Zwischenbilanz Verhandlung Vincenz Vincenz’ Anwalt Erni kann im Prozess punkten
Die ersten Tage des Betrugsprozesses zeigen, wie schwer es die Staatsanwaltschaft hat. Doch auch die Verteidigung überzeugt nicht restlos, kann aber Boden gutmachen.
Schon nach wenigen Tagen ist klar, der Prozess um Pierin Vincenz ist ein Kampf der Argumente, nicht der handfesten Beweise. Die Verteidigung war daher bemüht, die von der Staatsanwalt präsentierten Indizien in einen anderen Kontext zu stellen. Und konnte nach Ansicht von Juristen dabei durchaus Punkte machen.
Wo steht also der Prozess nach den ersten vier Prozesstagen? Die Staatsanwaltschaft legte einen Wust an Abhörprotokollen und E-Mails vor. Es ist ein dichtes Netz an Hinweisen. Damit erzählen die drei Staatsanwälte die Geschichte von sechs Geschäftsmännern, die mit geheimen Absprachen viel Geld verdienten – und einige von ihnen genossen auch noch ein schönes Leben mit der Firmenkreditkarte.
Besonders wichtig ist für die Staatsanwaltschaft etwa eine Notiz, die sie beim Beschuldigten Beat Stocker gefunden hat. Die Tabelle zeige ein Rechenspiel, wie sich Stocker und Vincenz die Geldflüsse aus Investnet haben aufteilen wollen.
Anklage stützt sich auf Chats und Mails
Ein anderes Beispiel: Vincenz bestreitet, je an Eurokaution beteiligt gewesen zu sein. Doch die Staatsanwaltschaft glaubt mit Mails und Chat-Protokollen zeigen zu können, dass er es doch war. So habe etwa der mitbeschuldigte Unternehmer Ferdinand Locher Stocker vor einem Treffen geschrieben: «Kommt Pierin auch?» Antwort: «Nein, aber er ist voll involviert.» Und noch ein SMS: «Pierin will 2M auf dem Backway haben», schrieb Locher seiner damalige Freundin. Für die Ermittler ist es ein Beleg dafür, das Vincenz bei den Absprachen beim Stadion Thun und bei Eurokaution eine Provision forderte.
Zusammen hätten Vincenz und Stocker zudem ihren Einfluss bei Aduno und Raiffeisen dafür genutzt, dass die Dinge in ihrem Sinn liefen. Vincenz als vertrauenerweckender Machtmensch, Stocker als Hirn, glaubt die Staatsanwaltschaft.
Die Hinweise sind vielfältig, doch für wichtige Erzählstränge dieser Geschichte fehlt ein klarer Beleg. Die Staatsanwaltschaft konnte bei den Firmen Genève Credit & Leasing, Eurokaution und Investnet keinen harten Beweis vorlegen, dass Vincenz sich tatsächlich an den Firmen beteiligt hatte.
Das war logischerweise die zentrale Verteidigungslinie von Vincenz’ Anwalt Lorenz Erni. Denn wenn es keine Beweise für diese Beteiligungen gibt, «dann fällt die Anklage in sich zusammen», folgerte er.
«Was die Staatsanwaltschaft vorbringt, sind Indizien.»
Beispiel Investnet: Die Staatsanwaltschaft stützt ihre These der Beteiligung von Vincenz unter anderem auf einen Brief, in dem Stocker als «Statthalter» für die Investnet-Beteiligung genannt wird. Gemäss der Anklage ist Stocker also der Statthalter für Vincenz. «Falsch», konterte Erni. Investnet-Gründer Peter Wüst habe ausgesagt, dass damals verschiedene Modelle der Annäherung von Investnet und Raiffeisen angedacht worden seien. Daher sei Stocker als Statthalter für Raiffeisen gesehen worden, aber nicht für Vincenz.
Meist stützte Erni solche Gegenbelege allerdings auf Aussagen der Mitbeschuldigten. Dem muss das Gericht nicht folgen.
Dennoch urteilt der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli: «Was die Staatsanwaltschaft vorbringt, sind Indizien.» Das Gericht könne auf der Grundlage der Indizien Vorwürfe als erwiesen qualifizieren. «Doch ist das noch kein Beweis, gerade für eine Beteiligung», so Niggli. Es sei aber zu erwarten, dass der Staatsanwaltschaft bewusst sei, dass sie den Beweis nicht erbringen kann, und sie daher genügend belastende Indizien zusammenträgt. Ob ihr das gelungen ist, wird das Urteil zeigen.
«Wesentlich erscheint mir, ob die Verteidigung eine alternative Geschichte vorbringen kann, in die die Kontakte passen», so Niggli. Genau das haben Lorenz Erni und Andreas Blattmann, der Verteidiger von Beat Stocker, nach Kräften versucht. So verwies Erni auf private Aufzeichnungen von Stocker, die bei den Hausdurchsuchungen sichergestellt worden sind. Auch darin sei stets von «Darlehen» an Vinzenz die Rede, nicht von Gewinnbeteiligungen.
Eine Beteiligung von Vincenz wird dagegen auch von seinem Verteidiger nicht bestritten: jene am Kartenterminal-Unternehmen Commtrain, welche die Aduno-Vorläufer-Gesellschaft Viseca 2006 gekauft hatte. 2005 waren Vincenz und Stocker über ihre Beteiligungsgesellschaft IFM ins Commtrain-Kapital eingestiegen.
Ernis kluger Schachzug
Unbestritten ist ferner, dass Vincenz mit dem Verkauf Gewinn machte. Erni versucht hier, sich in die Verjährung zu retten. Alternativ zweifelte er das Argument der Staatsanwaltschaft an, dass Vincenz seinen Gewinn Aduno hätte geben müssen.
Sein Argument: Die Staatsanwaltschaft selbst habe bei der Eröffnung des Verfahrens zunächst nicht davon gesprochen, dass Vincenz den Gewinn hätte abführen müssen. Auch die Anwälte der Nebenkläger nicht. Dieses Argument sei erst später aufgebracht worden. Wenn also selbst die Profis diese Herausgabepflicht nicht sofort erkannten, könne man das vom juristischen Laien Vincenz unmöglich verlangen. Es läge also nur ein Sachbeurteilungsfehler vor, aber eben kein Betrug – daher müsse ein Freispruch die Folge sein. Prozessbeobachter hielten diesen Aspekt für ein starkes Argument der Verteidigung.
Der Prozess geht am 9. Februar weiter, dann soll Investnet-Gründer Andreas Etter befragt werden. Vier weitere Prozesstage sind im März angesetzt. Wann das Gericht sein Urteil fällt, ist noch offen. Wie es ausfällt, erst recht.
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