Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Solaranlagen im hochalpinen Raum
Von dieser Staumauer soll Solarstrom kommen

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wer auf die Staumauer am Muttsee tritt, dem weht eine kühle Brise entgegen. Schnee ist hier auf 2500 Meter über Meer auch im Sommer keine Seltenheit. Es ist Ende August, und Nebelschwaden verdecken die Sicht auf die umliegenden Berge. Eigentlich steht es so nicht im Drehbuch für den Pressebesuch an der Staumauer – hier soll die Sonne scheinen.

Denn im hintersten Winkel des Linthals im Glarnerland, fast in Sichtweite zum Tödi, baut die Axpo die bislang grösste alpine Solaranlage der Schweiz – auf einer Staumauer. Die Mauer gehört zum riesigen Kraftwerk Linth-Limmern, mit dem die Axpo bei Bedarf ein Viertel der Schweiz mit Strom versorgen kann.

Bald gibt es hier nicht mehr nur Strom aus Wasserkraft, sondern auch Solarstrom. Die Ausmasse der neuen Anlage sind riesig. Auf der Südseite der rund ein Kilometer langen Muttsee-Staumauer werden etwa 5000 Solarpanels montiert.

Sie sollen vor allem in den Wintermonaten Strom liefern. Denn dann scheint in den Bergen die Sonne, während über dem Mittelland oft eine hartnäckige Nebeldecke liegt, die die dortigen Solaranlagen ausbremst.

Solarstrom im Winter

Entsprechend gross sind die Hoffnungen, die die Axpo mit dem Pilotprojekt verbindet: Hochalpine Solaranlagen wie diese sollen helfen, die Energieversorgung der Schweiz während der Wintermonate zu verbessern. Denn dann, wenn die Wasserstände tief sind und Lauf- und Speicherkraftwerke nicht so viel abwerfen, kann die Schweiz ihren Energiebedarf nicht selbst decken und muss Strom aus dem Ausland importieren.

Strom aus der Höhe – die Anlage wird im Herbst fertiggestellt und gilt als Pilotprojekt. 

Dieses Problem dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Grund dafür ist zum einen das geplante Abschalten der Atomkraftwerke – die Sommer wie Winter produzieren. Zum anderen steigt der Strombedarf durch die Umstellung auf Elektromobilität.

«Das macht Sinn für die Gesellschaft.»

Axpo-Manager Sutter zu alpinen Solaranlagen

«Wir haben ein Winterstromthema», fasst Axpo-Manager Christoph Sutter das Problem zusammen. Er ist bei dem Versorger für erneuerbare Energien zuständig und will den Bau alpiner Solaranlagen forcieren. Wenn die Schweiz im Zuge der Energiewende nicht von Importstrom abhängig werden wolle, müsse es mehr davon geben, ist Sutter überzeugt. «Das macht Sinn für die Gesellschaft.» Eine ähnliche – wenn auch kleinere – Anlage hat der Zürcher Energiekonzern EWZ an der Albigna-Staumauer im Bergell montiert. Sie ist bereits in Betrieb.

Tatsächlich produzieren die Anlagen im Hochgebirge im Winter deutlich mehr Strom als jene im Flachland. Das zeigen auch Untersuchungen von Forschern am Jungfraujoch und in Davos. Dort gibt es nicht nur weniger Nebel. Zusätzlich reflektiert der Schnee das Sonnenlicht, und die senkrecht montierten Solarpanels erzielen angesichts der tief stehenden Sonne im Winter einen hohen Wirkungsgrad.

Hohe Kosten stellen Wirtschaftlichkeit infrage

Doch die Sache hat einen Haken. Die Anlagen rentieren nicht. Denn der Aufwand für den Bau im Hochgebirge ist gross – auch am Muttsee. Die Stahl- und Alukonstruktion für den Unterbau der Anlage wird im Tal zusammengeschraubt und dann per Helikopter auf die Staumauer geflogen – Stück für Stück. Ebenso die Panels selbst. Wenn das Wetter nicht mitspielt, gibt es Verzögerungen.

1 / 4
Die Staumauer ist nicht besonders hoch – aber sie gehört zu den längsten der Schweiz.
So sieht die Baustelle auf der Staumauer aus. Auf 2500 Meter Seehöhe transportiert wird die Anlage Stück für Stück per Helikopter. 
Die Solarpanele werden in einem steilen Winkel montiert. Im Winter, wenn die Sonne tief steht, soll das den Wirkungsgrad erhöhen. 

All das spiegelt sich im Preis. Die Produktionskosten für den Solarstrom an der Staumauer am Muttsee sind etwa doppelt so hoch wie für Solarstrom unten im Tal. Die Anlage kostet acht Millionen Franken.

Denner kauft Strom zu hohem Preis

In Angriff genommen hat Axpo das Projekt gemeinsam mit dem Basler Versorger IWB dennoch, weil der Detailhändler Denner versprochen hat, den Solarstrom vom Muttsee 20 Jahre lang zu einem hohen Preis zu kaufen. «Wichtig war, dass wir nichts drauflegen müssen bei dem Projekt», sagt Sutter.

Solche Stromabnahmeverträge sind aus Sicht von Axpo auch mit anderen Firmen denkbar – die Nachfrage ist mit dem neuen Fokus auf Nachhaltigkeit vorhanden, sagt Sutter. Und Axpo habe noch mehr Staumauern, auf die sich Solarpanels montieren lassen. Dort sei die nötige Infrastruktur – etwa Stromleitungen – bereits vorhanden. «Wir wollen mehr solche Anlagen», sagt Sutter.

Begrenztes Potenzial für hochalpinen Solarstrom

Das Ausbaupotenzial scheint dennoch begrenzt. Denn die Flächen im Hochgebirge, auf denen Solarpanels montiert werden können, sind knapp. Neben südseitig ausgerichteten Staumauern könnten dafür auch noch Liftanlagen oder Passstrassen infrage kommen – Gegenden, in denen ohnehin keine unberührte Natur mehr existiert.

Anlagen in komplett freiem Gelände, wie es sie in den Nachbarländern gibt, gelten in der Schweiz wegen des Eingriffs in die Landschaft als tabu. Dabei wäre die Zustimmung der Bevölkerung einer Umfrage zufolge hoch.

Entsprechend gering schätzt Urs Muntwyler von der Berner Fachhochschule das Potenzial der alpinen Solaranlagen ein. «Es ist sinnvoll, die zu bauen, wo es möglich ist», sagt er. In der Schweiz sei dies aber nur an etwa hundert Standorten der Fall.

«Man darf sich von den alpinen Anlagen nicht blenden lassen.»

Urs Muntwyler, Professor für Fotovoltaik an der Berner Fachhochschule

Zudem ist ihre Leistung begrenzt: Die riesige Solaranlage am Muttsee hat eine Leistung von 2,2 Megawatt. Im Vergleich zum Kraftwerk Linth-Limmern ist das jedoch fast verschwindend gering. Das kommt – wenn alle Turbinen laufen – auf eine Leistung von 1540 Megawatt, was in etwa dem Kernkraftwerk Leibstadt entspricht.

«Man darf sich von den alpinen Anlagen nicht blenden lassen. Das ist nice to have», sagt Muntwyler. Ihr Beitrag zur gesamtschweizerischen Produktion aus Solarenergie werde jedoch auch künftig gering sein.

Mehr Potenzial haben für Muntwyler Solaranlagen in einer Höhe von 900 bis 2000 Meter Höhe über Meer – etwa im Berner Oberland, dem Wallis oder im Engadin. Dort ist im Winter ebenfalls kein Nebel, und die Infrastruktur ist im Vergleich zu den hochalpinen Anlagen deutlich besser erschlossen.

Wie viel die Anlage an der Muttsee-Staumauer tatsächlich bringt, kann die Axpo wohl spätestens im nächsten Frühjahr sagen. Die Anlage soll im Oktober ans Netz gehen.