausländer billiger.
Angesichts des Unterschieds in den Inflationsraten ist eine Aufwertung des Frankens sogar zu erwarten. Denn wenn die Preise in der Schweiz weniger stark steigen als im Ausland, ist es nur normal, dass sich der höhere Kaufkraftverlust des Euro in einem sinkenden Wert der Gemeinschaftswährung niederschlägt und damit in einem teureren Franken.
Aktuell sind die Unterschiede in der Teuerung sogar besonders gross: Während das Preisniveau im Oktober in der Schweiz über ein Jahr um 1,2 Prozent angestiegen ist, waren es in der Eurozone 4,1 Prozent und in den USA sogar 6,2 Prozent.
Bleibt die Teuerung wie bisher auch in Zukunft in der Eurozone höher als in der Schweiz, wird der Euro irgendwann in Zukunft nicht mehr als einen Franken oder sogar weniger kosten, genau so, wie das beim Dollar geschehen ist. Wann es so weit sein wird, ist aktuell nicht absehbar.
Was aktuell die Währungen treibt
Der Unterschied zwischen den Inflationsraten in der Eurozone und jenen in der Schweiz erklärt die jüngste Aufwertung des Frankens zum Euro aber ungenügend. Denn der Euro hat trotz der im Vergleich zu den USA tieferen Inflation in der Eurozone auch gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verloren. Noch im Mai kostete der Euro mehr als 1.22 Dollar, jetzt kostet er weniger als 1.13 Dollar und damit fast 10 Cent weniger. Die Veränderung des Dollarkurses in Franken hielt sich dagegen in Grenzen.
Hauptgrund für den Taucher des Euro ist die Einschätzung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch lange an ihren Tiefst- bis negativen Leitzinsen festhalten wird. Das betont bisher auch EZB-Chefin Christine Lagarde bei jeder Gelegenheit.
Anders in den USA. Dort wird angesichts eines dreissigjährigen Höchststands bei der Teuerung erwartet, dass die Notenbank Fed schon im nächsten Jahr den Leitzins anhebt. Höhere erwartete Zinsen machen Anlagen in Dollar attraktiver als solche in Euro.
Für die aktuelle Stärke des Frankens wird an den Devisenmärkten aber auch das klassische Argument des «sicheren Hafens» ins Feld geführt. Die Schweizer Währung wird bei grossen weltweiten Unsicherheiten immer wieder wegen ihrer legendären Stabilität nachgefragt.
Für Unsicherheit sorgt aktuell nicht nur die Frage, wie es mit der Inflation und damit den Zinsen weltweit weitergeht. Bedeutung haben auch Turbulenzen an den Devisenmärkten selbst. Das augenfälligste Beispiel ist der dramatische Absturz der türkischen Währung Lira als Folge von Zinssenkungen der dortigen Notenbank. Dies, obwohl sich die Inflation des Landes bereits auf 20 Prozent beläuft und dadurch weiter angeheizt wird.
Die Nationalbank hält sich zurück
Dass die Schweizerische Nationalbank die Zinsen vor der EZB erhöht, ist so gut wie ausgeschlossen. Angesichts einer vergleichsweise tiefen Inflation in der Schweiz und des wieder stärkeren Frankens hat sie auch wenig Grund dazu.
Gegen die jüngste Aufwertung ist sie ebenfalls nur mässig aktiv. Gemessen an den Giroguthaben der Banken hat sie in den letzten Wochen zwar an den Devisenmärkten interveniert, die dafür aufgeworfenen Summen sind allerdings im Vergleich mit früheren Interventionen gering. In der letzten Woche blieb sie gemäss jüngsten Daten so gut wie untätig.
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