Never Mind the Markets: TeuerungstheorieWarum Notenbanken Inflation mögen
Nationalbanken erhoffen sich von der Teuerung, ihren Handlungsspielraum zurückzubekommen – und mit dem Leitzins wieder Einfluss nehmen zu können.
Obwohl die Preise deutlich ansteigen, halten grosse Notenbanken wie die Europäische Zentralbank und das US-Fed an ihrer überaus expansiven Geldpolitik vorerst fest. Jüngst haben beide sogar ihre Zielsetzung dahingehend geändert, dass sie künftig eine höhere Inflation akzeptieren wollen. Die Teuerung soll für einige Zeit mehr als 2 Prozent betragen dürfen. Keine entsprechende Änderung plant hingegen die Schweizerische Nationalbank.
Die Sorge der Notenbanken gilt wie schon in den vergangenen Jahren nicht einer zu hohen, sondern einer zu tiefen Teuerung. Die aktuellen Preissteigerungen halten sie für vorübergehend.
Woher aber kommt das Interesse der Notenbankerinnen und Notenbanker an höheren Preisen, die doch immerhin die Kaufkraft ihres Geldes schwächen? Auf den Punkt gebracht, bedeutet eine zu tiefe Inflation, dass Notenbanker ihren wichtigsten Einfluss verlieren, jenen auf das Zinsniveau.
Die grosse Frage für die Zukunft ist aber, ob sich die Notenbanken mit ihrer höheren Akzeptanz von Inflation nicht zu sehr an der Vergangenheit orientieren.
Hier der Mechanismus: Je tiefer die Teuerung ist, desto tiefer sind auch die Nominalzinssätze, also die Zinssätze, wie sie ausgeschrieben sind. Beeinflussen können die Notenbanken mit ihrem Leitzins nur diese Nominalzinssätze. Und beide können nicht deutlich unter null Prozent fallen.
Für die Wirtschaft entscheidend ist aber der kaufkraftbereinigte, sogenannte Realzinssatz. Das ist grob der Nominalzinssatz abzüglich der Teuerungsrate. Ein Beispiel verdeutlicht das Problem: Ein Realzins von null Prozent entspricht bei einer Inflation von zwei Prozent einem Nominalzins von ebenfalls zwei Prozent und eine Notenbank kann die Zinsen bei Bedarf weiter senken.
Beläuft sich aber auch die Inflation bei diesem Realzins auf null Prozent, ist auch der Nominalzins null Prozent, und die Notenbanken kommen an ihre Grenzen.
Mit diesem Problem schlagen sich die Notenbanken angesichts tiefer struktureller Realzinsen und einer bisher ebenfalls geringen Inflation seit der Finanzkrise herum. Als Gegenreaktion haben sie einst für verrückt gehaltene Massnahmen wie Negativzinsen und massive Anleihenkäufe eingeführt, um auf diesem Weg weiter Einfluss auf das reale Zinsniveau zu erhalten.
Die grosse Frage für die Zukunft ist aber, ob sich die Notenbanken wie die EZB oder das Fed in den USA mit ihrer höheren Akzeptanz von Inflation nicht zu sehr an der Vergangenheit orientieren. So oder so dürfte es angesichts steigender Preise schwieriger werden, das Ziel einer höheren Inflation der Bevölkerung zu erklären.
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