Omaha in NebraskaDiese Stadt könnte die US-Wahl entscheiden, eine Ausnahmeregel machts möglich
Am Ende könnte eine einzige Stimme der 538 Wahlleute den Ausschlag im Rennen zwischen Harris und Trump geben. Und diese Stimme wird womöglich in einer «Small Town» in Nebraska vergeben.
- Tim Walz tourt in Omaha, um Wählerstimmen für Kamala Harris zu sichern.
- Nebraska vergibt Wahlleute teils proportional, was Omaha entscheidend macht.
- Demokratin Kamala Harris führt derzeit im entscheidenden Second District Omaha.
- Trump hofft, Nebraskas Wahlsystem umzukehren, um Omaha ganz zu gewinnen.
Dieser Tage war Tim Walz mal wieder als Wahlkämpfer in Nebraska unterwegs. Zum Rocksong «Small Town» von John Mellencamp kam der Vizepräsidentschaftskandidat von Kamala Harris in Omaha auf die Bühne. Omaha hat rund 500’000 Einwohner und ist die einzige echte Grossstadt in Nebraska, aber die Leute im Publikum waren so freundlich, auch bei «I live in a small town» mitzusingen.
Nebraska gehört nicht zu den sieben Swing-States, die bis zum Wahltag am 5. November wahrscheinlich die halbe Welt wird auswendig aufsagen können. Dass Walz in diesem extrem engen und kurzen Wahlkampf trotzdem zum wiederholten Male hier auftaucht, hat wohl zwei Gründe: Zum einen ist da aufrichtige Zuneigung. Walz, der Gouverneur von Minnesota, ist in Nebraska geboren und aufgewachsen. «Es ist schön, zu Hause zu sein», rief er den Leuten in Omaha zu.
Omaha könnte für Harris und Walz die Entscheidung bringen
Zweitens geht es bei dieser Ortswahl wohl auch um einfache Mathematik. Das Rennen in den Swing-States ist so eng, dass es bei der Frage, wer ins Weisse Haus einzieht, am Ende um eine einzige Stimme unter den 538 Wahlleuten gehen könnte. Und diese Stimme wird womöglich in Omaha vergeben. (Lesen Sie zum Thema die Reportage: Wie schlimm ist es wirklich in San Francisco?)
Wie viele andere Städte in verlässlich republikanisch wählenden Bundesstaaten, etwa Austin in Texas, Louisville in Kentucky oder Nashville in Tennessee, ist auch Omaha deutlich linker und liberaler geprägt als das Land drumherum. Man spricht in Anlehnung an die Farbe der Demokraten von «blue dots», von blauen Pünktchen auf grossen roten Flächen.
Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied zwischen dem blauen Punkt von Nebraska und anderen Blaupunktstädten: Hier in Omaha können Demokraten mit ihrer Wahlstimme tatsächlich etwas verändern. «Ein Punkt macht den Unterschied», rief Walz seinem Publikum zu.
Nebraska kann Stimmen der Wahlleute splitten
Nahezu alle Bundesstaaten vergeben ihre Wahlleute für das Electoral College, also für das Gremium, das den US-Präsidenten wählt, nach dem «Winner takes it all»-Prinzip. Das heisst, dass beispielsweise alle 19 Stimmen, die Pennsylvania zu vergeben hat, entweder an Kamala Harris oder an Donald Trump gehen – egal wie winzig der Vorsprung der einen oder des anderen am 5. November sein wird. Alle Staaten machen das so, bis auf zwei: Maine und Nebraska. Diese beiden Staaten können die Stimmen ihrer Wahlleute splitten.
Nebraska entsendet insgesamt fünf Wahlleute ins Electoral College, zwei für die Partei, die im ganzen Bundesstaat gewinnt, das waren seit 1964 immer die Republikaner. Und dazu noch jeweils einen für die Sieger der drei Wahlkreise. Zwei davon sind so verlässlich republikanisch wie das Gesamtergebnis in Nebraska. Und dann ist da noch der sogenannte Second District, der Wahlkreis Omaha. Da führt in den Umfragen die Demokratin Kamala Harris.
Eine Stimme von 538 im Electoral College, das mag nicht nach allzu viel klingen. Aber es gibt ein gar nicht einmal so unwahrscheinliches Szenario, in dem diese eine Stimme am Ende über die Zukunft der USA entscheidet. Um ins Weisse Haus einzuziehen, braucht man 270 Stimmen im Electoral College.
Was passiert, wenn es zu einem Patt kommt?
Falls die Republikaner in den vier südlichen Swing-States vorne liegen sollten – also in Arizona, Nevada, Georgia und North Carolina –, und falls die Demokraten wiederum die drei Swing-States im Norden gewinnen – also Michigan, Wisconsin und Pennsylvania –, dann hätte Kamala Harris exakt die nötigen 270 Stimmen zusammen, um Präsidentin zu werden. Allerdings nur, wenn sie wirklich auch den Second District in Nebraska gewinnt – der ist in dieser Rechnung fest eingepreist.
Falls aber in diesem Szenario Trump den Wahlkreis in Omaha gewinnen sollte, ergäbe sich im Electoral College ein Patt aus jeweils 269 Stimmen. In diesem Fall würde das Repräsentantenhaus den nächsten US-Präsidenten bestimmen, allerdings nicht mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder, sondern – wie könnte es anders sein im US-Wahlrecht? – mit einem recht komplizierten Abstimmungsverfahren unter den Delegationen aller Bundesstaaten im Haus. Da die Republikaner dort mehr Delegationen stellen als die Demokraten, würden sie garantiert Donald Trump zum Präsidenten machen.
Barack Obama gewann in Omaha
Aktuellen Umfragen zufolge gewinnen die Demokraten in Omaha. Aber ganz so sicher wie ursprünglich gedacht sind sie sich offenbar nicht, denn sonst wäre Tim Walz gewiss nicht schon zum zweiten Mal in diesem Wahlkampf in Nebraska aufgetreten. Umgekehrt rechnet sich die Trump-Kampagne offenbar etwas aus. Am vergangenen Wochenende trat neben Walz nämlich auch Robert F. Kennedy Jr. in Omaha auf. Kennedy hatte sich zunächst selbst um die Präsidentschaft beworben, bevor er sich Trump unterwarf.
Der Second District ist keineswegs ein traditionell linksliberaler Wahlkreis. Meistens lagen hier die Republikaner vorn, genau wie im Rest von Nebraska. Barack Obama war seit den 1960er-Jahren der erste Demokrat, der in Omaha gewann. Die Obama-Kampagne hatte damals das Potenzial der Stadt erkannt und dort massiv in Wahlwerbung investiert. Schon 2012, bei seiner Wiederwahl, verlor Obama in Omaha aber wieder gegen den Republikaner Mitt Romney. 2016 gewann dort Donald Trump gegen Hillary Clinton und vier Jahren später Joe Biden gegen Trump. Wenn man so will, ist Omaha also eine Swing-City.
Trumps Pläne für Nebraska
Selbstverständlich will Donald Trump alle Stimmen aus Nebraska. Und dafür versucht er nicht nur, die Wähler von Omaha zu überzeugen, sondern auch die Politiker im Senat von Nebraskas Hauptstadt Lincoln unter Druck zu setzen, die das 1991 eingeführte Wahlleute-Splitting wieder abschaffen könnten. Zuletzt soll Trump deshalb mehrmals Senatoren im Einkammerparlament von Lincoln angerufen haben. Schon im Frühjahr schrieb er auf «Truth Social», die meisten Menschen in Nebraska würden seit langer Zeit zum alten System zurückwollen. «So war es die Absicht der Gründungsväter, und so ist es am besten für Nebraska.»
So wäre es im Jahr 2024 vor allem am besten für Donald Trump. Noch scheinen die Senatoren dem Druck standzuhalten, aber rein theoretisch könnte das Wahlsystem von Nebraska noch am Vortag der Präsidentschaftswahl geändert werden.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.