Neuer WettstreitWarum der E-Yuan bei den Notenbanken Panik auslöst
Mit der Einführung einer digitalen Währung befeuert China vor allem die Ängste der westlichen Zentralbanken, die Kontrolle über das Geld zu verlieren.
Wie kein anderes Land der Welt schreitet China mit der Einführung einer staatlichen digitalen Ausgabe seiner Währung Yuan Renminbi voran. Bereits mehr als 500’000 Personen können das Geld in einer Pilotphase nutzen, später sollen es alle sein. Und China setzt überdies darauf, dass das neue Geld auch international Anwendung findet.
Chinas Vorgehen ist ein Schock für die Notenbanken weltweit, und es droht zu einem neuen Wettlauf der Währungen zu führen. Einfach zu benutzendes, von einer Grossmacht gestütztes Geld könnte andere Währungen zumindest teilweise verdrängen, so die Befürchtung.
In den USA befürchtet man eine Schwächung der internationalen Führungsrolle des Dollars.
Ein Hinweis für den anlaufenden Wettbewerb liefert auch ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Europäischen Zentralbank. Aus diesem wird deutlich, dass auch sie sich von einem künftigen digitalen Euro erhofft, die internationale Rolle der Währung deutlich zu steigern. Von einer Umsetzung ist sie aber noch weit entfernt.
In den USA sorgt Chinas digitales Geld dagegen seit Wochen für Unruhe. Dort befürchtet man eine Schwächung der internationalen Führungsrolle des Dollars. In einer Videobotschaft versicherte Fed-Präsident Jerome Powell auf der Website, dass auch die USA sich seit längerem mit der Möglichkeit eines digitalen Dollars befassten und das Land mit eine führende Rolle spielen wolle. Für den Sommer kündigte er ein umfassendes Diskussionspapier an, das Chancen und Risiken beleuchten soll.
Wenig Interesse bei der SNB
Studien zu und Versuche mit digitalem Notenbankgeld gibt es jedoch schon zuhauf. Mehr als 50 Notenbanken arbeiten an Projekten dazu oder unternehmen Tests. Das gilt auch für die Schweizerische Nationalbank (SNB). Zusammen mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betreibt sie das 2019 gegründete Innovationszentrum (BIS Innovation Hub) zur Erforschung unter anderem von Notenbank-Digitalgeld.
Im Rahmen des Projekts Helvetia wurde bereits ein erfolgreicher technischer Test absolviert. An diesem Projekt ist auch die SIX Group als Betreiberin der Börse und der Finanzmarktinfrastruktur beteiligt. Von einem digitalen Franken für die Bevölkerung will man bei der SNB bisher aber nichts wissen, wie deren Präsident Thomas Jordan und andere Vertreter des Instituts schon verschiedentlich erklärt haben. Einzig für den Geldverkehr mit und zwischen den Banken wird digitales SNB-Geld bisher geprüft.
Das Vorgehen der Chinesen ist nur ein Aspekt einer Revolution, die in der Welt des Geldes stattfindet und die Notenbanker weltweit befürchten lässt, ihren Einfluss zu verlieren. Denn bisher sind sie die Einzigen, die gesetzliches Geld schaffen können, und an dieser Möglichkeit hängt ihr einmaliger Einfluss auf das Finanzsystem generell.
Die Ursache der Ängste
Im Notfall können sie durch ihre Möglichkeit, aus dem Nichts Geld zu schöpfen, sowohl Banken als auch die Regierung vor dem Konkurs retten. Diese Funktion der Notenbanken bietet in einer Finanzkrise die einzige Möglichkeit, das System zu stabilisieren. Dafür wurden sie ursprünglich auch geschaffen.
Darüber hinaus haben Notenbanken mit ihrem Privileg der Geldschöpfung mehr Möglichkeiten, die Konjunktur zu steuern, als jede andere Institution. Sie können damit für tiefere oder höhere Zinsen sorgen, je nachdem, ob Inflation droht oder eine hohe Arbeitslosigkeit. Kein Wunder machen sie sich Sorgen um ihren Einfluss.
Bitcoin und andere Digitalwährungen haben sich bisher als relativ kleine Gefahr für die Macht über das Geld erwiesen. Sie sind hochspekulative Anlagen, denen gerade wegen ihrer starken Kursausschläge die wichtigste Funktion von Geld als Zahlungsmittel fehlt: Wertstabilität.
Viel beunruhigender für die Notenbanken war der einstige Plan von Facebook, aus der Schweiz heraus mit dem Libra eine stabile private Währung (Stablecoin) zu schaffen. Dass sich Libra anders als Kryptowährungen wie Bitcoin auf bestehende Währungen hätte beziehen sollen, hat wenig beruhigt. Der Druck von Notenbanken und Behörden veranlasste Facebook schliesslich dazu, das Projekt unter dem Namen Diem deutlich zu reduzieren, nur noch auf den US-Dollar zu beziehen und die Lancierung statt aus der Schweiz jetzt aus den USA heraus zu planen.
Die Macht über das Geld hat auch eine grosse strategische Bedeutung.
Doch selbst die Pläne von Facebook erscheinen harmlos im Vergleich zu einer digitalen chinesischen Währung. Denn die Macht über das Geld hat auch eine grosse strategische Bedeutung. Deshalb haben die siegreichen Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg ganz gezielt auch auf politischem Weg ihrem Dollar weltweite Dominanz verschafft.
Dass die USA, andere Notenbanken und die Schweiz dennoch zurückhaltend bleiben, liegt daran, dass eine digitale Notenbankwährung das bestehende Bankensystem gefährdet. Wer derzeit digital oder bargeldlos bezahlt, nutzt nicht das Geld der Notenbank, sondern jenes von Geschäftsbanken.
Wird es möglich, direkt von Notenbanken geschaffenes digitales Geld für bargeldlose Zahlungen zu nutzen, braucht niemand mehr ein Bankkonto. Und weil der Notenbank das Geld nie ausgehen kann, ist es bei ihr sicherer als bei jedem privaten Institut. Gefahren für das bestehende Bankensystem abzuwenden, ist die grösste Herausforderung bei den Plänen für eine digitale Notenbankwährung.
Die mit dem digitalen Geld noch erhöhte Kontrolle des Staates über seine Bürgerinnen und Bürger steht dem Vorgehen in China nicht im Weg.
Solche Sorgen hat China nicht. Die grössten Banken des Landes sind ohnehin staatlich, sodass sich wenig daran ändert, ob die Leute bei diesen oder bei der Notenbank ihr Geld halten. Auch die mit dem digitalen Geld noch erhöhte Kontrolle des Staates über seine Bürgerinnen und Bürger steht dem Vorgehen dort nicht im Weg. In unseren Breitengraden könnte sich gerade dieser Aspekt allerdings als Hemmschuh für digitales Notenbankgeld erweisen.
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