Auftritt in ZürichFür Roger Köppel ist Viktor Orban «eine Art Rockstar»
Ungarns Ministerpräsident kommt auf Einladung der «Weltwoche» nach Zürich. Fragen und Antworten zum Besuch des Autokraten.
Seit Dienstag ist Viktor Orban in der Schweiz. Er war von 1998 bis 2002 und ist seit 2010 erneut Ministerpräsident von Ungarn. Am Mittwoch tritt Orban in Zürich auf. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum umstrittenen Besuch.
Was macht Viktor Orban in der Schweiz?
Der ungarische Ministerpräsident ist auf Einladung der «Weltwoche» in der Schweiz. Er hält am Mittwoch an einer Matinee im Hotel Dolder eine «Zürcher Rede». Der Anlass ist ausverkauft. Die Rede beginnt um 11 Uhr, anschliessend findet eine Podiumsdiskussion statt. Teilnehmen werden die SVP-Alt-Bundesräte Ueli Maurer und Christoph Blocher sowie Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die immer wieder durch Treffen mit Rechtspopulisten auffällt.
Bundespräsident Alain Berset (SP) und Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) haben Viktor Orban am Dienstag zu einem Höflichkeitsbesuch in Bern empfangen. Die Initiative für das Treffen mit der Schweizer Regierung ging von Orban aus. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die bilateralen Beziehungen mit der EU.
Die Delegationen sprachen insbesondere über die europapolitischen Ziele der Schweiz und die ungarische EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2024, wie das Eidgenössische Departement des Innern mitteilte. Die schweizerische Seite bekräftigte ihr Ziel, den bilateralen Weg mit der EU zu stabilisieren und auszubauen.
Beide Seiten lobten die guten bilateralen Beziehungen zwischen Bern und Budapest, die unter anderem auf die Aufnahme von 12’000 ungarischen Flüchtlingen nach dem Aufstand von 1956 zurückzuführen sind. Sie erwähnten auch die Handelsbeziehungen, da die 900 Schweizer Unternehmen, die in Ungarn tätig sind, dort 29’000 Arbeitsplätze stellen.
Warum hat ihn die «Weltwoche» eingeladen?
Anlass sei das 90-jährige Bestehen der Wochenzeitung, sagt der Leiter der Unternehmensentwicklung beim «Weltwoche»-Verlag Florian Schwab. «Es liegt in der DNA der ‹Weltwoche›, kontroversen Persönlichkeiten eine Plattform zu geben, solange sie interessant sind und etwas zu sagen haben. Und das ist bei Viktor Orban mit Sicherheit der Fall. Deshalb ist er der perfekte Redner für unser Jubiläum.» Es fliesse kein Honorar für den Auftritt – weder in die eine noch in die andere Richtung.
Roger Köppel hegt eine grosse Faszination für den ungarischen Ministerpräsidenten. In einem «Weltwoche Daily»-Video beschrieb der Chefredaktor Orban als den «grössten Freiheitskämpfer in Europa». Da der Zürcher Anlass nach wenigen Stunden ausverkauft gewesen sei, sehe ihn wohl auch die Leserschaft als «eine Art Rockstar» an, schlussfolgerte er.
Warum ist das kontrovers?
Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban gilt gemeinhin eben nicht als «Rockstar», sondern als Autokrat, der die demokratischen Kontrollinstanzen im Land schrittweise abgebaut hat. Er regiert Ungarn mit einer Machtfülle, die ihm auch von der absoluten Mehrheit seiner Partei im Parlament gestattet wird. Sämtliche Massenmedien sind unter seiner Kontrolle oder derjenigen seiner Getreuen.
Orban steht seit Jahren in einem zunehmenden Machtkampf mit der Europäischen Union (EU), die er als Feind Ungarns inszeniert. Die EU blockiert seit Monaten Zuschüsse in Milliardenhöhe an Ungarn, weil sie befürchtet, dass die Gelder durch Korruption in den Taschen von Orban-getreuen Oligarchen versickern. Umgekehrt blockiert der Putin-Freund Orban europäische Hilfsgelder für die Ukraine.
Ein weiteres Feindbild Orbans sind der Philanthrop und Milliardär George Soros und dessen Sohn Alex, welche in Ungarn regierungskritische NGOs unterstützen. Die Anti-Soros-Kampagne trägt antisemitische Untertöne.
Zudem hat das ungarische Parlament ein queerfeindliches Gesetz verabschiedet, das «Werbung» für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verbietet.
In der linksautonomen Szene wird deshalb zu «Aktionen» gegen den Anlass in Zürich aufgerufen. Die Regierung von Orban stehe für Rassismus, Hetze und Repression, heisst es auf dem Links-aussen-Portal «Barrikade.info».
Wird der Zürcher Regierungspräsident Mario Fehr Orban empfangen? Oder Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch?
Nein. Weder der Kanton Zürich noch die Stadt Zürich planen einen offiziellen Empfang. Der Regierungssprecher des Kantons Zürich Andreas Melchior sagt, seines Wissens habe es keine entsprechende Anfrage bei der Regierung gegeben. Auch bei der Stadt Zürich ist keine Anfrage eingegangen.
Nach geltender Praxis findet bei offiziellen Staatsbesuchen in der Regel am Flughafen Zürich ein Handshake mit dem Zürcher Regierungspräsidenten oder der Regierungspräsidentin statt. Dies sei aber nicht bei privaten Besuchen der Fall und auch nicht bei WEF-Besuchen, sagt Melchior.
Die Stadt Zürich kennt kein eigentliches diplomatisches Protokoll für hohe Besuche. Die Organisation von Staatsbesuchen laufe grundsätzlich über den Bund und dieser kontaktiere die Stadt Zürich «bei Bedarf», sagt der Sprecher des Präsidialdepartements Lukas Wigger. «Solche Anfragen werden dann im Einzelfall geprüft. Es gibt keine fixen Vorgaben, welche Gäste empfangen werden.»
Was macht Viktor Orban sonst noch in der Schweiz?
Gemäss unbestätigten Informationen ist er in einem Zürcher Hotel untergebracht. Es läge nahe, dass Orban im Hotel Dolder nächtigt, bevor dort am Mittwoch die Matinee um 11 Uhr beginnt. Allerdings ist die teuerste Presidential Suite (14’500 Franken pro Nacht, so viel wie kein anderes «Zimmer» der Stadt) gemäss Dolder-Website nicht gebucht. Von den beiden nächstgünstigeren Angeboten (10’500 Franken) ist die eine Suite dauerhaft nicht verfügbar, die andere lässt sich nur telefonisch buchen. Das Hotel gibt aus Diskretionsgründen keine Auskünfte zu Gästen und Veranstaltungen.
Dem Vernehmen nach reist Viktor Orban erst am Donnerstag, also nach zwei Nächten, wieder ab. Was er nach der Matinee macht, ist nicht bekannt. Seinen Aufenthalt in der Schweiz koordiniert die ungarische Botschaft. Diese teilt mit, dass nach dem Anlass im Dolder keine weiteren öffentliche Auftritte geplant seien. Der Ministerpräsident werde dann vermutlich in seinem Hotelzimmer zur Ruhe kommen, sagt ein ungarischer Diplomat. Weitere Angaben könne er nicht machen.
Der letzte namhafte internationale Politbesuch in Zürich war jener von Barack Obama im April 2023. Er stieg damals vermutlich im Baur au Lac ab, wo die grösste und teuerste Suite rund 5500 Franken pro Nacht kostete.
Wer ist für die Sicherheit zuständig? Wer trägt die Kosten?
Für die Sicherheit von Viktor Orban als völkerrechtlich geschützter Person ist das Bundesamt für Polizei (Fedpol) zuständig. Es steht in Kontakt mit anderen Bundesbehörden, den Kantonen, ausländischen Vertretungen sowie seinen internationalen Partnern. Beim vorliegenden Anlass sind laut Fedpol-Sprecher Patrick Jean die örtlich zuständigen Polizeikorps involviert – insbesondere die Kantonspolizei Bern sowie die Stadtpolizei Zürich. Die Kantonspolizei Zürich steht nicht im Einsatz.
Zum Dispositiv äussern sich das Fedpol und die Stadtpolizei Zürich nicht, um die Massnahmen nicht zu gefährden. Die Kosten werden durch den Bund und die Kantone getragen.
Mit Material der SDA.
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