ProbefahrtVW setzt auf die sanfte Revolution
Mit dem ID.4 machen die Wolfsburger Ernst in der E-Mobilität. Der SUV fährt sich aber ziemlich konventionell.
Der VW ID.3 war nur ein Vorgeschmack. Denn während sich der nur in Europa angebotene Elektro-Kompaktwagen noch immer mit Softwareproblemen herumschlägt, steht mit dem ID.4 bereits ein deutlich wichtigeres Modell in den Startlöchern. Dieser baut ebenfalls auf dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) auf, wird aber auch in China und in den USA gebaut und verkauft. Somit ist er das erste E-Weltauto des Konzerns. Und wichtiger noch: Der ID.4 tritt im weltweit grössten und nach wie vor boomenden Fahrzeugsegment der Kompakt-SUV an. Das Potenzial, grosse Stückzahlen zu erzeugen und vielleicht den Tiguan als globalen VW-Bestseller abzulösen, ist demnach gegeben. Doch die Konkurrenz schläft nicht.
Da ist in erster Linie der Tesla Model Y zu nennen, der bald auch in der Schweiz erwartet wird. Der kalifornische Crossover tritt in einer ähnlichen Preisklasse an wie der ID.4, übertrumpft den Deutschen aber in Grösse, Leistung, Reichweite und Performance. Dass Tesla VW vor der Sonne steht, hat der Wolfsburger Hersteller in der Schweiz bereits erlebt: Der Tesla Model 3 war im vergangenen Jahr das zweitmeistverkaufte Auto in der Schweiz, noch vor dem bestverkauften VW-Modell Tiguan auf Rang 3. Der Model Y, der die technische Basis des Model 3 mit den Vorzügen eines SUV kombiniert, wird für den ID.4 wohl nur schwer zu schlagen sein.
Schonende Umgewöhnung
Um wie Tesla die grossen Massen ins Elektrozeitalter zu holen, muss sich ein alteingesessener Konzern wie Volkswagen neu aufstellen. Die Wolfsburger haben dafür kräftig investiert, die modulare Elektroarchitektur MEB als Basis für zahlreiche E-Modelle entwickelt, Softwareabteilungen auf- und Werke umgebaut. Entscheidend werden aber letztlich die Produkte sein, und da fehlt VW bisher der revolutionäre Funke. Denn während beispielsweise Ford der Spur von Tesla folgt und mit dem Elektro-SUV Mustang Mach-E ein völlig neues Autoerlebnis bietet, will VW mit dem ID.4 die Kundschaft sanft und schonend ins neue Zeitalter führen. Auf das One-Pedal-Driving, also die Möglichkeit, ein Elektroauto nur mit einem Pedal zu fahren, hat VW verzichtet, genauso wie auf einen «Frunk», also einen zweiten Kofferraum unter der Fronthaube. Auch gestartet wird der ID.4 über einen konventionellen Startknopf, das Cockpit ist zwar modern, gleicht in der Gestaltung aber einem VW mit Verbrennungsmotor.
Daraus resultiert ein Fahrgefühl, das sich vertraut anfühlt. Der flüsterleise Vortrieb, der tiefe Schwerpunkt und der gute Wendekreis zeugen zwar vom Batterieantrieb, doch der ID.4 fährt sich eher wie ein Hybridfahrzeug im Elektromodus als wie ein reines Elektroauto. Mit einer Leistung von 150 kW (204 PS) und einem maximalen Drehmoment von 310 Nm zieht er vergleichsweise gemächlich davon, verzögert im Schubbetrieb wenig. Die «elektrisierende» Beschleunigung aus dem Stand, die andere Stromer bieten, fehlt dem Wolfsburger. Das dürfte sich in der deutlich leistungsstärkeren Allradversion GTX mit einem zusätzlichen E-Motor an der Vorderachse und 225 kW (306 PS) ändern – sie wird ab Juni zu den Händlern kommen. Dann wird es zudem heckgetriebene Varianten mit 109 kW (148 PS) und 125 kW (170 PS) geben. Zwei Batteriegrössen mit 52 oder 77 kWh Nettokapazität sorgen für WLTP-Reichweiten bis 348 respektive 522 Kilometer, geladen wird mit bis zu 125 kW.
«Elektrische Designrevolution»
Während der ID.4 in der Handhabung eher konservativ ist, wirkt seine Gestaltung mit durchgehenden LED-Bändern vorn und hinten progressiv – zumal VW für zurückhaltendes Autodesign bekannt ist. «Der ID.4 steht für eine elektrische Designevolution», sagt denn auch VW-Designchef Klaus Zyciora (vormals Bischoff). «Das bedeutet auch, dass wir die Aerodynamik stark berücksichtigt haben.» Der gute Luftwiderstandsbeiwert von 0,28 hilft, den Stromverbrauch zu reduzieren und die Reichweite zu erhöhen. Doch auch hier setzt der Tesla Model Y mit einem Wert von 0,23 die Messlatte. Einen deutlichen Schritt nach vorn macht der ID.4 im Vergleich zum ID.3 im Innenraum: Grosszügige Platzverhältnisse, bequeme Sitze und angenehme Materialien – da gefällt der SUV deutlich besser.
Um mit der Konkurrenz mithalten und grosse Stückzahlen erzeugen zu können, muss VW den ID.4 preislich gut positionieren. Das ab Juni erhältliche Einstiegsmodell «Pure» mit kleiner Batterie startet unter 39’000 Franken – das klingt verlockend, allerdings liegt die Reichweite bei maximal 348 Kilometern. Das bereits ab März erhältliche Topmodell «1st Edition Max» mit 150 kW und grosser Batterie ist ab 63’650 Franken hingegen kein Schnäppchen, bietet dafür eine ordentliche Reichweite und eine grosszügige Ausstattung. Das sportliche Allradmodell GTX will VW unter 59’000 Franken anbieten.
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