Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mamablog: Erziehung auf Augenhöhe
Verstehen statt verbieten

Verbindung gesucht: Beweggründe zu finden, mag schwierig sein. Doch es lohnt sich!
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Als ich zum ersten Mal mit dem Thema «Grenzen setzen» konfrontiert wurde, war mein Sohn gerade ein paar Monate alt. Wir sassen bei der Kinderärztin, wo er meine Tasche so zufrieden ausräumte, dass ich mich sogar konzentriert seiner Wachstumskurve widmen konnte. Bis die Ärztin ihn beäugte und meine Studien mit einem resoluten: «Aso, Sie müend dem Chind scho Gränze setze!», unterbrach. Ich zog Grenzen. Es war unser letzter Besuch bei ihr.

Diese Szene war der Startschuss zum Thema Grenzen setzen, das in meiner Mutterkarriere fortan gleichermassen so verheissungs- wie vorwurfsvoll aufblinkte. Sei es in Büchern, Foren, Gesprächen oder in meinem eigenen Kopf. Grenzen setzen schien der goldene Schlüssel, um unerwünschtem Verhalten von Kindern zu begegnen. Das hat auch durchaus seine Berechtigung, denn Kinder brauchen unbedingt Grenzen, Orientierung und Sicherheit. Dadurch lernen sie, wann der eigene Spass anderen schadet, sie üben sich in Frustrationstoleranz und lernen die Welt, die Regeln und sich selbst kennen. Eltern, die zu allem Ja sagen, tun ihrem Kind bestimmt keinen Gefallen. Es gibt also keinen Grund, die Wichtigkeit von Grenzen infrage zu stellen.

Grenzen ja, aber …

Bloss: «Mach nicht dies!», «Tu nicht das!» oder «Ich will das aber so!» musste ich mir nicht erst aneignen, darauf griff mein Stammhirn ohnehin in jeder Stresssituation mit den Kindern automatisch zurück. Doch der bescheidene Erfolg des schlichten Setzens von Grenzen, liess mich hinterfragen, wie oft dieser Weg mir und den Kindern auch wirklich dient und wann er einfach der eigenen Machtlosigkeit und alten Glaubenssätzen entspringt, die aus der eigenen Biografie und von jahrhundertelanger Erziehungsgeschichte gespeist wird.

Der Verbindungsaufbau brauchte meine volle Konzentration, wohingegen ich banale Grenzsetzung jeweils locker aus dem Ärmel schüttelte.

Also versuchte ich es zwischendurch mit dem Gegenteil: der Verbindung. Was mir aber bedeutend schwerer fiel, obwohl ich jedes Mal merkte, dass sie Veränderung bringt. Der Verbindungsaufbau brauchte meine volle Konzentration, wohingegen ich banale Grenzsetzung jeweils locker aus dem Ärmel schüttelte.

Mit Verbindung meine ich übrigens keineswegs etwa Qualitätszeit beim «Leiterlispiel». Sondern mich – insbesondere, wenn es schwierig ist – auf die Beweggründe hinter einem Verhalten einzulassen. Denn wie Marshall Rosenberg der Begründer der gewaltfreien Kommunikation sagt, steckt hinter jedem Verhalten ein Gefühl und hinter jedem Gefühl ein Bedürfnis. Nun zuckt man vielleicht zusammen und denkt: «Ich will doch nicht auf jedes Pipifax-Gefühl meines Kindes eingehen, es muss doch kapieren, dass das nicht geht.» Richtig. Aber manchmal bedingt das eine eben auch das andere.

Unsere neue Königsdisziplin

Denn kooperieren mag der Mensch, egal ob gross oder klein, eben erst dann, wenn er wirklich gesehen wird. Diesem Weg steht aber oft das Missverständnis im Weg, dass wertfreies Zuhören gleiche Meinungen voraussetze. Doch dem ist nicht so. Wir können uns der Gefühlswelt des Kindes zuwenden, ohne damit einverstanden zu sein, dass es seinem Bruder eins überbrät. Natürlich ist es wichtig, zu sagen, dass wir das nicht wollen. Doch wenn wir bei einem wichtigen Thema eine wirkliche Veränderung bewirken wollen, kommen wir mit blossem Grenzen setzen wahrscheinlich nicht weit. Dann pariert das Kind vielleicht erst mal. Solange sein innerer Konflikt jedoch ungelöst ist, wird das Verhalten weiter präsent sein oder künftig einfach im Verborgenen geschehen.

Darum lohnt es sich – gerade bei Themen, die einem wirklich auf den Keks gehen – kurz innezuhalten und sich einzufühlen, beispielsweise mit: «Du bist gerade echt sauer auf deine Schwester. Kann es sein, dass du es gemein findest, dass ich vorher mit ihr allein gespielt habe?» Dabei kommt es gar nicht so drauf an, was für eine Mutmassung wir aussprechen. Nur schon, dass wir uns über die Beweggründe Gedanken machen, schenkt dem Kind Sichtbarkeit und wird die Stimmung verändern. Was wiederum den Boden bietet, darüber zu reden, wie es ein nächstes Mal mit einer solchen Situation umgehen könnte und was wir uns von ihm wünschen.

Bei uns haben sich alle grossen Veränderungen über diesen Weg angebahnt. Auch wenn ich diesen in Stresssituationen oft nicht gehe, sondern schlicht Grenzen setze; was voll okay ist. Aber es tut gut zu wissen, dass es den anderen Weg gibt. Dass er wie ein Muskel funktioniert, der so lange trainiert sein will, bis Verbindung in Stressmomenten herzustellen, genauso aus dem Ärmel geschüttelt werden kann, wie banale Grenzsetzung. Aber es lohnt sich, denn diese Königsdisziplin macht Unmögliches manchmal erst möglich.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.