Vail Resorts übernimmt Crans-Montana Wer ist der US-Gigant, der in der Schweiz Skigebiete kauft?
Vail Resorts ist bekannt für einen aggressiven Übernahmekurs und neuartige Preismodelle. Die «Amerikanisierung» der Wintersportorte kommt nicht überall gut an.
Unter den Betreibern von unabhängigen Skigebieten in den USA kursiert ein Spruch: Wie lange dauert es wohl, bis uns Vail Resorts übernimmt? Sie spielen damit darauf an, dass das Unternehmen mit Sitz in Broomfield im US-Bundesstaat Colorado durch grosse Einkaufstouren zu einem der wichtigsten Tourismusanbieter des Landes geworden ist.
Verfügte Vail im Jahr 2002 noch über fünf Skigebiete, so sind es heute bereits 41 Resorts. Verteilt auf vier Länder. Zum Portfolio gehören unter anderem berühmte Skigebiete wie Vail und Beaver Creek in Colorado, Park City in Utah sowie eine Mehrheitsbeteiligung an Whistler Mountain in Kanada.
Aktuell befindet sich die Schweiz im Blickfeld des Konzerns: Am Donnerstag gab die Firma die Übernahme von Crans-Montana bekannt – für einen Preis von 118,5 Millionen Franken. Erst im März 2022 hatte Vail vom ägyptischen Investor Samih Sawiris ein Paket von 55 Prozent an Andermatt-Sedrun übernommen und dafür knapp 150 Millionen Franken ausgegeben.
Mit beiden Investitionen in der Schweiz fasst Vail erstmals Fuss in Europa. Konzernchefin Kirsten Lynch bezeichnet den Markteintritt in Europa als «eine langfristige strategische Priorität». Eine solche bietet Crans-Montana: Die Ortschaft wird 2027 die alpine Ski-WM durchführen und damit ein ideales Werbefenster bieten. Dazu ist Vail im Wallis mit dem Skigebiet Verbier/4 Vallées eine Partnerschaft eingegangen.
Wie Andermatt soll auch Crans-Montana ab der kommenden Skisaison Teil des sogenannten Epic Pass werden. Mit diesem speziellen Preismodell ist Vail in den USA bekannt geworden. Das Unternehmen hat früh damit begonnen, seine Abonnemente national sowie international auszurichten.
1025 Dollar für eine weltweite Saisonkarte
Der Epic Pass funktioniert als Saisonkarte für alle Skigebiete, die zum Unternehmen gehören oder mit denen eine Partnerschaft besteht. Wer einen Epic Pass besitzt, kann also in den USA, in Kanada, aber auch in Europa und in Japan Ski fahren. Eine Viertageskarte ist derzeit für 412 Dollar erhältlich, die Saisonkarte für 1025 Dollar.
Mit dem Epic Pass dürfte Vail die hiesigen Tarifstrukturen aufmischen: In der Schweiz existieren relativ wenige überregionale oder nationale Kartenverbünde. Wenn die Skigebiete solche anbieten, dann sind sie eher lokal oder regional zusammenhängend.
Die aggressiven Zukäufe und die Lancierung des Epic Pass sorgen vor allem im Ausland für Kritik. Die Einheimischen im kanadischen Whistler stören sich an den hohen Tarifen, die wohlhabende Jetset-Kundschaft anlocke und die regionale Bevölkerung benachteilige.
Laut Medienberichten treibt das wiederum die Mieten in die Höhe, weil sich die Reichen gern im Skiresort niederlassen. Die Einheimischen und zugezogene Mitarbeiter von Vail sehen sich deshalb mit steigenden Lebenskosten konfrontiert. (Mehr dazu: Andermatts neuer Chef vergrault Einheimische und Angestellte.)
Seit dem Höchstkurs Ende November 2022 hat die Aktie von Vail Resorts um fast 19 Prozent nachgegeben.
Darüber hinaus verdrängen Boutiquen für Luxusgüter die lokalen Läden. Die Rede ist vom «Vail-Effekt». Schliesslich leistete sich Vail mit der Smartphone-App in Kanada einen Fauxpas. Die Anwendung gab die Temperatur in Fahrenheit statt der in dem Land gebräuchlichen Celsius an.
Auf die Kritik reagierte Vail, indem das Unternehmen den Bau neuer Unterkünfte zu erschwinglichen Mieten für die Angestellten prüfte.
Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück auf Anfang der 1960er-Jahre. Damals gründeten Pete Seibert und Earl Eaton in der Ortschaft Vail im Bundesstaat Colorado das gemeinsame Unternehmen Vail Associates. Der Skiort ist bekannt für die «Back-Bowls», riesige Tiefschneekessel.
Während sich Seibert um die Finanzierung des Unternehmens kümmerte, baute Eaton die ersten Skilifte. 1962 eröffnete die Firma in Vail ihr erstes Skiresort.
Seither hat das Unternehmen eine turbulente Firmengeschichte hinter sich: Vail ging einmal in Konkurs, wechselte zweimal den Besitzer, bezog einen neuen Hauptsitz und änderte den Namen in Vail Resorts. Seit 1997 ist der Skiresortbetreiber an der New Yorker Börse kotiert. Seit dem Höchstkurs Ende November 2022 hat die Aktie um fast 19 Prozent nachgegeben. Grund ist, dass Analysten von trüben Gewinnaussichten ausgehen.
Neben dem Betrieb von Skigebieten ist Vail in zwei weiteren Geschäftsfeldern tätig: Der Bereich Vail Resorts Hospitality besitzt oder verwaltet Hotels, Unterkünfte, Eigentumswohnungen und Golfplätze. Die Vail Resorts Development Company ist für den Besitz und die Entwicklung von Immobilien zuständig. Zu den bedeutenden Konkurrenten gehören die Alterra Mountain Company sowie die Aspen Skiing Company, die beide ebenfalls in Colorado beheimatet sind.
Für das am 31. Juli abgelaufene Geschäftsjahr 2022/23 meldete Vail Resorts vor wenigen Tagen einen Umsatz von 2,89 Milliarden Dollar und einen Nettogewinn von 268 Millionen Dollar. Das Unternehmen sitzt also auf prall gefüllten Koffern. Zuletzt beschäftigte Vail knapp 7200 Mitarbeiter.
Gut möglich, dass sich bald schon die Betreiber von unabhängigen Schweizer Skigebieten fragen: Wie lange dauert es wohl, bis uns Vail Resorts übernimmt?
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