Katastrophenfilm «Don’t Look Up»Warum Klimaforscher ihn lieben – und Filmkritikerinnen ihn hassen
Der Film «Don’t Look Up» ist nur mittelmässig, richtet die Kamera aber auf einen wunden Punkt unserer Gesellschaft.
Spätestens seit der Corona-Pandemie dürfte die Situation vielen bekannt vorkommen: Epidemiologinnen und Virologen warnen vor einer ernsthaften Gefahr für die Gesundheit, sprechen sich für das Tragen von Masken und für einen harten Lockdown aus, um das Schlimmste für die Bevölkerung und die Spitäler abzuwenden. Doch die Politik ignoriert die Warnungen weitgehend, schmust lieber mit der Wirtschaft und nimmt damit unnötig Todesopfer in Kauf.
Vor allem für Klimaforschende ist die Corona-Pandemie ein Déjà-vu. Sie warnen seit Jahrzehnten vor den dramatischen Folgen der menschgemachten Erderwärmung, vor zunehmenden Dürren und Starkregen, vor Meeresspiegelanstieg und Hitzestress. Aber viele Politiker und Teile der Bevölkerung hören eher auf einflussreiche Lobbyisten der fossilen Branche und lassen sich von deren Scheinargumenten benebeln.
Verzweifelte Forscherin, lächelnde TV-Moderatoren
Der Film «Don’t Look Up» handelt zwar weder von Klimawandel noch von Corona. Tatsächlich wurde das Filmskript verfasst, bevor die Pandemie überhaupt ausbrach. Vielmehr thematisiert der Film die bedauernswerte Situation von Epidemiologen und Klimaforscherinnen anhand eines Kometen, der treffsicher in Richtung Erde rast. Die trumpeske US-Präsidentin Janie Orlean schlägt die Warnungen der Astronomin Kate Dibiasky und ihres Doktorvaters Dr. Randall Mindy in den Wind. Ein superreicher Smartphone-Guru möchte lieber an die im Kometen schlummernden Rohstoffe herankommen als die Menschheit retten. Während Dibiasky verzweifelt in die Kamera schreit: «Sind wir nicht deutlich? Wir alle werden zu 100 Prozent verdammt noch mal sterben!», lächeln die TV-Moderatorin Brie Evantee und ihr Kollege Jack Bremmer die existenzielle Krise mit strahlend weissen Zähnen einfach weg.
Lustig ist das natürlich nur bedingt. Das mag ein Grund sein, warum der als Melange zwischen Komödie und Satire realisierte Film von Regisseur Adam McKay bei vielen Kritikern und Zuschauern eher mittelmässig ankommt. Der Film «funktioniert weitgehend über Running Gags. Der Rest ist Konfusion vor und hinter der Kamera, und das will bei diesem Traum-Cast etwas heissen», schreibt die Kulturredaktion dieser Zeitung in den Streaming-Tipps für die Feiertage. Der Film sei «plump», heisst es in «Rolling Stone», er sei «schrill», schreibt «The Guardian».
Der Film trifft einen Nerv der Zeit
Und doch trifft der Film einen Nerv der Zeit. «Ich bin ein Klimawissenschaftler», schreibt Peter Kalmus vom Jet Propulsion Laboratory der US-Weltraumbehörde Nasa ebenfalls in «The Guardian». Der Film «zeigt den Idiotismus, den ich jeden Tag sehe».
Ähnlich äussert sich der renommierte Klimaforscher Michael Mann im «Boston Globe». Der Film erreiche sein Ziel, nicht weil er lustig und unterhaltsam sei, «sondern weil es sich um einen ernsthaften, soziopolitischen Kommentar handelt, der sich als Komödie präsentiert».
Auch wenn der Film trotz Starbesetzung mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep und Cate Blanchett wenig mehr bietet als Situationskomik, die zudem nur teilweise lustig rüberkommt, muss man ihm eines lassen: Er zeigt das Versagen von Politik, Wirtschaft und Medien in Anbetracht existenzieller Krisen schonungslos auf. Es ende tragisch für die Menschheit, so die Botschaft des Films, wenn die Wissenschaft von der Politik weitgehend ignoriert werde, wenn Wirtschaftsvertreter selbst in der grössten Krise nur das Geschäft witterten, wenn Medien keinen anderen Leitfaden kennten als die Einschaltquote und wenn den Menschen der Social-Media-Status über alles gehe.
Fehler gefunden?Jetzt melden.