Papablog: Schreiende ElternWann werden Sie laut mit Ihren Kindern?
Lautstärke sei ein Zeichen von Schwäche, sagt man. Der Autor weiss das, flippt hin und wieder aber trotzdem aus. Was tun?
«Schaut, es ist wie beim Handy», sage ich zu Junior und der Kleinen. «Am Morgen ist der Akku voll, der Balken fett und grün, aufgeladen.» Die Kinder sitzen still vor mir auf dem Sofa. «Und am Abend, nach einem anstrengenden Tag, kann es sein, dass das Strichlein rot, die Zündschnur kurz ist.» Und: «Wenn dann jemand aus der Firma trotz x-fachem Auffordern dieses oder jenes doch noch ausleert, liegenlässt, daneben macht, verschmiert, fallenlässt, rumschmeisst, nicht auftischt, nicht abräumt, nicht erledigt, nicht anzieht oder sonst irgendwie nicht spurt – die Palette ist beliebig erweiterbar – dann kommt es vor, dass der Geschäftsleiter die laute Trompete auspackt.»
Klingt wie eine Entschuldigung, ist aber eher eine Erklärung – oder vielleicht ein bisschen beides. Was ist los?
Meist ruhig, manchmal laut
Zuerst die Einsicht: Eltern, die ihre Kinder anschreien, haben etwas Entscheidendes nicht begriffen, nämlich, dass es nichts bringt, die Kinder anzuschreien. Nun zur Herausforderung: Kids können einen zur Weissglut treiben, zum Beispiel, wenn sie… (fügen Sie hier Ihren «Lieblingsgrund» ein).
Und jetzt zur Praxis: Auch wenn ich es inzwischen meist schaffe, in entsprechenden Situationen relativ ruhig, vielleicht bestimmt, manchmal streng zu reagieren, mache ich ab und zu eine Ansage, für die eigentlich eine Lärmbewilligung nötig wäre. Okay, ganz so schlimm ist es nicht. Trotzdem: Kinder lautstark zusammenzufalten, ist eine zweifelhafte Sportart, die kaum jemals olympisch sein wird.
Lautstärke hinterlässt ungute Gefühle
Eltern sind keine Maschinen. Ein Alibi? Nein, eine Tatsache. Aber ist es deshalb gerechtfertigt, mal ein lautes Wort zu verlieren? Ist es menschlich, nötig, angebracht, damit die Kids raffen, dass hinter der Erwachsenenfassade durchaus auch ein Wesen steckt, das nicht unbegrenzt belastbar ist? Nein. Ja. Vielleicht. Ich weiss es nicht.
Wer laut wird, schwächelt, das ist meine Auffassung. Denn während die Sekunden der Eskalation für einen Druckabbau sorgen, fühlt sich das Ganze letztlich überhaupt nicht gut an – nicht für die Kids, nicht für mich. Die Lautstärkenentgleisung führt mir vor Augen, dass ich mich widersprüchlich verhalte. Solche Situationen hinterlassen bei mir einen riesigen Knochen im Napf des inneren Friedens, an dem ich oft noch stundenlang zu kauen habe. Kennen Sie das?
Wie bleiben Sie auf dem Boden?
Kindererziehung ist vergleichbar mit Raketentests in der Raumfahrt. Der Unterschied: Im Zusammenhang mit den Kids gehts darum, die Gefühlsraketen jederzeit am Boden zu behalten und nicht durchzustarten. Die Schwierigkeit besteht darin, in den Testsituationen weder zu explodieren noch zu implodieren. Das ist oft leichter gesagt als getan.
Wie schaffen Sie das? Umfahren Sie das Testgelände weiträumig und mischen sich gar nicht erst ein? Packen Sie die Trompete aus oder zählen Sie leise auf Elftausendzweihundertdreiundfünfzig? Diskutieren Sie mit.
Fehler gefunden?Jetzt melden.