Vulkanologe zum Ausbruch auf Island«Der Flugverkehr in Europa ist definitiv nicht in Gefahr»
Rund 4000 Menschen wurden im November aus dem Fischerdorf Grindavik evakuiert. Nun speit ein Vulkan Lava. Der Vulkanologe Luca Caricchi beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist das Besondere an dieser Eruption?
«Es handelt sich um einen Spaltausbruch, wie sie an vielen anderen Orten auf Island oder Hawaii vorkommen», sagt Luca Caricchi, Professor für Petrologie und Vulkanologie an der Universität Genf. Besonders interessant ist laut Caricchi die Abfolge der Ereignisse, die dem Ausbruch vorausgingen. «Dies ist der vierte Ausbruch in diesem Gebiet seit 2021, nachdem es 800 Jahre lang keine vulkanische Aktivität gegeben hat.»
Dem Ausbruch gingen starke seismische Aktivitäten und Deformationen voraus, die mit der Verlagerung von Magma aus der Tiefe zusammenhängen. Die aktuelle Aktivität begann am 25. Oktober 2023. Die intensive Seismizität und Deformation – bis zu 1,2 Meter vertikale Verschiebung – dauerte bis etwa zum 20. November an. Das Magma drang von unten in einen Kanal ein, der über eine Strecke von etwa 15 km in einer Tiefe von 500 Meter oder mehr unter der Oberfläche liegt. Die Deformation führte vor allem zur Evakuierung der Stadt Grindavik und zu Schäden an Immobilien in der Ortschaft.
Die Seismizität und die Verformungen konzentrierten sich in der Nähe eines geothermischen Kraftwerks und beim Touristik-Hotspot Blaue Lagune. Es wurden Barrieren errichtet, um das Kraftwerk vor möglichen Lavaströmen zu schützen.
«Am 5. Dezember hatte man den Eindruck, dass der Ausbruch nicht unmittelbar bevorstehen würde», sagt Caricchi. «Dennoch wurden mit dem Satelliten Insar einige Verformungen gemessen.» Nach einem schnellen und kurzen Anstieg der Seismizität für rund eine Stunde begann die Eruption am 18. Dezember um 23.17 Uhr Schweizer Zeit.
Welches Ausmass hat die Eruption im Vergleich zu anderen bekannten Eruptionen?
«Bislang gibt es noch keine Schätzungen über die Menge des ausgebrochenen Magmas», sagt Caricchi. Bei den vorangegangenen Eruptionen (5. April 2021 bis 18. September 2021) wurden 151’000’000 Kubikmeter oder 0,15 Kubikkilometer Magma freigesetzt. Zum Vergleich: Bei der Laki-Eruption in Island im Jahr 1783 waren es 14 Kubikkilometer. Somit ist die aktuelle Eruption relativ klein. «Aber die Dauer der vorangegangenen Eruptionen war ziemlich lang und machte sie zur zweitlängsten Eruption des 21. Jahrhunderts», sagt Caricchi.
Caricchi hofft, dass sich der Bruch nicht weiter nach Süden ausbreitet, denn das würde das Dorf Grindavik stark beeinträchtigen. «Darüber hinaus könnte die Ausbreitung des Bruchs ins Meer zu einer Umstellung der Aktivität von Lava-Erguss (ohne Produktion von Vulkanasche) auf explosive Aktivität aufgrund der Wechselwirkung zwischen Magma und Wasser führen (Surtseyan-Eruption). Diese Art von Eruption würde mehr Vulkanasche produzieren.
Wie lange wird der Ausbruch andauern?
Das ist schwierig zu sagen. «Die Vorhersage des Endes einer Eruption ist schwieriger als die Vorhersage ihres Beginns», sagt Caricchi. «Betrachtet man frühere Ausbrüche in der Region, so dauert es Wochen bis Monate.»
Besteht eine Gefahr für den Flugverkehr auf der Insel oder sogar in ganz Europa?
«Im Moment definitiv nicht, da es sich bei der Eruption um einen reinen Lavaausbruch ohne nennenswerte Ascheproduktion handelt», sagt Caricchi. «Eine mögliche Interaktion mit dem Meerwasser könnte den explosiven Charakter der Aktivität verstärken, aber dennoch wäre sie nicht mit der Eruption des Eyjafjallajökull im Jahr 2010 vergleichbar.» Es könnte allenfalls einige Probleme mit dem nahe gelegenen Flughafen in Keflavik geben. «Von dieser Möglichkeit sind wir aber noch weit entfernt, da der Bruch noch drei Kilometer nördlich von Grindavik liegt.» Der Flughafen liegt rund 20 Kilometer weiter nordwestlich auf der Spitze der Landzunge.
Fehler gefunden?Jetzt melden.