Verdrängungskampf im AutomarktInternationale Hersteller verlassen China – und wenden sich neuen Ländern zu
Ausländische Marken tun sich auf dem grössten Automarkt der Welt zunehmend schwer. Liegt die Zukunft in Südostasien oder Indien?
Am grössten Automarkt der Welt führt eigentlich kein Weg vorbei. Doch nun haben erste Hersteller die Fahrtrichtung geändert: Raus aus China, heisst die Devise. Hyundai, der weltweit drittgrösste Autohersteller, verkauft seine Fabrik in Chongqing mit einer Produktionskapazität von 300'000 Fahrzeugen jährlich. Als Verhandlungspreis fordert der südkoreanische Konzern 470 Millionen Franken. Auch die Fabrik in Changzhou soll bis Ende Jahr an den Meistbietenden gehen. Der Marktanteil von Hyundai in China ist von 8,1 auf 3,5 Prozent gesunken. Ganz zurückziehen wird sich Mitsubishi. Die Japaner hatten 2022 nur noch 38'550 Autos in China abgesetzt – über 60 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
Die Zahlen sind Beleg eines Verdrängungskampfs. Die dank umfangreicher staatlicher Hilfe gewachsenen chinesischen Hersteller sind auf der Überholspur. Sie haben nicht nur Subventionen und günstige Kredite erhalten, sondern auch Schutz vor der ausländischen Konkurrenz. Von den 23,56 Millionen Autos, die in China letztes Jahr verkauft wurden, entfielen bereits über 50 Prozent auf die einheimischen Autobauer.
Chinesische Marken würden in Europa mit offenen Armen empfangen, China lege europäischen Herstellern hingegen nur Steine in den Weg, die Politik mische sich zu stark ein, klagte Carlos Tavares, Chef des Autogiganten Stellantis (Peugeot, Citroën, Chrysler, Opel, Alfa) sinngemäss.
«Entsetzlicher Preiskrieg»
Auch der langjährige Marktführer VW, der in China rund 40 Prozent seiner Autos verkauft, verliert an Boden. Wollte der deutsche Konzern vor einem Jahr noch sechs Millionen Autos bis 2030 in China absetzen, rechnet er nun noch mit deren vier, meldete die «Wirtschaftswoche». Beim Absatz hat der einheimische Elektroautobauer mit dem klingenden Namen Build Your Dreams (BYD) Volkswagen und Toyota an der Spitze überholt.
Gerade im stark wachsenden Elektroautomarkt gewinnen die Chinesen meist. Weil sie digital mehr Register ziehen als die internationale Konkurrenz – und die Autos wegen einer Überkapazität in der Produktion oft billiger auf den Markt kommen. Von mehr als 160 E-Auto-Marken in China, schätzt die Unternehmensberatung Alix Partners, dürften in sieben Jahren noch 25 bis 30 existieren. «Die stagnierende Wirtschaft und der entsetzliche Preiskrieg bei E-Autos und Verbrennern wird viele Hersteller dazu führen, China komplett aufzugeben oder zumindest dort viele Fabriken zu schliessen», sagt der in Asien tätige Berater Jochen Siebert in der «FAZ».
Doch wohin zieht es die Hersteller dann? Siebert sieht grosses Potenzial in Südostasien. Vor allem im 274 Millionen Einwohner zählenden Indonesien und dem 98 Millionen Menschen starken Vietnam werde die Nachfrage nach Autos bald schneller steigen als das Wirtschaftswachstum, ist er überzeugt. Während chinesische Elektroautobauer wie BYD, Changan, Great Wall Motors und SAIC wegen grosszügiger staatlicher Subventionen in Thailand investieren, will sich Hyundai laut koreanischen Medien stärker dem schnell wachsenden indischen Markt zuwenden. Die Koreaner haben von General Motors eine Fabrik in der Nähe von Mumbai übernommen. Mit ihrer zweiten in Chennai können sie künftig eine Million Fahrzeuge jährlich herstellen.
Chinesen dürfen nicht bauen – und Musk?
Der Dominator auf dem hinter China und den USA drittgrössten Automarkt der Welt ist seit Jahren Maruti Suzuki, ein Joint Venture zwischen dem japanischen Autohersteller und der indischen Regierung. Hinter Hyundai liegen mit Tata und Mahindra zwei weitere indische Autobauer auf den Plätzen drei und vier. Seinen Absatz gesteigert hat zuletzt die VW-Tochter Skoda. Dem Volkswagen-Konzern war lange kein Glück in Indien beschieden. Er versuchte es mit Auslaufmodellen, Billigautos, einer Suzuki-Kooperation – und scheiterte. Bei Skoda begründen sie den jetzt einsetzenden Erfolg damit, dass die Modelle erstmals auf die Bedürfnisse der indischen Kunden abgestimmt wurden. «Die Zeiten, in den man hier irgendwelche europäischen Kleinwagen verkaufen konnte, sind vorbei», sagt der für Indien zuständige Marketingchef.
Indiens Umstieg in die Elektromobilität ist hingegen beschwerlich und steht noch ganz am Anfang. Bis 2030 soll ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch sein. Der Plan von Chinas Elektroautobauer BYD, mithilfe eines indischen Partners eine Milliarde US-Dollar für die Elektroauto- und Batteriefabrik zu investieren, lehnte die hindunationalistische Modi-Regierung laut der «Times of India» wegen Sicherheitsbedenken ab. Einem Vorstoss von Great Wall Motors war es gleich ergangen.
Auch Tesla hat offenbar einen Investitionsvorschlag eingereicht: eine Fabrik für jährlich 500'000 Elektroautos zum Preis von 21'200 Franken pro Stück. Mit einer Vorzugsbehandlung könne Elon Musk nicht rechnen, wollen indische Medien wissen.
nlu
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