Es stockt im Metaverse Warum sich Mark Zuckerberg plötzlich versteckt
Facebook steckt fest. Die Umbaupläne von Zuckerberg sind verschwommen, der Unternehmenswert hat sich halbiert. Doch der Boss hüllt sich in Schweigen.
Kein anderer Tech-Riese wurde seit letztem Herbst mehr gerupft als Facebook. In nur sechs Monaten ist der Marktwert um die Hälfte geschrumpft mit der Folge, dass die Angestellten mit ihren Optionen hohe Verluste erlitten haben. Das drückt auf die Moral der «Metamates», wie Zuckerberg neustens die Angestellten nennt. Auch er sah sein Aktienpaket auf 68 Milliarden Dollar halbiert, womit er aus der Liste der zehn Reichsten der Welt verschwunden ist.
Das dürfte ihm allerdings gar nicht ungelegen kommen. Wenn er aus den Schlagzeilen verschwindet, passt das zu einer neuen Strategie, die mit dem Krieg in der Ukraine eine erste Bewährungsprobe bestehen muss. Als Zuckerberg im vergangenen Monat Nick Clegg beförderte, wurde das kaum zur Kenntnis genommen, und doch ist es ein entscheidender Schritt, den Konzern aus einer tiefen Vertrauenskrise zu lösen.
«Die Leute schämen sich, für Facebook zu arbeiten.»
Der ehemalige stellvertretende britische Premierminister war seit 2018 für die internationale Kommunikation verantwortlich, aber Zuckerberg und dessen peinliche Auftritte im US-Kongress und bei der EU-Kommission machten es ihm schwer, das Ansehen des Unternehmens zu verbessern. Je mehr sich Zuckerberg exponierte, desto mehr wurde er zur Hypothek des Unternehmens.
Kein anderes Hightechunternehmen im Silicon Valley geniesse weniger Respekt und verliere mehr Topleute als Facebook, meint Kara Swisher, «New York Times»-Podcasterin und eine der besten Kennerinnen des Silicon Valley. «Die Leute schämen sich, für Facebook zu arbeiten.»
«Mark hat Angst»
Diese Missstände soll Nick Clegg beheben. Er soll Facebook ein politisches Gewicht geben, das Zuckerberg nie hatte. Er soll eine Sprache sprechen, die verstanden wird. Mit dem Krieg in der Ukraine hat er die erste Chance, sich zu profilieren.
Als die russische Regierung Anfang März die sozialen Medien in die Mangel nahm, reagierte er sofort und erklärte, Facebook werde den Zugang zur Plattform trotz der russischen Einschüchterung offenhalten, die Reaktion international koordinieren helfen und neue Sicherheitsvorkehrungen in die Plattform einbauen.
Zuckerberg dagegen äusserte sich bisher mit keinem Wort zu diesem Angriff auf die Informationsfreiheit. Doch für immer kann er sich nicht aus dem Rampenlicht nehmen. «Er kann davonrennen, aber er kann sich dem politischen Druck nicht entziehen», sagt Katie Harbath, die zehn Jahre Managerin für politische Angelegenheiten für Facebook war, bevor sie nach dem versuchten Staatsstreich im Januar 2021 kündigte. «Ich bin zutiefst enttäuscht von Zuckerberg.»
Er sei nicht mehr fähig, die tief liegenden Probleme der Plattform zu lösen, sagte sie dem «Wall Street Journal». Facebook sei derart mit dem Krisenmanagement beschäftigt, dass die langfristige Planung – insbesondere mit Blick auf die Wahlen 2024 – zu kurz komme.
Zwar sind auch andere Techbosse in den Schatten getreten, darunter Jeff Bezos und Bill Gates. Doch keiner hat dabei eine totale Kontrolle über das Unternehmen behalten wie Zuckerberg. Der Preis allerdings sei seine zunehmende Isolation, sagt Frances Haugen, die als Whistleblowerin mit Tausenden von Dokumenten die Diskrepanz zwischen dem beschwichtigenden und dem ruchlosen Zuckerberg aufgedeckt hat. «Je mächtiger er wurde, desto mehr entfernte er sich von der Öffentlichkeit. Mark hat Angst, aber er wird eines Tages aufwachen und erkennen, dass er nicht mehr länger in Angst leben kann.»
Der erste Versuch, aus der Blockade auszubrechen und den Konzern auf die neue Basis des Metaversum auszurichten, konnte die Investoren nicht überzeugen. Nachdem Zuckerberg im vergangenen Herbst überraschend seine Metaversum-Pläne bekannt gab, begann der Absturz der Facebook-Aktie, der sich seit Jahresbeginn beschleunigt hat und über 500 Milliarden Dollar an Marktwert vernichtet hat. Diese heftige Reaktion zeigt, dass Zuckerberg mit seiner Botschaft nicht angekommen ist.
Ein wesentlicher Grund ist, dass das Metaversum im besten Fall in fünf Jahren Fuss fassen wird und dass Apple, Microsoft und Google aus der Optik zahlreicher Marktexperten die besseren technischen Voraussetzungen haben.
Geldregen hat Sicht vernebelt
Diese Ungewissheit sei ein weiterer Grund, weshalb Clegg die Metaversum-Pläne dem Publikum und den Politikern schmackhaft machen soll, sagt Roger McNamee, einer der ersten Berater und Investoren von Zuckerberg, von dem er sich allerdings distanziert hat. «Clegg wurde befördert, um Zuckerberg in Zukunft den Auftritt an politischen Anhörungen zu ersparen.» Ob das akzeptiert wird, ist fraglich. Wenn Apple oder Google den Boss an eine Anhörung schicken, so wird sich Zuckerberg nicht drücken können.
Viele Facebook-Mitarbeiter hätten das Missmanagement zähneknirschend toleriert, sagt Scott Galloway, Marketingprofessor der New York University, aber nur so lange, als die Kasse stimmte. Das habe sich mit dem Kurssturz an der Börse geändert, da ihre Optionen tief gefallen seien. Optionen aber sind ein wichtiger Teil des Lohnpakets und ein Motivator.
Doch nun wird es längere Zeit brauchen, bevor die Optionen mit einem Gewinn eingelöst werden können, wenn überhaupt. Das schlage auf die Moral, sagt Galloway. Andererseits dürfte Zuckerberg noch mehr gefordert sein, wenn der Geldregen ausbleibe und die Angestellten «plötzlich einen neuen moralischen Kompass finden».
Fehler gefunden?Jetzt melden.