Vorsitz im US-ParlamentHardliner Mike Johnson wird neuer Speaker
Das Wahlchaos hat ein Ende: Mike Johnson schart die Republikaner ohne Gegenstimme hinter sich – und Donald Trump ist sehr zufrieden.
Die Suche nach einem neuen Sprecher des US-Repräsentantenhauses ging am Mittwoch in die nächste und nun doch letzte Runde, vorher war mit gewisser Verspätung das Türschild des alten Sprechers verschwunden. Am 3. Oktober hatte eine Radikalenriege seiner eigenen Partei, der Republikaner, Kevin McCarthy gestürzt – drei Wochen später wurde das Brett mit der Aufschrift «Speaker of the House, Kevin McCarthy» abgeschraubt. Auf dieser Tafel steht künftig dieser Name: Mike Johnson.
Johnson (51) war bereits der vierte Kandidat der republikanischen Mehrheitsfraktion in diesem bizarren Wettbewerb um den Platz am Pult. Für Vorgänger McCarthy ist er «ein Freund, Kämpfer und prinzipientreuer Konservativer», er habe seine volle Unterstützung. Rechtsaussen Matt Gaetz, der die Rebellion gegen McCarthy angezettelt hatte, äusserte sogar Begeisterung.
Der demokratische Minderheitsführer und Gegenkandidat Hakeem Jeffries dagegen wies darauf hin, Johnson sei «ein rechtsextremer Ideologe». Richtungsweisend indes dürfte mal wieder Donald Trump gewesen sein, der seinen Republikanern «dringend» empfahl, «sich für den Spitzenkandidaten Mike Johnson zu entscheiden». (Mehr zu Trump: Showdown im Betrugsprozess: Anwalt Michael Cohen belastet Donald Trump schwer)

Kandidat für vier Stunden
Das taten die Republikaner, Johnson bekam 220 von 429 Stimmen. Der Mann aus Louisiana ist ein strammer Abtreibungsgegner und gehörte zu jenen Trump-Verehrern, die dessen Wahlniederlage gegen Joe Biden leugnet und rückgängig machen wollten. Das gefiel dem Patron.
Trump hatte das Chaos seiner Abgeordneten und das Theater um McCarthys Nachfolger am Dienstag um ein bei ihm beliebtes Fachwort erweitert. Es klingt wie rhino, Nashorn, lautet jedoch Rino, solche Exemplare gibt es nur in der sehr eigenen Welt der Republikaner. Ein Rino ist ein Republican in Name Only, ein «Republikaner nur dem Namen nach». Als solche beschimpfen Hardliner Kollegen, die sich nicht komplett ihrer Radikaldressur unterwerfen, besonders gerne verteilt den Titel der republikanische Oberdompteur Trump. Jetzt hatte es Tom Emmer erwischt.

Emmer wollte McCarthy beerben, republikanischer Nominierter war er am Dienstag allerdings nur vier Stunden lang. Gegen Mittag hatte sich der 62 Jahre alte Politiker aus Minnesota in internen Abstimmungen gegen mehrere Rivalen durchgesetzt. Dann ernannte ihn Trump in seinem Netzwerk Truth Social zum «RINO Tom Emmer» und gab bekannt, dass er seine Ernennung für «einen tragischen Fehler» halte, weil dieser «RINO Emmer» ihn nicht genügend unterstützt und die Werte von Make America Great Again nicht verstanden habe.
Emmers Vergehen bestand darin, dass er die Mär vom geklauten Wahlsieg Trumps nicht uneingeschränkt teilt. Obwohl er als Majority Whip zur republikanischen Fraktionsführung zählt und zum Beispiel dagegen war, die Attacke auf den Kongress vom 6. Januar 2021 untersuchen zu lassen. Trump und seinem Gefolge ist er trotzdem nicht treu genug. So war am Nachmittag klar, dass Emmer selbst in den eigenen Reihen zu viele Gegner hat, um im Plenum die insgesamt nötigen 217 Stimmen zu sammeln. So einer kann sich gegen die Demokraten kaum durchsetzen, denn die Republikaner haben nur fünf Stimmen Vorsprung. Tom Emmer zog seine Kandidatur zurück.
«Dieses Rennen ist an einem Punkt angelangt, an dem es irgendwie verrückt geworden ist.»
Es war eine weitere, besonders absurde Folge dieser Fahndung nach einer Besetzung für das Himmelfahrtskommando mit dem Holzhammer. Und noch ein Beitrag zum Zerfall der einst respektablen Grand Old Party, kurz GOP. Erst scheiterte in den vergangenen Tagen Steve Scalise, der Fraktionsvorsitzende, der Majority Leader, an den ganz rechten, danach der Scharfmacher Jim Jordan an den vergleichsweise gemässigten Parteimitgliedern. Dann erwischte es den dritten Mann, Tom Emmer. Der nächste Versuch gelang mit dem vierten Mann, Mike Johnson. «Heute ist der Tag, an dem wir es schaffen», hatte die Abgeordnete Elise Stefanik versprochen.
Johnson sei der Richtige, sprach Mitstreiter Kevin Hern. «Dieses Rennen ist an einem Punkt angelangt, an dem es irgendwie verrückt geworden ist», findet Hern – eine vorsichtige Umschreibung für den Zustand der Republikaner, die sich weltweit lächerlich machen. Auch Parteifreunde im weiterhin funktionstüchtigen Senat sind entsetzt von den Grabenkämpfen. «Sie haben dort einen dysfunktionalen Prozess», so der republikanische Senator Thom Tillis, Republikaner aus North Carolina, «und sie müssen ihn in Ordnung bringen.»
Notbudget gilt bis Mitte November
Krieg in der Ukraine, Krieg in Nahost und nahender Shutdown in den USA, aber die führende Partei im amerikanischen Parlament zerfleischt sich. «Unsere Fraktion befindet sich im Grunde genommen im Krieg mit sich selbst», erkennt der Abgeordnete Brandon Williams aus New York. Es sei «entmutigend». Ihn erinnern die ständigen Wiederholungen an den Film «Groundhog Day», zu Deutsch «Und täglich grüsst das Murmeltier».
Die Regierung Biden wartet auf die nächsten Abstimmungen über den Haushalt, denn das noch am Ende der Ära McCarthy vereinbarte Notbudget gilt nur bis Mitte November. Danach stünde die Verwaltung bis auf Weiteres still. Es geht unter anderem um jene gut 105 Milliarden Dollar, die der Demokrat Biden im Kongress für die Ukraine, Israel und humanitäre Massnahmen in Gaza sowie zur Sicherung der US-Südgrenze beantragt hat.
Nur der Herrgott kann es richten …
Als kommissarischer Sprecher wurde nach McCarthys Sturz der Republikaner Patrick McHenry installiert, doch ohne gewählten Speaker war das Repräsentantenhaus bis zuletzt gelähmt. «Ich kann Ihnen Folgendes sagen», sagte kürzlich der republikanische Abgeordnete Mark Amodei, «es gibt da drinnen keine 217 Stimmen für Jesus, Maria oder Joseph bei irgendeinem Thema.» Für Donald Trump, den Heiland der Extremisten, gab es noch zu Wochenbeginn «nur eine Person, die es ganz schaffen kann. Wisst ihr, wer das ist? Jesus Christus.»
Jedenfalls kein Rino ohne Trumps Gnaden. Der streng gläubige, evangelikale Christ Johnson verkündete, er habe «nach langem Gebet und Erwägungen» beschlossen anzutreten. «Es geht hier nur um eines», hatte der Demokrat Pete Aguilar gesagt: «Wer Donald Trump besänftigen kann.»
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