US-Wahlen 2024Warum China Trump als Präsidenten bevorzugt
Zwar wirkt Joe Biden berechenbarer und um Annäherung bemüht. Dennoch dürfte sich die chinesische Regierung mit dem Republikaner besser arrangieren können.
Es läuft wohl auf ein Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden hinaus, auch wenn die Republikanerin Nikki Haley noch nicht aufgegeben hat. Aber jetzt müsse man sich die entscheidende Frage stellen, schreibt Jin Canrong, Professor an der Renmin-Universität in Peking und US-Experte: Welcher der beiden wahrscheinlichen Kandidaten bringt China mehr Vorteile?
Jin meint: Trump werde die USA isolieren, Beziehungen zu Verbündeten zerstören und eine Annäherung an Russland betreiben. Aber China? Egal, wer an der Macht sei, prognostiziert der Professor, Washington werde das Land immer als Gegner sehen.
Das ist die Überzeugung, die auch in Chinas Regierungsspitze vorherrschen dürfte. Immer wieder spricht Präsident Xi Jinping von «nie da gewesenen schweren Herausforderungen» und nennt als Grund vor allem die westlichen Länder, «angeführt von den USA». Diese verfolgten eine «umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas», wie Xi vor einem Jahr in Peking erklärte. Das heisst, egal wer im November die Wahl gewinnt, die Kommunistische Partei dürfte sich nicht der Illusion hingeben, dass ein Neustart möglich ist.
Trump plant schon neue Zölle
Die entscheidende Frage ist für Peking deshalb, welcher Kandidat eine für China vorteilhaftere Politik betreibt. Trump hat in seiner Amtszeit den Handelsstreit begonnen und Zölle auf chinesische Waren in Milliardenhöhe verhängt. Wird er wiedergewählt, plant Trump bereits die nächste Eskalation: Zölle von mehr als 60 Prozent auf alle chinesischen Importe.
Also doch lieber Biden? Der aktuelle Präsident hat die meisten von der Trump-Administration verhängten Zölle zwar nicht zurückgenommen, dafür ist seine Politik berechenbarer. Die US-Seite wirkt um Annäherung bemüht, um zumindest wichtige Kommunikationskanäle offenzuhalten. Doch Pekings Kalkül dürfte ein anderes sein.
«Echter Schurke» oder «Heuchler»: So sieht das China
Uniprofessor Jin beschreibt die Sichtweise vieler Chinesen: Trump sei ein «echter Schurke», seine China-Politik «simpel und unausgegoren». Doch wenn er noch eine Amtszeit regiert, dürfte er helfen, den «Schleier» von Amerikas Demokratie zu reissen. In China bewunderten noch zu viele Menschen das amerikanische System, kritisiert er, Trump habe geholfen, das «wahre Gesicht» der USA zu entblössen.
Mit Biden sei das anders. Dieser sei ein «Heuchler», und mit solchen sei es schwieriger umzugehen. So sieht Professor Jin das. Biden arbeite mit Tricks, seine Politik der Allianzen mit Europa, Japan und Australien sei ein Beispiel dafür. Der US-Präsident nutze die internationalen Regeln – die zwei Worte hat der Kommentator in Anführungszeichen gesetzt –, um China kleinzuhalten.
China nutzt die Gunst der Stunde
Ein für China sehr wichtiger Faktor ist das Verhältnis zwischen den USA und Europa. Das zeigte Aussenminister Wang Yi, als er nach München zur Sicherheitskonferenz reiste – um die Gunst der Stunde zu nutzen. Kurz zuvor hatte Trump erklärt, säumige Nato-Bündnispartner nicht zu verteidigen. Wang Yi inszenierte China nun, wie so viele Male zuvor, als «stabilisierende Kraft», die sich für die Stärkung globaler Institutionen einsetzt.
Pekings grösste Angst ist eine Allianz freiheitlicher Staaten gegen China, die geschlossen auf dessen Grenzüberschreitungen reagiert. Gemeinsame Exportkontrollen und Sanktionen wären ein Albtraum. Mit Trump, der die Europäische Union 2018 in einem Interview offen als «Feind» der USA bezeichnete, ist die Gefahr einer längerfristigen, stabilen Zusammenarbeit gering.
Biden stellt sich hinter Taiwan – Trump nicht
Zudem will Biden konsequent die Ukraine unterstützen. Sowie Taiwan, das von China bedroht wird. Trump indes hat sich bisher geweigert, ein klares Bekenntnis für den Schutz der Insel abzugeben, und ihr vorgeworfen, US-Geschäft gestohlen zu haben.
Wer also soll gewinnen im November? «Schlafkönig Biden», wie ihn das chinesische Internet nennt, oder doch Trump? Sein Spitzname, den er schon seit seiner ersten Amtszeit trägt, dürfte einen Hinweis darauf geben: «chuan jianguo». Übersetzt heisst das «der Kamerad, der die Nation aufgebaut hat». Nur ist nicht die amerikanische gemeint, sondern die chinesische.
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