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Eine Frau im Männerfussball
«Wir brauchen im Fussball mehr Frauen mit Eiern»

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)
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In Kürze:
  • Die ehemalige Profifussballerin Valentina Maceri moderiert die Champions League bei Blue.
  • Sie kämpft gegen Sexismus im Sportjournalismus, bleibt jedoch gelassen.
  • Ihre Eltern waren zunächst skeptisch gegenüber ihrem Fussballinteresse.

Roman Kilchsperger steht im Berner Wankdorf, die Kameras laufen, es findet eine Schaltung zur zweiten Champions-League-Moderatorin bei Blue statt, zu Valentina Maceri. Kilchsperger sieht sie am heutigen Tag erstmals, begrüsst Maceri, im schulterfreien Bottega-Veneta-Kleid: «Wieso ziehst du dich so an, wenn ich nicht da bin?»

In einer optimalen Welt sollte in einem Porträt über Valentina Maceri rein über ihren Werdegang, ihre ausgezeichnete Art zu moderieren geschrieben werden. Im Jahr 2024, in dem wir alle wissen, was #MeToo bedeutet, ist das Theorie. Die Praxis in Valentina Maceris Leben, sie agiert unter Männern, sieht anders aus:

Vor ein paar Wochen war sie im deutschen Fernsehen beim «Doppelpass» von Sport 1 zu Gast. In der Regel ein Ort, an dem fünf, sechs Männer, bestehend aus Journalisten und ehemaligen Fussballern, über Fussball sprechen. Valentina Maceri erlaubte sich, dem BVB-Trainer Nuri Sahin die Aura abzusprechen und einem der Lautsprecher der Szene (namens Uli Köhler) Kontra zu geben, dem gefiel das nicht. Wer das nicht an dessen Reaktion ablesen konnte, der muss nur in die Kommentarspalte auf dem Instagram-Account des Senders blicken, der dort später Szenen teilte: 

«Was hat diese Frau mit Fussball am Hut?» (759 Likes)

«Woman.» (418 Likes)

«Frauen raus aus dem Männerfussball!» (33 Likes)

«Seit wann reden die Waschmaschinen über Fussball?» (27 Likes)

«Valentina halts Maul!» (2 Likes)

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Was machen solche Kommentare mit einer Frau? Wie behauptet man sich? Und: Wer ist diese Valentina Maceri, die seit über einem Jahr an jedem Champions-League-Spieltag im Schweizer Fernsehen zu sehen ist? 

«Ich bin da abgehärtet»

Ein paar Stunden bevor Kilchsperger ihr Kleid, übrigens in der Probe vor der Sendung, kommentiert hat – und später die Worte nachschob «Ach, Scheisse, der Journalist ist ja da» –, sitzt man ihr in der Zürcher Milchbar, unweit vom Paradeplatz, gegenüber und stellt ihr genau diese Fragen.

«Ich bin da abgehärtet», antwortet Valentina Maceri, 1993 in Nürnberg geboren, als man ihr die Screenshots mit den oben erwähnten Kommentaren zeigt. «Ich bin der letzte Mensch, der konstruktive Kritik nicht annimmt», aber diese Anfeindungen könne sie nicht ernst nehmen. Sie glaube, es gebe einige Gründe, weswegen sie abgewertet werde: Die Tatsache, dass sie nicht deutsch aussehe, aber perfektes Deutsch beherrsche, die Fachkompetenz, ihre, wie sie sagt, feminine Art – Lippenstift, knappe Röcke, lange Fingernägel –, sich zu kleiden.

Zudem etwas Naheliegendes, wie offenbar Erschreckendes: nämlich einfach eine Frau zu sein und eine Meinung zu haben – und all das ausgerechnet in diesem männlich geprägten Fussballterritorium zu zeigen. All das wirke bedrohlich für diese Social-Media-Männer, sagt sie.

Maceri ist das, was man eine toughe Frau nennt. Ob sie schon immer so war oder sie es sich zugelegt hat, schwer zu sagen, Tendenz Letzteres: «Ich musste immer kämpfen», sagt sie. Als sie ihren Eltern – ihr Vater, aus Rom stammend, ihre Mutter, eine Frau mit sardischen Wurzeln –, die in Nürnberg ein italienisches Restaurant betreiben, gesagt habe, sie wolle Fussball im Verein spielen, antworteten sie ihr, Fussball sei nichts für Mädchen, diese blauen Flecken und krummen Beine. Sie erlaubten es ihr nicht.

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Dennoch spielte Valentina Maceri weiterhin mit ihrem Cousin Vittorio, der damals ihr Vorbild war, Fussball. Er brauchte sie im Tor. «Ich wollte früher immer ein Junge sein», sagt sie, eine maschiaccia, also ein Mädchen, das sich wie ein Junge benehme. Auch das gefiel ihren Eltern nicht, «sie wollten, dass ich femininer bin, mir einen Sport suche, der mehr zu mir passt». Doch sie spielte weiter mit Vittorio.

Als sie mit zehn Jahren auf dem Pausenplatz kickte, wurde sie von einem Trainer entdeckt. Er wollte sie für sein Team gewinnen. «Ich darf nicht», antwortete Valentina ihm. Bei einem Kaffee im Wohnzimmer der Maceris gelang es ihm, die Eltern zu überreden. Schnell entdeckte sie der 1. FC Nürnberg, dann die deutsche Jugendnationalmannschaft, und als 18-Jährige spielte sie in der Champions League mit dem ASD CF Bardolino, sie war Profi geworden.

Mit 18 fasst sie einen Karriereentschluss

Doch sie bemerkte auch, dass es in ihrem Team Frauen in den Dreissigern gab, deren Vertrag nicht verlängert wurde und die, wie Maceri sagt, «mit nichts da standen». Auch weil mit Frauenprofifussball damals, 2013, noch weniger zu verdienen war als heute. Sie entschloss sich – weitsichtig für eine 18-Jährige, die gerade die ersten vier Champions-League-Partien in den Füssen hatte – den Profifussball an den Nagel zu hängen.

Sie setzte sich sofort ein neues Ziel: Maceri wollte die – aus ihrer damaligen Sicht – erste Frau im deutschen Fernsehen werden, die wirklich auf Augenhöhe mit Fussballspielern spricht, eine Ex-Profispielerin, die ernst genommen wird. Diesen Karriereentschluss mit damals ungewissem Ausgang fasste sie zum Leidwesen ihrer Eltern, die stolz auf ihre fussballspielende Tochter geworden waren.

15.58 Uhr, gut vier Stunden vor Sendebeginn, Valentina Maceri klopft eine Minute lang an die Fensterscheibe der Blue-Redaktion in Volketswil, bis ein älterer Mann sie hereinlässt. Ein Sinnbild für Maceris Werdegang: Nach einem Kommunikations- und Sportmanagementstudium und diversen Praktika landete sie ausgerechnet bei der «Bild», im wohl männlichsten Sportressort unter all den männlichen Sportressorts im deutschsprachigen Raum.

Valentina Maceri würde das nie so sagen. Sie drückt es anders aus: «Für die Männer dort ist die ‹Bild› wie eine Burg, die sie besitzen und verteidigen – und von aussen darf da keiner reinkommen. Aber ich kam von aussen rein.»

In Zürich fühlt Maceri sich akzeptiert

In den sechs Jahren bei der «Bild» fiel sie dort und an anderer Stelle mit ihrer messerscharfen, aber auch empathischen Art auf, interviewte Stars wie Hansi Flick, Alessandro Del Piero und Jude Bellingham. Aber meistens standen neben ihr eben Männer, die einen wichtigeren Part in den Sendungen einnahmen. In diesem Sommer verliess sie die «Bild». Ihr Resümee: Es sei eine lehrreiche Zeit gewesen. Doch die Perspektive habe ihr nun gefehlt.

17.45 Uhr, Gespräch zweier Kameramänner vor dem Blue-Studio: «Valentina ist da, was willst du mehr? Die Sendung ist geritzt.» Maceri hat sich innerhalb ihrer ersten Champions-League-Saison Respekt und Vertrauen im Blue-Team erarbeitet. Die Aufnahmeleiterin, die anfangs dachte, «brauchts jetzt wirklich eine Deutsche?», beantwortet sich die Frage selbst: «Voll.» Und: «Valentina ist wow», weil sie eine ganz andere Rolle als ihre Vorgängerin bei Blue einnehme, gleichberechtigter Part neben Kilchsperger sei. Sie ist nun nicht nur mehr Stichwortgeberin, sondern Gastgeberin, die in den Sendungen wiederholt ihre Erfahrungen als ehemalige Profifussballerin einfliessen lässt.

Nach dem Aus bei der «Bild» in Berlin schaut sie sich gerade nach Wohnungen um. Das Herz sage Mailand, Maceri möchte auch den italienischen Markt erobern, der Verstand hingegen: Zürich. «Ich fühle mich hier erstmals so akzeptiert, wie ich bin», sagt Maceri.

Dabei ist es ihr egal, ob sie knielange Stiefel anhat oder mehr Make-up als andere Frauen trägt. Noch vor ein paar Jahren habe sie, weil sie geglaubt habe, ihre Kompetenz werde deswegen durch ihre männlichen Kollegen angezweifelt, häufiger darauf verzichtet, «eine feminine Frau» zu sein. Aber die eigentliche Valentina sei nicht zum Vorschein gekommen, sagt sie – dazu braucht es paradoxerweise Schminke.

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Kurz vor 20 Uhr, mittlerweile sind die Experten eingetroffen, die Ex-Profis Marco Streller und Fredi Bobic. Sie werden gleich mit dem Anpfiff in den europäischen Stadien, geführt von einer charmanten Maceri, ihre Eindrücke abgeben. Dazwischen lungern sie in der Gästelounge des Senders herum und schauen sich die Spiele auf sieben Bildschirmen gleichzeitig an.

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

«Sie weiss, wovon sie spricht», sagt Bobic, der ehemalige deutsche Nationalspieler, in einer dieser On-Air-Pausen, in der er auch sagt: «Ich habe etwas gegen Frauen im Männerfussball.» Ein Satz wie aus dem Jahr 1996, als Bobic Europameister wurde. Im Heute gibt es immer mehr Expertinnen, Kommentatorinnen und Moderatorinnen, Frauen also. Auch der Fussball soll diverser werden. Davon halte er nichts, sagt Bobic. Diese Frauen sollten beim Frauenfussball bleiben. Maceri lauschte dem Gespräch auf dem Sofa zu und sagt: «Ich verstehe deinen Ansatz, Fredi.»

Diese demütige Replik passt einerseits gut zu Maceri, andererseits überhaupt nicht, schlau ist sie allemal: Sie verurteilt nämlich nicht. Bobics Ausführungen ähneln nämlich den harmloseren Sätzen, die Männer unter Maceris Social-Media-Auftritten äussern: «Fussball war das Einzige, wo wir Männer unsere Ruhe hatten. Jetzt zecken sie sich auch beim Männerfussball ein», heisst es dort etwa – und dass die «Damen» ehemaligen Spielern einen Platz in den Expertenrunden wegnehmen würden. Sei das nicht der Grund, warum Männer auf sie so wütend reagierten? «Das ist die richtige Theorie», hat Maceri mittags noch im Café geantwortet.

«Ich hoffe, dass du vergewaltigt wirst»

22.33 Uhr, die zweite Halbzeit läuft, Lounge, bald steht die finale Matchanalyse an: Maceri tippt immer wieder auf ihrem Handy herum. In dieses müssen wir uns, um ein ganzes Bild davon zu erhalten, was passiert, wenn eine Frau inmitten einer Fussballfestung agiert, kurz begeben: Per Instagram oder Mail werden ihr auch mit Sperma bespritzte Bilder von ihr oder Sätze wie dieser zugesendet: «Ich hoffe, dass du von einer Gruppe von Flüchtlingen vergewaltigt wirst, damit wir dich hier nicht mehr ertragen müssen.» 

Der Polizei meldet Maceri solche Gewaltandrohungen und sexuellen Übergriffe nicht. Das würde nur Aufwand für sie bedeuten, sagt Maceri. Solange sie nur virtuell blieben, könne sie damit leben. Woher kommt diese Widerstandsfähigkeit? «Weil ich es mein ganzes Leben schon habe sein müssen», gibt sie zur Antwort.

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Maceri lebt eine Art praktisch-konservativen Feminismus. Von der Frauenquote, sagt sie, halte sie wie Bobic nichts. Das passt zu ihrem weiteren Weltbild: Maceri lehnt das Gendern ab, findet Giorgia Meloni «nicht schlecht», betet jeden Abend, gibt «als Mutter und Ehefrau» zur Antwort, wenn man sie fragt, wie sie sich in zehn Jahren sieht.

Kilchspergers Spruch? Nur ein harmloser Scherz, sagt Maceri

Apropos Frauenrolle: «Wir brauchen im Fussball mehr Frauen mit Eiern», sagte sie auch einmal –  und auf einer Plattform im Internet, in der man sie als Rednerin buchen kann, wird sie mit dem Satz angepriesen: «Wie man mit Weiblichkeit in einer Männerdomäne punktet.»

Zu diesem Berufsverständnis gehört auch, dass Maceri den Kilchsperger-Satz nicht als schlimm empfindet. Es sei ein harmloser Scherz gewesen, sagt sie. Sie seien ein eingespieltes Team, mit einer gewissen Chemie.

Doch was ist mit Frauen, die Sätze wie die von Kilchsperger oder Bobic – und erst recht nicht die im Netz – nicht aushalten können und vor allem: nicht wollen?

Portrtait Valentina Maceri.
Valentina Maceri ist die Champions League-Moderatorin bei Bluewin. Marcel Reif hat sie empfohlen, eine ehemalige Profifussballerin. Sie hat auch immer wieder mit Sexismus in der Berichterstattung zu kämpfen. Wer ist die Frau? (Sie verlagert gerade auch den Schwerpunkt ihrer Arbeit von Deutschland in die Schweiz und nach Italien).
23.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Mitternacht, die Aufzeichnung ist vorbei: Valentina Maceri umarmt die Menschen im Studio – alle müde. Diese Szene zeigt die weiche und dankbare Seite einer Frau, auf deren Arm das Wort «famiglia» prangt. Eine Frau, die sagt, sie würde sich wünschen, wenn sie zwei, drei Mädchen Mut machen könnte auf dem Weg in Richtung Fussball und Journalismus. Schon länger, apropos, sucht Blue händeringend Kommentatorinnen, findet aber keine. Dabei spielen von Jahr zu Jahr mehr Frauen in der Schweiz Fussball. Woran kann das nur liegen?