Zum Schutz von SüchtigenWas, wenn Alkohol nur noch «beim Staat» gekauft werden könnte?
Mit dem Angebot von Bier und Wein in Migros-Filialen würde eine alkoholfreie Bastion für Abhängige fallen. Nun wälzt eine Nationalrätin eine Idee, die in Skandinavien gelebt wird.
Die Migros hat entschieden: Sie will künftig Alkohol verkaufen. Im Vorfeld der Abstimmung an der Delegiertenversammlung warnten Suchtorganisationen vor diesem Schritt. Nun bringt eine Aargauer EVP-Nationalrätin eine neue Idee auf den Tisch.
Lilian Studer war bis vor kurzem Geschäftsführerin der Suchtfachstelle Blaues Kreuz Aargau/Luzern. Ihr schwebt vor, dass künftig Alkohol nicht mehr bei Coop, Denner oder eben bei der Migros verkauft wird. Sondern in Läden, die nur diesen Zweck haben – also separate Monopolläden für Alkohol. Sie sagt: «Die Migros war bisher ein Glücksfall für Leute, die alkoholsüchtig sind. Wir haben unseren Klientinnen und Klienten jeweils geraten, in der Migros einkaufen zu gehen».
Der Grund: Mit dem Fehlen der Alkoholika in den Regalen der Migros entfällt die Versuchung, denen die Alkoholkranken ausgeliefert sind. Studer will nun vom Bundesrat wissen, ob er sich Gedanken darüber macht, separate oder allenfalls staatlich geführte Alkoholläden einzuführen, und fragt nach den Vor- und Nachteilen.
Trinken ab 18 Jahren, Einkaufen ab 20
Dass Studer gerade diese Idee nun aufbringt, ist keine Überraschung. Sie ist halbe Norwegerin, und in skandinavischen Ländern sind solche Läden verbreitet. So gibt es etwa im Isländischen einen stehenden Ausdruck dafür, in einen solchen Laden einzukaufen: «fara i rikid» – «zum Staat gehen». Der klingende Namen der Verkaufsstellen: Vínbúðin – Weinladen.
Die Auswahl an Alkoholika in solchen Läden ist reichlich und wegen hoher Steuern vergleichsweise teuer. Noch teurer ist der Offenausschank in den Bars und Restaurants im Land, weil der Staat hier mit zusätzlichen Gebühren den Preis erhöht. Auf der dünn besiedelten Insel kann es zuweilen eine lange Autofahrt mit sich bringen, bis man einen solchen Laden findet.
In Schweden hat das staatliche Unternehmen Systembolaget die gleiche Funktion. In seinen Läden darf man erst ab 20 Jahren einkaufen, obwohl in Restaurant und Bars bereits ab 18 Jahren Alkohol konsumiert werden darf. Auch in Norwegen, Finnland oder auf den Faröer-Inseln sind solche staatlich-kontrollierten Alkoholverkaufsstellen verbreitet.
Diese staatlich kontrollierten Monopolisten sind ursprünglich ins Leben gerufen worden, um den Alkoholkonsum einzudämmen und zu kontrollieren. Sie bestehen seit Jahrzehnten. Denn Alkoholsucht war ein grosses Thema in skandinavischen Ländern.
Von so strikten Massnahmen ist die Schweiz noch weit entfernt: «Es ist mir bewusst, dass es schwierig sein wird, solche Läden in der Schweiz einzuführen. Aber es geht mir darum, dass wir Alternativen prüfen», sagt Lilian Studer. Der beste Fall wäre in ihren Augen aber immer noch, wenn sich die einzelnen Migros-Genossenschaften gegen eine Einführung von Alkohol in den Läden aussprechen würden.
Denn noch ist nicht endgültig klar, ob die Migros tatsächlich ab frühestens 2024 Alkohol in den Filialen verkaufen wird. Es fehlen die Abstimmungen in den regionalen Genossenschaften.
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