Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Von Kopf bis Fuss: Alkohol gegen Angst
Warum sich Sorgen nicht ertränken lassen

Wer sich in seelischer Schieflage befindet, sollte die Finger von Alkohol lassen – es könnte sich rächen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Auch wenn dieses Jahr die Weihnachts-Apéros und Firmenessen aufgrund der Pandemie wohl spärlicher ausfallen, wird sich deswegen der Alkoholkonsum wohl kaum verringern. Einen guten Grund, eine Flasche zu öffnen, um allein, zu zweit oder in einer Gruppe anzustossen, gibt es bekanntlich immer. Und falls sich beim besten Willen kein Grund finden lässt, dann trinken wir einfach, weil wir davon überzeugt sind, dass etwas Wein oder ein Drink unsere Laune hebt. Und wer bräuchte in diesen unsicheren Zeiten nicht manchmal ein bisschen flüssiges Wohlgefühl?

Schliesslich ist allgemein bekannt, dass ein Glas Wein, ein Bier oder auch ein härterer Drink entspannend wirken. Moderates Trinken alkoholischer Getränke lindert Ängste, macht uns lockerer und lässt uns die Welt etwas positiver sehen. Doch stimmt das wirklich?

Eine amerikanische Studie kommt zu einem ernüchternden Resultat: Negative affektive Zustände wie Ängste und Depressionen würden durch den Alkoholgenuss eher verstärkt als gelindert. Unter affektivem Verhalten versteht man, dass man etwas aus einer impulsiven Gefühlsregung heraus macht. Das würde also bedeuten, dass, wenn man aus einer niedergeschlagenen Stimmung heraus trinkt, diese nicht besser wird, sondern sich noch zusätzlich verschlechtert.

«Negative affektive Zustände» verstärkt

Für diese Studie entwickelten die Psychologin Andrea M. Wycoff von der University of Missouri und ihr Team ein differenziertes Befragungssystem, um das Verhalten und die Stimmung von 110 Testpersonen zu erfassen. Es handelte sich um Frauen und Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die angaben, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken und die nicht beabsichtigten, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren. 52 der Probanden litten an einer diagnostizierten Borderline-Persönlichkeitsstörung, die übrigen 58 galten als «psychisch gesund».

Die Probanden wurden mit einem tragbaren digitalen Assistenten ausgerüstet, auf welchem sie während drei Wochen mehrmals täglich verschiedene Fragen beantworten mussten – nach dem Aufwachen, jeweils nach dem Trinken eines alkoholischen Getränkes sowie zu sechs weiteren zufälligen Zeitpunkten. Sobald sie angaben, Alkohol konsumiert zu haben, erfolgten innerhalb von drei Stunden weitere Befragungen. Die Fragen drehten sich um die Gründe für das Trinken und um die Gefühle und Stimmungen.

Bei diesen mehrstufigen Befragungen zeigte sich, dass beide Probandengruppen durch den Alkoholkonsum erwarteten, dass sich ängstliche oder depressive Gefühle verringern würden. Die detaillierten Befragungen ergaben jedoch, dass sich die «negativen affektiven Zustände» entgegen dem vordergründigen Empfinden der Probanden nicht wirklich verbesserten. Vielmehr hätten sich bei beiden Gruppen die depressiven Gefühle sogar noch verstärkt.

«Wer Alkohol mit dem Ziel trinkt, negative Emotionen zu vertreiben, erreicht demnach im besten Fall nichts oder verschlimmert die finsteren Gedanken», kommentiert der Psychologe Joachim Retzbach auf Spektrum.de die Resultate der Studie.

Ein doppelt so schwerer Kater

Die überraschenden Studienergebnisse stiessen in diversen Wissenschaftsportalen auf reges Interesse, weshalb schon bald grösser angelegte Studien folgen dürften. Nichtsdestotrotz lässt sich schon jetzt eine wohl vernünftige Regel ableiten: Wer sich in einer gefühlten seelischen Schieflage befindet, sollte besser nicht zu flüssigen Stimmungsaufhellern greifen. Denn da bereits nach einer fröhlich durchzechten Nacht auch die körperlichen Folgen eines Katers ziemlich unangenehm sind, könnte sich dieser Kater beim Versuch, seine Sorgen und Ängste im Alkohol zu ertränken, gar verdoppeln.

Oder wie ist es mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Konnte Sie ihre Sorgen schon erfolgreich und anhaltend ertränken? Oder rächen sich diese Versuche meist beim nächsten Morgengrauen? Ich freue mich, in der Kommentarspalte davon zu erfahren.