Hillary Clinton am DemokratenkongressSie will Harris ins Amt helfen, das ihr selbst versagt blieb
Die frühere Präsidentengattin holte 2016 mehr Stimmen als Donald Trump und verlor trotzdem. Sie ist die grosse Unvollendete der amerikanischen Politik.
Sie kennt das ja alles. Die Rolle als Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten. Die Hoffnung, erste Präsidentin der USA zu werden. Den Kampf gegen Donald Trump. Sie hat das alles erlebt, und jetzt ist Hillary Clinton Wahlhelferin – für eine andere Frau, für Kamala Harris. Zum Start des Parteikongresses der Demokraten am Montag in Chicago soll sie als eine Art Einpeitscherin auftreten, noch vor dem scheidenden Präsidenten Joe Biden.
Hillary Clinton war schon bei so vielen Wahlkämpfen und so vielen Democratic National Conventions dabei. 1996, damals Ende vierzig, warb sie als First Lady ebenfalls in ihrer Geburtsstadt Chicago für die Wiederwahl ihres Mannes Bill. Man kann sich die alten Bilder im Netz anschauen, vor ihr hatte Aretha Franklin die Nationalhymne gesungen. Hillary Clinton sprach dann von ihrer Tochter, von der Familie und davon, dass es einen Präsidenten brauche, der Überzeugungen in die Tat umsetze: «Dazu braucht es Bill Clinton.»
Sie wird auch ihren Einsatz für Kamala Harris bei diesem Parteitag mit professioneller Inbrunst über die Bühne bringen, mit 76 gehört sie längst zu den erfahrensten Politgrössen der Welt. Und doch wird sie sich immer wieder die Frage stellen, wieso es bei ihr mit dem wichtigsten Job Amerikas nicht geklappt hat. Die Antwort kennt sie natürlich.
Zuerst war ihr Obama im Weg und dann Trump
2008 war bereits bei den Vorwahlen Barack Obama im Weg, er wurde in grosser Geschwindigkeit populärer als sie. Der Sieger machte die Verliererin dann immerhin zur Aussenministerin, der wichtigste Job ihrer Karriere. 2016 während des Duells mit Trump flog im Wahlkampf der Gebrauch ihres privaten Servers für dienstliche Mails auf. Es war ein entscheidender Grund dafür, dass er gewann.
Sie bekam dennoch mehr Stimmen als der Republikaner und verlor – das Wahlsystem der USA macht es möglich. Es war derselbe Tag, an dem Kamala Harris aus Kalifornien in den Senat gewählt wurde. Zu Trumps Amtseinführung erschienen die Clintons im Januar 2017 trotz ihrer Wut. Sie wolle die Demokratie und deren Werte ehren, schrieb Hillary Clinton: «Ich werde nie aufhören, an unser Land und seine Werte zu glauben.»
Die Niederlage vor acht Jahren muss sie besonders getroffen haben, mal ganz abgesehen von den Folgen für Amerika. Ihr Account war seinerzeit geknackt worden, offenbar von Hackern für die russische Regierung. Über Wikileaks und US-Medien gelangten mehr als 30’000 Mails an die Öffentlichkeit.
Kürzlich wurde auch Trumps Wahlkampfzentrale gehackt, als verdächtig gelten iranische Experten. Aber führende Medien, denen das Material zugespielt wurde, behalten die Mails für sich. Die «Los Angeles Times» wies gerade darauf hin, dass da doch sehr unterschiedliche Massstäbe angelegt wurden.
Verkörperung des ungeliebten Polit-Establishments
Das Magazin «Time» war 2006 mit Hillary Clinton und der Option «Love her» oder «Hate her» auf dem Titel erschienen. In Teilen der Bevölkerung galt sie als abgehoben und als Verkörperung des ungeliebten Washingtoner Politikbetriebs. An ihr scheiden sich die Geister, doch sie hat Widerstand und Enttäuschungen immer wieder hinter sich gelassen, auch die Affäre ihres Gatten Bill, des damaligen Präsidenten. Sie war acht Jahre mit ihm im Weissen Haus, nachher Senatorin für New York, schliesslich Barack Obamas Chefdiplomatin.
Ehe Joe Biden als Kandidat aufgab, wurde sie von einigen Zeitungen sogar als mögliche Nachfolgerin gehandelt – das war reine Fantasie. Die Juristin ist derzeit Professorin für internationale und öffentliche Angelegenheiten an der Columbia University in New York. Jetzt will auch diese Unvollendete Kamala Harris helfen, das zu schaffen, was ihr versagt blieb. Dass ausgerechnet Trump der Verlierer wäre, gefiele ihr sicher umso besser.
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