Kommentar zur Korrektur der ParteistärkenDas Debakel muss Folgen haben
Der Berechnungsfehler des Bundesamts für Statistik schadet dem Vertrauen in die Demokratie. Er weist aber auch auf grundlegende Mängel hin – weit über das Amt hinaus.
Wenn veröffentlichte Resultate von demokratischen Wahlen nicht stimmen, ist dies ein Fiasko für jedes Land. Für die Schweiz aber erst recht. Das Vorzeigeland der Demokratie sollte es eigentlich auf die Reihe kriegen, solche Resultate korrekt zu berechnen.
Immerhin: Es wurde kein Sitz einer falschen Partei zugeteilt und auch keine Person irrtümlich gewählt. Hier musste das Bundesamt für Statistik lediglich die kantonalen Ergebnisse zusammenzählen. Und das hat geklappt.
Nicht geklappt hat jedoch das Berechnen einer anderen, äusserst wichtigen Zahl: des Wähleranteils der verschiedenen Parteien, auch Parteistärke genannt. Diese Werte dienen unter anderem der Diskussion, wer welche Ansprüche stellen kann – etwa betreffend Bundesratssitze. Die Statistiker des Bundes können von Glück reden, dass Mitte-Präsident Gerhard Pfister trotz des vermeintlich besseren Abschneidens gegenüber der FDP keinen zweiten Bundesratssitz gefordert hat.
Verursacht wurde der Fehler durch eine falsche Programmierung – begünstigt durch den Föderalismus. Die beiden Appenzell und Glarus liefern ihre Daten nämlich in einem anderen Format als die übrigen Kantone. Auch das ist neben der Demokratie typisch für die Schweiz.
Das Gespött aus dem Ausland ist weniger schlimm als das Misstrauen, das durch solche Fehler bei jenen genährt wird, die ohnehin für Verschwörungstheorien anfällig sind. Die Demokratie lebt vom Vertrauen in die Zählenden.
Warum leistet sich die Schweiz in Zeiten der Digitalisierung immer noch eine föderalistische Vielfalt, was die Formate angeht?
Umso wichtiger ist nun eine sehr gründliche Untersuchung: Warum wurde das Programm nicht gründlich getestet? Warum wurden die Wähleranteile am Sonntag zu Kontrollzwecken nicht auf einem zweiten, vom Programm unabhängigen Weg berechnet? Warum auch nicht am Montag, sondern – immerhin – erst am Dienstag? Und warum leistet sich die Schweiz in Zeiten der Digitalisierung immer noch eine föderalistische Vielfalt, was die Formate angeht?
Die letzte Frage betrifft bei weitem nicht nur das Bundesamt für Statistik. Hier liegt auch in anderen Bereichen – etwa beim elektronischen Patientendossier – einiges im Argen. Das aktuelle Berechnungsdebakel und die Erfahrungen während der Pandemie sollten reichen, damit der Bund überall über die Bücher geht. Das geht nicht ohne unangenehme Gespräche mit einzelnen Kantonen. Und wahrscheinlich braucht es da und dort auch Gesetzesanpassungen. Sollte das Berechnungsdebakel diesen dringend nötigen Prozess beschleunigen, kann man ihm doch noch etwas Gutes abgewinnen.
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