Trump vs. HarrisSchweiz schickt SVP-Hardliner als Wahlbeobachter in die USA
Vor vier Jahren war Jean-Luc Addor noch für Trump, jetzt gibt sich der Nationalrat neutral. Der Grund: Er überwacht in einem Swing-State die Wahl.
Die Stunde der Wahrheit naht: Am 5. November entscheidet sich, ob künftig Donald Trump oder Kamala Harris die USA regiert. Bei der Prüfung, ob bei den Präsidentschaftswahlen alles mit rechten Dingen zugeht, wird zumindest stichprobenartig auch ein Schweizer mithelfen. SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor reist als Wahlbeobachter nach Amerika. Er ist das einzige Mitglied des Schweizer Parlaments, das an dieser Mission teilnimmt.
Der Walliser Politiker ist erstmals als Wahlbeobachter im Einsatz. Den Job hat Addor erhalten, weil er der parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) angehört. «Es ist eine einmalige Gelegenheit, vor Ort die Wahlen in diesem grossen Land miterleben zu können», sagt Addor. Er freue sich, das amerikanische Politsystem besser kennen zu lernen.
Zuerst Washington, dann Nevada
Addors Einsatz dauert vom 2. bis 6. November. Zuerst wird er für ein Briefing mit den Verantwortlichen der OSZE nach Washington reisen. Danach geht es für ihn weiter nach Nevada, wo sich zum Beispiel Las Vegas befindet. In diesem Bundesstaat wird der SVP-Politiker Wahllokale besuchen.
Nevada ist einer der Staaten, in denen die Wahl zwischen Trump und Harris entschieden wird. Er gehört zu den sogenannten Swing-States. Sechs Wahlmänner-Stimmen sind zu vergeben. 2020 setzte sich Biden mit gerade mal 33’596 Stimmen Unterschied derart knapp durch, dass Trump danach noch wochenlang das Auszählungsergebnis anzweifelte und Manipulationsvorwürfe erhob. Auch 2016 gewann in Nevada die demokratische Kandidatin Hillary Clinton gegen Trump. Nun wird erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet.
Trump-Fan ist jetzt neutral
Vor vier Jahren bekannte sich Addor noch als Trump-Unterstützer. «Trumps Doktrin ‹America First› spricht mich an, weil ein Politiker die Interessen der eigenen Leute vertreten sollte», sagte er gegenüber «20 Minuten». Eine Wahl Trumps sei eher im Interesse der Schweiz.
Solche Äusserungen lässt sich Addor nun nicht mehr entlocken. «Als Wahlbeobachter bin ich neutral», sagt der 60-jährige Anwalt. «Es spielt keine Rolle, ob ich Präferenzen für Trump oder Harris habe.» Als in der Schweiz gewählter Politiker kümmere er sich ohnehin um die Interessen der Schweiz.
Hierzulande hat Addor bisher vor allem in zwei Fällen für Kontroversen gesorgt. Im Zuge von Terroranschlägen forderte er 2017, dass die Bürger in der Öffentlichkeit Waffen tragen dürfen wie in den USA. Addor ist Präsident der Gesellschaft Pro Tell, die sich für ein freiheitliches Waffenrecht in der Schweiz einsetzt.
Zudem wurde er vor ein paar Jahren wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil. Addor zog dieses dann aber weiter an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er glaubte, dass sein Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt worden sei. 2014 hatte Addor nach einer Schiesserei in einer St. Galler Moschee auf X und Facebook geschrieben: «Wir bitten um mehr!»
Wahlbeobachter nicht überall erwünscht
Nun erwartet ihn eine besonders delikate Mission. Addor ist sich dessen bewusst. «Die Situation in den USA ist angespannt», sagt er. Vor vier Jahren habe es viele Beanstandungen gegeben. Teile der Bevölkerung hätten die Wahl von Joe Biden nicht anerkannt. «Russland, China und andere Interessengruppen versuchen, Einfluss zu nehmen. Das ist nicht vergleichbar mit den Wahlen in der Schweiz.»
Gemäss Addor können die Wahlbeobachter nicht alles kontrollieren. Er verweist darauf, dass in 18 Bundesstaaten der Einsatz von internationalen Beobachtern gesetzlich eingeschränkt oder sogar verboten ist. Zudem konnte Addor auch nicht den Prozess verfolgen, bei dem sich die Wahlberechtigten registrieren lassen mussten, um ihre Stimme abgeben zu können. «Wir sehen nur das, was in den Wahllokalen geschieht, die wir besuchen. Ich hoffe sehr, dass alles regulär abläuft und es keine Manipulationen gibt.»
OSZE beobachtet auch die Schweiz
Als Mitgliedsstaat der OSZE haben sich die USA verpflichtet, Wahlen gemäss den Standards der Organisation durchzuführen und internationale Wahlbeobachter einzuladen. In diesen Tagen findet die elfte Mission in den USA seit 2002 statt. Es handelt sich allerdings um einen begrenzten Einsatz, da laut OSZE «weniger Bedenken hinsichtlich der technischen Abwicklung des Wahlvorgangs am Wahltag bestehen».
Neben einer Expertengruppe sind seit Anfang Oktober rund 50 Langzeitbeobachter der OSZE in Amerika stationiert. Dazu kommen die Mitglieder der parlamentarischen Versammlung wie Addor, die in mehreren Bundesstaaten rund um den Wahltag präsent sind.
Auch bei den Wahlen in der Schweiz sind jeweils Beobachter der OSZE dabei. Nach den Parlamentswahlen vor einem Jahr wurden von diesen im Nachgang Verbesserungsvorschläge gemacht – etwa bei der Offenlegung der Wahlkampffinanzierung.
Ausser Frage steht für Addor, dass die Präsidentschaftswahl in den USA Auswirkungen auf die Weltpolitik haben wird. «Insbesondere auf den Krieg in der Ukraine», sagt er. Die Wahl sei aber eine inneramerikanische Angelegenheit. «Die Schweiz hat sich da nicht einzumischen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit der Person zusammenzuarbeiten, die gewählt wird.»
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