Mini-Kulissen statt GeisterspieleViel Aufwand für ein bisschen Leben im Stadion
Die Clubs der Super League nützen es aus, dass Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen wieder erlaubt sind – obwohl sich das finanziell für sie nicht lohnt.
Matthias Hüppi erzählt die Episode mit Begeisterung. Als St. Gallens Fussballer in der Nacht auf Sonntag vom Spiel in Sitten zurückkehren, werden sie von gegen 200 Anhängern empfangen – um 3.15 Uhr. Der Präsident sagt: «Das belegt, wie wahnsinnig eng die Verbindung zwischen Publikum und Mannschaft ist.» Und: «Im Normalfall wären unsere restlichen sechs Heimspiele wohl ausverkauft.»
«Wir wollen möglichst viele Leute glücklich machen.»
Von Normalität kann nicht die Rede sein, natürlich nicht. Wenn St. Gallen morgen den FCZ empfängt, dürfen 750 Saisonkarteninhaber dabei sein. Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat beschlossen, Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen wieder zu erlauben. «Der organisatorische Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag», sagt Hüppi, «aber es war für uns keine Option, die Türen geschlossen zu lassen.» Unter den 8500 Saisonabo-Besitzern werden die Tickets per Los vergeben. Hüppis Ziel: «Wir wollen möglichst viele Leute glücklich machen.»
Schifferle: «Wurden überrumpelt»
Bis vorige Woche ging die Swiss Football League (SFL) davon aus, dass nicht mehr als 300 Personen an einem Anlass dabei sein dürfen. «Ich störe mich daran, dass diese Lockerung ohne Rücksprache mit uns beschlossen wurde. Wir wurden überrumpelt», sagt SFL-Präsident Heinrich Schifferle. «Die Clubs rechneten bis Freitag mit 300 Zuschauern, dann waren es auf einmal 1000. Nun müssen sie hohe administrative Herausforderungen meistern.»
Mehrarbeit wird aber offenbar gern geleistet. Xamax vergibt die verfügbaren Tickets im Stadion an die Abo-Inhaber und öffnet jeweils drei Tribünen für je 300 Leute. Ein paar Franken Einnahmen erhofft sich Xamax-Besitzer Jean-François Collet aus dem Catering, «aber wir tun das alles nicht aus wirtschaftlichen, sondern emotionalen Gründen». Ähnlich klingt es aus Genf von Servette. Im Stade de Genève sind Haupt- und Gegentribüne zugänglich, die Sektoren hinter den Toren bleiben zu.
YB wird für die Partie gegen Xamax am Samstag 600 Plätze an Abonnenten und Partner verlosen. Wer sich für zwei Tickets interessiert, kann sich bis heute um 11 Uhr anmelden – auch die Begleitperson braucht eine Saisonkarte. Der FC Zürich öffnet den Letzigrund am Sonntag gegen Lugano für 500 bis 700 Zuschauer. Die Saisonkartenbesitzer können sich für jeden Match daheim anmelden. Bei grossem Interesse wird ebenfalls ein Losverfahren angewendet. Der FC Basel wird ähnlich vorgehen und das Losverfahren anwenden.
«Es ist vor allem eine Geste für unsere Fans und Sponsoren.»
In Luzern sollen ebenfalls bis zu 700 Abo-Besitzer ein Ticket erhalten, wenn der FCL zu Hause antritt. Ausgewählt werden die Glücklichen mittels Zufallsgenerator. Medienchef Markus Krienbühl sagt: «Es ist eine Geste an unsere Fans – und ein Schritt zurück zur Normalität.» In Lugano freut sich Präsident Angelo Renzetti auch auf 700 Menschen: «Es ist vor allem eine Geste für unsere Fans und Sponsoren, niemand hat Forderungen nach Rückerstattungen geltend gemacht.» Noch offen ist, wie Thun mit der neuen Ausgangslage umgeht.
Kooperativer Constantin
Und was hat Christian Constantin vor, der Präsident des FC Sion? «800 Zuschauer lassen wir rein», sagt er. Wer eine Saisonkarte hat, kann sich per Mail bewerben, die Tickets werden nach Eingang der Bewerbungen verteilt. Constantin klingt für seine Verhältnisse geradezu zahm: «Wir machen das, was man uns sagt. Basta.»
Viele Clubs hängen stark von Zuschauereinnahmen ab. Ligapräsident Schifferle macht sich nun Sorgen, weil unklar ist, wie es in der neuen Saison geregelt sein wird, ob die Beschränkungen wegfallen oder Maskenpflicht herrschen wird. «Es wäre wichtig, wenn die Behörden uns frühzeitig mögliche Szenarien aufzeigen würden», sagt er, «dann könnten sich die Clubs vorbereiten und den Verkauf von Saisonkarten vorantreiben. Sonst bleiben sie noch lange im Ungewissen.» Vor allem befürchtet Schifferle, dass einige Vereine in arge finanzielle Not geraten könnten: «Es wird zwar wieder gespielt, aber Einnahmen gibt es keine. Deshalb ist es enorm wichtig, dass wir mit dem Bund eine für die Clubs annehmbare Lösung für die Notkredite finden.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.